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Gemeinsam im Regen ins Finale

Was für ein Spiel. Dresden feiert den deutschen Finaleinzug. So mancher sieht dabei beim Public Viewing zeitweise schwarz.

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© Andreas Weihs

Von Lars Kühl, Linda Barthel und Kathrin Kupka-Hahn

Diese Nacht werden wir nie vergessen. (Fast) alle Deutschen, die vorm Fernseher saßen, wunderten sich, wie die Fußball-Nationalmannschaft die Brasilianer vom Platz fegte. 32,57 Millionen vermeldet das ZDF – die beste Quote aller Zeiten. Marktanteil bei fast 90 Prozent. Dabei sind die nicht mitgezählt, die beim Public Viewing lieber gemeinsam mitgefiebert haben. Auch in Dresden waren das wieder viele – gesichtsbemalt und schwarz-rot-gold--geschmückt. Und das bei diesem Sauwetter: Die Stadt hing unter einer Wolkendecke, es nieselte, regnete, goss und gewitterte. Berauscht vom Jahrhundertspiel der Deutschen, störte das die wenigsten. Dabei war das Fußball-Gucken im Freien nicht überall wie gewohnt.

Das Wetter: Der Regen ist da undbleibt bis zum Schlusspfiff

Tief „Michaela“ hatte Dresden fest im Griff, erklärt Anja Juckeland vom Deutschen Wetterdienst aus Leipzig. Das Elbtal lag an einer Luftmassengrenze: östlich heiß, im Westen kalt. Das Gewitterszenario war programmiert. „Wir mussten schon am Vormittag Warnungen im Minutentakt herausgeben.“ Und so kam es dann am Nachmittag: Starkregen, Böen, teilweise sogar Hagel. Weil es keine große Strömung gab, „standen die Gewitter“. Die Folge waren faszinierende Wolkenformationen, aber auch technische Probleme.

Die Bildstörung: Deutsche Tore

bleiben für einige unsichtbar

Skurrile Szenen spielten sich in einigen Biergärten im Dresdner Osten, wie dem El Horst in Striesen, ab: Just als Miro Klose zum 2:0 einnetzte, war das Bild weg. Der Jubel war noch nicht einmal abgeebbt, da zeigten einige Gäste mit Telefonen am Ohr: Es steht „3:0“ „4:0“, jetzt „5:0“! Kann das sein? Besucher starrten auf ihre Smartphones, verfolgten das Spiel dort „in klein“. Tatsächlich, leicht zeitversetzt, hatten alle schon vor dem Halbzeitpfiff die Gewissheit: Deutschland führt, quasi uneinholbar.

Die Technik: Satellitenanlagen sind anfällig für Gewitterfronten

Bildausfall tritt bei besonderen Wetterunbilden auf. Schuld sei die Übertragungstechnik via Satellitenanlage, erklärt Jens Wosnik, Verkäufer bei Radio Körner in der Friedrichstadt. „Bei Gewitter, dichter Wolkendecke und Regen wird der Empfang gestört. Dagegen kann man nichts tun. Höchstens übers Internet schauen.“ So will es das El Horst künftig im Ernstfall machen. Auch im Schillergarten war die Leinwand am Dienstag schwarz. „Aber nur kurz“, sagt Geschäftsführer Thomas Jacob. Wegen des Wetters waren viele Plätze im Freien leer. Besondere Vorkehrungen hatten die Betreiber nicht getroffen.

Der größte Ort: Trotz Regencapes kommen weniger zu den Filmnächten

Anders bei den Filmnächten am Elbufer. Dort wurden vor dem Anpfiff zahlreiche Regencapes verteilt. Die meisten Fußballfans hatten aber sowieso einen Schirm in der Tasche. Trotz des wenig meisterlichen Wetters war der riesige Platz vor der Leinwand gut gefüllt. 1 800 Mann feuerten Schweinsteiger, Müller und Co. mit Altstadtblick an und feierten lautstark jeden der sieben deutschen Treffer. Zwar kamen nicht so viele Besucher wie beim Achtelfinalspiel, bei den Wetterprognosen war das aber zu erwarten. Die Übertragung des Viertelfinales musste vergangene Woche abgesagt werden – ironischerweise wegen zu viel Sonne. Sie hätte zu sehr geblendet.

