Von Birgit Ulbricht
Die Mitte August in Zschauitz gefundenen Überreste eines toten Soldaten werden in der Dresdner Gerichtsmedizin untersucht. Als Am Bach 5 für ein Fundament Erdreich abgetragen wurde, entdeckten Bauarbeiter einen Schädel und weitere Skelettteile mit Stahlhelm, Gasmaske, Filter und Schuhen. Die Kriminalpolizei sicherte den Fund und bei allen Beteiligten galt der Gefundene als „Der Weltkriegstote“.
Wie lange lag der Tote dort?
Ob es tatsächlich so ist, das untersucht Dr. Christine Erfurt mit den Mitarbeitern des rechtsmedizinischen Institutes in Dresden. Sie werden stets hinzugezogen, um ein aktuelles Verbrechen auszuschließen. Dass das „jetzt erst“ erfolgt, hat einen ernsten Hintergrund: Die Medizinerin hat derzeit so viele Fälle von sexueller und anderer körperlicher Gewalt an Säuglingen, Kindern und Jugendlichen zu begutachten wie selten. Das ist das eigentliches Fachgebiet der kommissarischen Direktorin. Darüber spricht sie in Vorlesungen und diese Fälle beschäftigen sie. Die Termine für Gerichtsgutachten drängen, da scheint dem Außenstehenden dieser 60 Jahre alte Fall fast nebensächlich. Doch Dr. Erfurt nimmt auch dieses Opfer aus anderer Zeit ernst. „Weltkriegstoter“ will sie den Gefundenen nicht nennen. „Allein die Gegenstände besagen nichts“, sagt Christine Erfurt. Ist es überhaupt ein Mensch? War es ein Mann oder eine Frau? Seit wann liegt der oder die Tote wirklich dort? Letzteres ist wesentlich vom Umfeld abhängig, zum Beispiel reagiert trockener Sand anders als feuchter Lehmboden. Das dürften noch die einfacheren Fragen sein. Richtig schwierig wird es, wenn es um die Todesursache und die Identifikation der Person geht. „Zur Todesursache lässt sich nur etwas sagen, wenn eine knöcherne Verletzung vorliegt, zum Beispiel wie bei den meisten Toten der Häftlingstransporte, die fast alle durch Genickschuss umgekommen sind“, erklärt Frau Dr. Erfurt. Um den Toten über den Suchdienst einer Familie zuzuordnen, müssten allerdings verwertbare DNA-Spuren zu finden sein. Und das ist nach so langer Zeit selten der Fall. Ist der Tote untersucht, wird sich die Kriegsgräberfürsorge um den vermutlichen Soldat kümmern. Es gibt aber auch Tote, deren Namen durchaus bekannt sind und die trotzdem nie auf einem Friedhof bestattet wurden. Die Älteren in den Dörfern wissen meist davon. Doch die Gemeinden tun sich schwer mit einer Umbettung. Sie fürchten die Kosten einer Bestattung, die sie möglicherweise für getötete Zivilisten übernehmen müssten.
Fall „Wolf“ angezeigt
So ist in Medessen bekannt, dass Dachdecker Karl-Otto Wolf und seine Frau Hulda Minna am 3.Mai 1945 von russischen Soldaten erschossen und später im Garten ihres jetzt unbewohnten Grundstücks begraben wurden. Dort liegen sie noch heute. Die Priestewitzer Hauptamtsleiterin Margitta Noppes hat seit einigen Tagen ein Schreiben von der Kriegsgräberfürsorge dazu auf dem Tisch. Dorthin hatte sich ein Bürger gewandt, nachdem Bürgermeister Ernst-Georg Rendke zunächst nicht reagierte. Am 20. August wurde der Fall „Wolf“ bei der Kripo angezeigt. Die hat die Sache nun der Staatsanwaltschaft übergeben. Solche Fälle sind keine Seltenheit. Im Gutspark Kalkreuth, am früheren Quellemarkt, liegen sogar mehrere Personen, die sich in den letzten Kriegstagen dort aufhielten, der Gutsverwalter, ein ausgebombter Dresdner, ein durch Splitter getötetes Kind und eine Frau, vielleicht die Mutter des Kindes.