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Gigantischer Konkurrent aus Fernost

Bombardier und Siemens haben mitgeholfen, Chinas Bahnbranche so stark zu machen.

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Bautzen. Noch vor ein paar Jahren spielte China auf dem Weltmarkt der Bahnbauer keine Rolle. Nach Recherchen des ARD-Wirtschaftsmagazins Plusminus deckten europäische Hersteller im Jahr 2006 rund 72 Prozent des weltweiten Bedarfs an Schienenfahrzeugen, die übrigen 28 Prozent teilten sich Japan und Südkorea. 2014 beherrschte China schon 64 Prozent des Weltmarktes, Europa noch 21 Prozent, Japan und Südkorea zusammen 15 Prozent.

Das riesige Land mit mehr als einer Milliarde Einwohnern verfügt über das größte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt. Ab den 1990er-Jahren nahm der Schienenverkehr in China einen enormen Aufschwung. Da wollten Hersteller wie Bombardier und Siemens auch ein Stück vom Kuchen und taten sich mit – damals noch unbedeutenden – chinesischen Herstellern zusammen. Der Markt im Reich der Mitte erwies sich als schier unersättlich. Doch schon damals deutete sich an, was die auf Verkehrsthemen fokussierte, weltweit gefragte Unternehmensberaterin Maria Leenen aus Hamburg jetzt in der Fachzeitschrift Der Eisenbahningenieur so beschreibt: „Die ehrgeizigen Chinesen haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die Technik und Märkte irgendwann auch ohne Europäer beherrschen wollen, und dieses Irgendwann ist heute.“ Führende Manager der chinesischen Bahnindustrie halten mit ihrer Absicht auch gar nicht hinterm Berg: „Wir führen intensive Gespräche mit 28 Ländern, von Thailand, Russland und Indien bis in die USA.“

Deutschland kommt in dieser Aufzählung nicht vor – noch nicht. Doch Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube sagt klar und deutlich, dass sein Unternehmen nicht zwangsläufig Züge einheimischer Hersteller kaufen muss. Das Interesse an ausländischen Anbietern dürfte mit jeder defekten Klimaanlage in ICE-Zügen aus deutscher Produktion noch zunehmen. Mehrere Anbieter stehen in den Startlöchern Richtung Deutschland, nicht nur die Chinesen mit ihren Hochgeschwindigkeitszügen.

Branchenkennerin Leenen ist überzeugt: „Es ist bei Doppelstockfahrzeugen oder einstöckigen Elektrotriebwagen noch viel wahrscheinlicher, dass es Konkurrenz zu den bekannten Herstellern wie Bombardier gibt, da Hochgeschwindigkeitszüge besonders anspruchsvoll sind.“ Doch noch scheuen beispielsweise die Chinesen das zeitraubende und aufwendige Zulassungsverfahren für neue Züge in Deutschland. „Längerfristig wird aber auch diese Bastion fallen, wenn die Europäer nicht besser sein werden“, sagt Maria Leenen der SZ. (SZ/tbe)