Über Bildausfälle mussten sich die Fans am Elbufer nicht ärgern. Die Technik trotzte auch den stärksten Regengüssen. So verpassten die Hartgesottenen keine Spielminute. Zum Finale am Sonntag hoffen die Veranstalter noch einmal auf gutes Wetter und ein volles Königsufer. 10 000 Mann haben an Dresdens größtem Public-Viewing-Ort Platz. Vor historischer Kulisse können die Besucher auf den vierten deutschen Weltmeistertitel hoffen.

Das Freibier: Waldschlösschen spendiert Tausende Liter

An der Toreflut vom Dienstag hatten die rund 2 000 Fußballfans im Waldschlößchen gleich doppelte Freude. Bei jedem Treffer der Deutschen spendierte die Geschäftsführerin des Brauhauses, Gudrun Kirchhöfer, jedem Besucher ein Freibier. Doch nicht alle Besucher kamen bei dieser Schlagzahl mit dem Trinken hinterher. Immerhin schenkten die Mitarbeiter mehr als 4 200 Liter kostenfrei aus. „Wir waren schon überrascht, dass die Deutschen insgesamt sieben Tore schossen“, gibt sie ehrlich zu. Trotzdem nimmt es Kirchhöfer mit Humor. „Wenn man so etwas verspricht, muss man es auch halten.“ Befürchtungen, dass nun die Biervorräte im Brauhaus knapp werden, hat sie nicht. „Wir haben uns rechtzeitig auf den Besucheransturm eingestellt.“ Denn die Freibieraktion gilt seit Beginn der WM und hat sich inzwischen herumgesprochen. Zu jedem Spiel der DFB-Elf waren rund 2 000 Fußballfans im und am Waldschlößchen. Egal, bei welchem Wetter. Am Dienstagabend beispielsweise wurden die Sonnenjalousien im Biergarten kurzerhand zum Regenschutz umfunktioniert. Zum Finale am Sonntag rechnet die Wirtin jedoch mit einem noch stärkeren Besucheransturm. „Und es wird bestimmt lange gefeiert“, sagt sie.

Die Feier: Die Neustädter lassenes um Mitternacht krachen

Gefeiert haben in der Nacht zu gestern schon einige. Zwar ist von einem Autokorso nichts bekannt, aber beispielsweise in der Neustadt gab es nach dem Abpfiff um Mitternacht ein zweites Silvester in diesem Jahr. In der Siegeslaune krachten Böller und es flogen Raketen. Auf den Straßen trafen sich die Dresdner und trommelten. Dabei blieb es weitgehend ruhig. Der Polizei wurden keine Ausschreitungen gemeldet.

Die Ausfälle: Vom Freibad ziehendie Fans ins Jugendhaus um

Auch nicht, als einige geplante Veranstaltungen im Freien kurzfristig abgesagt werden mussten. In Cossebaude hatten die Organisatoren des Public Viewing im Stauseebad am späten Nachmittag mit bangen Blicken zum bewölkten Himmel geschaut, da die Zuschauerplätze nicht überdacht sind. Gegen 18 Uhr dann die Entscheidung: Verlegung ins Kinder- und Jugendhaus, berichtet Mitarbeiterin Nicole Bernau. Aber am Sonntag, zum Finale, stehe dem Rudelgucken im Freibad nichts im Weg. Wenn das Wetter mitspielt.

Der Ausblick: Zum Finale wird Sommerwetter erwartet

Wetterfrau Juckeland kann Entwarnung geben. Spätestens am Freitag ist Tief „Michaela“ verschwunden, der Niederschlag hört auf und die Temperaturen steigen wieder. Für Sonntag rechnet sie mit 27 Grad Celsius. Public Viewing in Dresden wird also wieder entspannt. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es Sommergewitter gibt.“