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Gemeinsam den Ball ins Rollen gebracht

Jubiläum. Viele fleißige Hände errichteten vor 50 Jahren das Stadion am „Merzdorfer Park“.

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Von Susanne Johne

Jochen Wachtel schaut auf seine alten Fotos vom Fußballspiel zu den Einweihungsfeierlichkeiten des Stadions am „Merzdorfer Park“ am 21.und 22. Juli 1956. „Gegen das Seifenwerk Riesa haben wir im Finale gespielt. Und 1:0 gewonnen. Da haben sie fast geheult, die Jungs von der Seife!“ sagt er lächelnd.

Aber das sei ja schon so lange her, dass er sich kaum erinnern könne. Er war 16 Jahre jung und Schlosserlehrling in der Zündholzfabrik, als der Bau begann. Die Facharbeiten wurden von ansässigen Firmen erledigt, aber für alle anderen Tätigkeiten krempelten die Riesaer selbst die Ärmel hoch. Von 1953 bis 56 packten viele Männer und Frauen der Riesaer Großbetriebe mit an, um sich ein Sportstadion zu bauen. Nach der Arbeit in den Fabriken wurde in über 30 000 freiwilligen Aufbaustunden am Stadion gearbeitet.

„Es war mühsam“, erklärt Wachtel. „Wir hatten keine großen Geräte. Der Platz war huckelig und musste erst mal glatt gemacht werden. Die Erde wurde in Güterloren – schmalspurige Eisenbahngüterwagen – geschaufelt und weg gefahren.“ Aber es kam Hilfe von außerhalb. Zwei Arbeiter vom VEB-Straßenwerk in Halle, die sich gerade mit einer Planierraupe in Riesa befanden, entschieden sich spontan, bei grundlegenden Erdarbeiten zu helfen. Dieser Einsatz spornte die Riesaer noch mehr an. Und es wurde in den folgenden drei Jahren geschaufelt, planiert und gebaut.

Hunderte Aufbaustunden

Initiator dieses großen Vorhabens war Fritz Gruhle gewesen. Der damalige Betriebsgewerkschaftsleitungs-Vorsitzende in der Zündwarenfabrik Riesa träumte von einem Stadion, in dem sich seine Mitarbeiter in der Freizeit sportlich betätigen könnten – eine Betriebssportgemeinschaft wollte er gründen. Fußball, Handball und Volleyball sollten bald Abwechslung zum Arbeitsalltag bieten.

„Wir wollten was schaffen“, sagt Wachtel. Im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes entstand ein Wettbewerb zwischen den beteiligten Betrieben. Die Kollektive der Zündwaren-, Teigwaren-, Seifenfabrik und des Reifenwerkes hatten sich verpflichtet, Aufbaustunden zu leisten.

Jede Arbeitsstunde wurde vermerkt und am Ende des Monats gab es Auszeichnungen und Prämien. „Es gab Geldgeschenke und auch Buchpräsente.“ Einige davon wären wohl eher Ladenhüter gewesen, schmunzelt Wachtel. Er selbst hat auch Auszeichnungen bekommen. Mit insgesamt 208 freiwilligen Stunden steht er auf Platz 15 der Rangliste der besten freiwilligen Aufbauhelfer. „Unter zwei Stunden haben wir gar nicht erst angefangen zu arbeiten. Der Weg vom Betrieb zur Baustelle brauchte seine Zeit und nach Hause wollten wir ja auch irgendwann. Da hätte man in einer Stunde Zeit, ja nur eine halbe wirklich gearbeitet .“

Als die Bauarbeiten abgeschlossen waren, musste nur noch das Gras wachsen, damit man richtig gut Fußball spielen konnte. Es war ein sehr trockenes Jahr und im Stadion gab es keine Beregnungsanlage. So wurden die Übungen der freiwilligen Betriebsfeuerwehr der Zündholzfabrik zum Sportplatz verlegt und dieser kräftig berieselt, bis der Rasen gut angewachsen war. Jochen Wachtel, später selbst Wehrleiter, war auch mit dabei und erinnert sich an Radieschen, die auf dem Rasen wuchsen. „Irgendein Witzbold muss sie gesät haben. Immer wenn wir dort waren haben wir genascht“, sagt er und lacht.

1971 machte Wachtel seinen Meister und seit 1977 war er Schichtleiter in der Zündwarenfabrik. Sein Leben lang blieb er dem Fußball treu. Über 20 Jahre spielte er im Verein Aufbau Riesa. Erst vor zwei Jahren, nach langer Tätigkeit als Nachwuchstrainer beim FC Stahl Riesa, war es für ihn Zeit, den Fußball ruhen zu lassen. Aber bis heute verbinden ihn enge Freundschaften mit seinen ehemaligen Schützlingen und deren Eltern.