Von Maik Brückner
Christine Girlich ist in Deutschland schon viel rumgekommen. So eine Stadt wie Glashütte ist ihr dabei noch nicht begegnet. „Das ist eine Stadt der Extreme“, sagt die 55-Jährige. Und meint das aus Sicht einer Stadtplanerin. Seit dem 1. August hat sie diese Stelle inne. Ungewöhnlich seien die Kontraste in der Kernstadt, sagt sie. Die Oberstadt ist ein reines Wohngebiet, die Unterstadt hat sich zu einem Wohn- und Gewerbegebiet entwickelt. Auffällig sei auch die enge Tallage, in der sich die Stadt befindet. Oberhalb davon gibt es große Hochflächen. Und in Glashütte treffen mit der Prießnitz und der Müglitz zwei Flüsse aufeinander, die in der Vergangenheit die Stadt überfluteten und zuletzt 2002 für Schlagzeilen sorgten. Doch es sind die Uhren, die den Namen der Stadt bekanntmachten. Ihr selbst ist das beim Wandern vor gut zwei Jahren bewusst geworden.
Beim Wandern traf sie einen Westdeutschen, der ihr von den Uhren vorschwärmte, die in Glashütte hergestellt werden. Anfangs wollte sie gar nicht glauben, dass dort solche teuren Uhren hergestellt werden. Deshalb recherchierte sie das nach ihrer Wanderung. Und es stimmte. Damals ahnte sie nicht, dass es sie später mal ganz in die Nähe der Uhrenstadt verschlagen sollte. 2012 zog sie an den Dresdner Stadtrand nach Bannewitz. Hier wurde sie auch auf die Ausschreibung der Stadt Glashütte aufmerksam. Die Verwaltung suchte eine Stadtplanerin. Das ist schon ungewöhnlich, dass die Stadt in dieser Größe – Glashütte hat rund 7 000 Einwohner – sich so eine Stelle leisten kann, dachte sie. Sie bewarb sich trotzdem und wurde eingeladen.
Den Stadtrat überzeugte die studierte Architektin für Stadtplanung mit ihrer Berufserfahrung. Als Planerin begleitete sie die Stadtsanierung und Dorferneuerung in mehreren Orten Thüringens mit. 1995 wurde die gebürtige Ascherslebenerin als Stadtplanerin in die Architektenkammer Thüringens aufgenommen.
Nun wird sie auf diesem Gebiet in Glashütte tätig. Drei große Themenfelder hat ihr Bürgermeister Markus Dreßler (CDU) übertragen. So soll sie ausloten, auf welchen Flächen die Stadt Baugebiete ausweisen kann, auf denen junge Familien ein Häuschen bauen können. Denn immer wieder tauchen junge Väter und Mütter im Rathaus auf, die sich nach solchen Flächen erkundigen. Außerdem wird Christine Girlich das sogenannte Baulückenkataster fortführen. In dem werden alle Bauflächen erfasst, auf denen unkompliziert neue Häuser in Baulücken entstehen können, weil hier Baurecht schnell zu bekommen ist. Bisher stehen auf der von der Stadt angefertigten Liste nur wenige Grundstücke. Frau Girlich soll nun noch weitere Bauflächen aufspüren. Dazu will sie den Kontakt zu den Ortschaftsräten aufnehmen.
Auch mit den sogenannten Brachflächen wird sich die Stadtplanerin befassen. Das sind solche Flächen, auf denen Fabriken standen, die schon längst ihre Produktion eingestellt haben. „Die Schlottwitzer Schraubenfabrik ist so ein Beispiel“, sagt die Stadtplanerin. Sie soll ausloten, wie die Flächen neu genutzt werden können. Neben diesen drei großen Aufgaben wird sich die Stadtplanerin noch um zwei „kleinere“ kümmern. So wird an der Untersuchung zur Breitbandversorgung im Stadtgebiet mitarbeiten. Diese Studie soll aufzeigen, wo es für Stadt in den nächsten Jahren Investitionsbedarf geben wird.
Noch schnellere Ergebnisse wird sie aber wohl in der Kernstadt vorweisen können. Denn Christine Girlich soll einem Mangel abhelfen, mit dem das Uhrenmuseum und dessen Anwohner zu kämpfen haben. Denn immer öfters kommen Reisegruppen mit Bussen an, die aber vor dem Museum nicht parken können. Das führt zu gefährlichen Situationen und war schon Thema in einer früheren Stadtratssitzung. Dort wurde angemahnt, endlich einen Bushalteplatz zu schaffen. Dieser Aufgabe hat sich Christine Girlich nun angenommen. Und sie hat schon eine Idee. Die Haltestelle soll direkt ans Museum kommen. Damit verliert die Stadt aber kostbare Parkplätze. So ist das in einer Stadt der Extreme.