Pfarrer Mörbe und die Serbin-Auswanderer

Von Katrin Demczenko
Hoyerswerda. Seit Mitte März durften Pfarrer wegen der Corona-Krise keine Gottesdienste mehr abhalten; das Gemeindeleben war auf ein Minimum heruntergefahren – auch in Hoyerswerda und im Umland. So hatten sie plötzlich viel Zeit. Pfarrer Jörg Michel vom Martin-Luther-King-Haus der evangelischen Hoyerswerdaer Neustadt-Gemeinde nutzte die Zeit, um ein Buchprojekt zu beenden, an dem er seit Jahren arbeitet.
Hinterlassene Schriftstücke
Weil er auch Seelsorger im Kirchspiel Spreewitz ist, hat er zum 600. Jubiläum dieses Dorfes im Juni 2019 die Chronik eines seiner Amtsvorgänger, Pfarrer Johannes Mörbe, neu aufgelegt. Diese betrachtet die Zeit von der Besiedlung der Lausitz durch die Slawen im 7. Jahrhundert bis ins Jahr 1855. Weil Johannes Mörbe auch handschriftliches Material aus der Zeit bis zum Ende seiner Pfarrtätigkeit 1860 hinterlassen hat und Schriftstücke aus der Kaiserzeit, der Weimarer Republik sowie der Hitler-Dikatur existieren, führte Pfarrer Michel die Kirchenchronik bis 1945 fort.
Jetzt bearbeitet er zwei weitere Bände. Band 3 beleuchtet die frühen DDR-Jahre und enthält Nachträge zur Kaiser- und Hitler-Zeit, sagte der Geistliche. Im Band 2 erzählt er vom katholischen Pfarrer Dr. Johann Nowotny aus Böhmen. Dieser konvertierte 1851 zum evangelischen Glauben, ging mit seiner großen Liebe nach Preußen und wurde später Pfarrer in Spreewitz. Allerdings verstarben Dr. Johann Nowotny und seine Frau jung, hinterließen fünf minderjährige Kinder, über die das Archiv nichts verraten hat, erzählte Pfarrer Michel. Der sorbische Superintendent Jan Mahling informierte ihn über eine Streitschrift des Gödaer Pfarrers Friedrich Heinrich Immisch aus dem Jahr 1882, in der diese Kinder erwähnt sind. Ihre Geschichte, ferner die Geschichte der Spreewitzer Auswanderer nach Serbin in Texas und die Vorbereitung des 250. Kirchweihjubiläums 1938 wird er in Band 3 nachvollziehen.
Hoffen auf Petershainer Bücher
Pfarrer Michel will auch noch in den Petershainer Kirchenbüchern Informationen über die Kinder von Pfarrer Mörbe finden, denn sie haben ihren Vater nach dem Verlust seiner Pfarrstelle in Spreewitz aufgenommen und bis zu seinem Tod versorgt.In Band 4 erzählt Pfarrer i. R. Manfred Hornich über Spreewitz zur DDR-Zeit ab 1973 und über die ersten 20 Jahre in der wiedervereinigten Bundesrepublik. „Ich muss meinen Text über die Gegenwart ab 2010 noch beenden“, sagte Pfarrer Michel.Nach dem Ende der Corona-Krise werden die Lausitzer Werkstätten Hoyerswerda die Bände 3 und 4 der Spreewitzer Kirchenchronik drucken.
Geschichtsinteressierte Leser können sich schon jetzt informieren unter Tel. 03571 972073.