Von Manfred Müller
Eine 2200-Einwohner-Gemeinde mit drei Kindertagesstätten - das dürfte selbst in den neuen Bundesländern eine Seltenheit sein. In Thiendorf aber ist es Realität. Wenn ab August der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren in Kraft tritt, können sich die Gemeinderäte entspannt zurücklehnen. Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht. Insgesamt 50 Krippenplätze stehen im Apfelbäumchen Sacka, im Kneipp-Kinderland Thiendorf und im Montessori-Kinderhaus Ponickau zur Verfügung. Auch die 116 Betreuungsplätze für Kindergartenkinder übersteigen den Bedarf der Kommune. In Ponickau zum Beispiel tummeln sich mehr Kinder aus der Nachbargemeinde Schönfeld als Thiendorfer. „Aber das geht in Ordnung“, sagt Bürgermeister Armin Freund. „Das sind schließlich die Ponickauer Grundschüler von morgen.“
Im Kreis das beste Pferd im Stall
In der letzten Ratssitzung ließen Thiendorfs Gemeinderäte einen ARD-Beitrag Revue passieren, der sich mit dem Krippenproblem in den alten Bundesländern befasste. Laut Städte- und Gemeindebund fehlen deutschlandweit immer noch 150 000 Plätze und auch jede Menge Erzieherinnen. Deshalb suchen die Kommunen jetzt nach Notlösungen. In Stuttgart besuchten die Fernsehjournalisten halbfertige Kitas, einen Crashkurs für Tagesmütter und trafen Anwälte, die sich jetzt schon auf eine Klagewelle einstellen.
Das kann den Thiendorfern nicht passieren. Sie sind auch im Landkreis in Bezug auf Kitaplätze das beste Pferd im Stall. Vor allem wegen ihrer kontinuierlichen Investitionspolitik haben sie nicht nur genügend Platz, sondern auch rundum modernisierte Räumlichkeiten geschaffen. Zwischen 2003 und 2008 flossen rund 300 000 Euro in die Sanierung der Sackaer Kita. Daran schloss sich nahtlos die Modernisierung des Kneipp-Kinderlandes an, die noch einmal 700 000 Euro kostete. Das Montessori-Kinderhaus wurde in zwei Etappen für eine Dreiviertelmillion Euro hergerichtet. Es bekam einen Krippen-Anbau; Heizung Elektrik und Sanitärbereich wurden komplett erneuert. „Das Gebäude war 1991 noch nach DDR-Standard fertiggestellt worden“ erklärt Bürgermeister Freund, „da musste einfach etwas gemacht werden.“ Die Ponickauer Kita ist mittlerweile auf der Zielgeraden - sie soll am 2. April offiziell übergeben werden.
Auch vom Profil her ist bei den Thiendorfer Kindertagesstätten Vielfalt angesagt. Das Thiendorfer Kneipp-Kinderland wird vom Landfrauenverband Riesa-Großenhain betrieben. Es hält vor allem zu einer aktiven, gesunden Lebensweise an. Zum Alltag der Kinder gehören Snoezlen, Yoga, Sauna, Wasseranwendungen und Massagen mit Entspannungsmusik. In der Kinderküche werden gemeinsam Säfte, Kompott, Marmelade und Joghurt hergestellt oder Kuchen oder Brot gebacken.
Das Kinderhaus Ponickau trägt sein Programm ebenfalls schon im Namen. In der von der Diakonie Riesa-Großenhain betriebenen Einrichtung nach der Montessori-Pädagogik gearbeitet. Jedes Kind wählt nach seinem jeweiligen Entwicklungsstand seine Beschäftigung frei aus. Das führt zu einer Disziplin, die von innen kommt und nicht vom Erzieher gemacht wird. Das kommunal betriebene Apfelbäumchen in Sacka legt besonderen Wert darauf, die Selbstständigkeit und Konfliktfähigkeit der Kinder zu entwickeln. Sie können sich in einem Spielwäldchen und in der Turnhalle austoben oder die Musikschule im Haus besuchen.
Haushalt schwer belastet
Heute zahlt sich aus, dass die Gemeinde Thiendorf ihre Kindertagesstätten über die geburtenschwachen Zeiträume um die Jahrtausendwende hinweg gerettet hat. Mit Hilfe der Trägervereine konnten auch das Gros der Erzieherinnen-Stellen erhalten werden. Die Elternbeiträge liegen mit 22,32 Prozent (Krippe) und 27,40 Prozent (Kindergarten) der Betriebskosten noch ein ganzes Stück unter den maximal möglichen Sätzen. Probleme bereitet den Thiendorfern allerdings das neue Haushaltrechnungssystem Doppik.
Es schreibt den Kommunen vor, die Abschreibungen für ihre Kindertagesstätten zu erwirtschaften. Die Gemeinde muss praktisch wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Da die Abschreibungen nicht als Betriebskosten umgelegt werden dürfen, belasten sie den kommunalen Haushalt.
„Das wird uns in Zukunft noch sehr weh tun“, so Thiendorfs Bürgermeister. Besonders schwer schlagen dabei jene Betreuungsplätze zu Buche, die für die Kinder aus anderen Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, und das sind – die Hortplätze eingeschlossen – immerhin 60.