Von Gabriele Schrul
Für den Copitzer Karl Walther ist es grad so, als wäre es erst gestern gewesen. Es liegt jedoch schon fünf Jahre zurück. Damals wollte er Eingewecktes aus dem Keller holen. Als er die Tür dahin aufstieß, huschte ein fremder junger Mann mit zwei Einkaufsbeuteln an ihm vorbei. Karl Walther dachte sich nichts weiter dabei. Doch als dann nicht nur sein Keller, sondern auch die anderer Mieter aufstanden, schwante ihm nichts Gutes. Der Dieb hatte es überall auf die Wein- und Cognacflaschen abgesehen. Die Anzeige bei der Polizei folgte auf dem Fuß. Den Zeugenaufruf las er schließlich in der Zeitung. Offensichtlich hatte der Einbrecher auch noch anderswo sein Unwesen getrieben. Doch ob der Fall gelöst werden konnte, hat Karl Walther nie erfahren.
Stets Echo auf Zeugenaufrufe
Dann wieder trieb sich im vorigen Jahr im Landkreis ein Mietbetrüger herum. Unter falschem Namen hielt er sich in Hotels und Pensionen auf, blieb ein paar Tage und verschwand – ohne zu bezahlen. Der Zeugenaufruf in der Zeitung brachte die Ermittler auf die heiße Spur. In Sachsen-Anhalt wurde der 40-jährige Täter schließlich gestellt.
Auch das Phantombild eines Trickbetrügers in Heidenau, das im November vorigen Jahres in der Sächsischen Zeitung veröffentlicht wurde, war wichtig. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten.
Sind das nur Zufallstreffer? „In etwa fünf Prozent der Fälle führen Zeugenaussagen auch tatsächlich zum Täter. Das klingt zwar auf den ersten Blick nicht viel, ist aber dennoch nicht von der Hand zu weisen“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Kießling. Das allerdings habe nichts mit der Aufklärungsquote zu tun. Die liege, je nach Delikt, um ein Wesentliches höher. Beispielsweise werden die meisten Ladendiebe geschnappt. Wer indes seinen Pkw verliert, hat den Polizeistatistiken zufolge wenig Chancen, ihn jemals wieder zu sehen – trotz Zeugenaufrufe. „Sie sind dennoch für die Ermittlungen sehr wichtig“, sagt Kießling. Denn in den meisten Fällen hat immer jemand etwas Verdächtiges beobachtet, es aber nicht für wichtig gehalten. Erst durch den Zeugenaufruf in der Zeitung lebt bei dem Beobachter plötzlich die Erinnerung wieder auf. So geht es sehr vielen. Wenn sie sich dann tatsächlich auch bei der Polizei melden, haben die Ermittler eine zusätzliche Chance, dem Täter das Handwerk legen zu können.
Ungehört blieb ein Zeugenaufruf noch nie. „Es gibt immer Hinweise. Die meisten zu Verkehrsunfällen, vor allem bei denen mit Unfallflucht“, sagt Kießling. Bürger, die so etwas beobachten, sollten sich Kennzeichen, Farbe und Typ des flüchtenden Fahrzeugs merken und unverzüglich die Polizei informieren. Die meisten Fälle ereignen sich beim Ein- und Ausparken, in der Regel geht es um Kratzer und Blechschäden. Anrempeln, umschauen, abhauen – dieses Prinzip macht deshalb vor allem in großen Wohngebieten und Parkplätzen von Einkaufsmärkten in Pirna, Neustadt und Heidenau Schule. Meist seien es Versicherungsgründe, weshalb die Verursacher das Weite suchen und keinen Hinweis hinterlassen. „Weil sie Angst davor haben, hochgestuft zu werden“, sagt der Pirnaer Versicherungsexperte Gunter Reiche.
Auch Anonymität ist möglich
Wer sich als Zeuge bei der Polizei vorstellt, der muss auch mit einer Vorladung zur Gerichtsverhandlung rechnen. Unbequeme Fragen von Anwälten und Begegnungen mit Angeklagten sind dann natürlich nicht auszuschließen. Das räumt der Pirnaer Amtsgerichtsdirektor Heino Zimmek ein. Wer den Gerichtssaal scheue, der solle seinen Hinweis lieber anonym loswerden. Hauptsache, die Aussage liegt vor. Kommentar