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Wo ein Lächeln die Sorgen vertreibt

Abstand halten wegen Corona - in einigen Berufen geht das nur schwer. Wie eine Bautzener Bäckerei mit der Situation umgeht.

Von Franziska Springer
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Für jeden Kunden ein Lächeln - trotz Corona-Angst: Andrea Schieback steht in der Bautzener Filiale der Großdubrauer Bäckerei Jeremias hinter der Verkaufstheke.
Für jeden Kunden ein Lächeln - trotz Corona-Angst: Andrea Schieback steht in der Bautzener Filiale der Großdubrauer Bäckerei Jeremias hinter der Verkaufstheke. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Hätte die Corona-Krise eine Farbe, in der Bäckerei Jeremias wäre sie blau. Wo sonst alles warm und mint und goldgelb ist, wirken die eiskristallfarbigen Gummihandschuhe von Andrea Schieback fehl am Platz. Aber sie unterstreichen den Ton ihrer lachenden Augen.

Tür auf, Tür zu. „Guten Morgen“, wünscht ein Kunde. „Guten Morgen“, wünscht Andrea Schieback zurück. „Einen Mohnzopf, eine Laugenstange, eine Schnittsemmel“, möchte der Kunde. Papier raschelt, Backwerk landet in der Tüte. „Noch was dann?“, fragt Andrea Schieback. „Das war’s, danke!“ - „Das macht 2,80 Euro, bitte.“ Die Knistertüte wechselt den Besitzer. „Bittesehr!“ - „Dankeschön!“ Kleingeld klimpert in der Kasse. „Auf Wiedersehen!“ - „Tschüss!“ Tür auf, Tür zu.

Es ist kurz nach sieben am Mittmochmorgen an der Kreuzung von Seminar- und Goschwitzstraße in Bautzen. Viele kleine Begegnungen liegen schon hinter Andrea Schieback. Etliche noch vor ihr. „Schon kurz vor sechs stehen die ersten Kunden vor dem Laden“, sagt sie. „Heute früh mussten sie kurz warten, bis ich mir die Handschuhe angezogen hatte. Dann gab’s ein ‚Guten Morgen‘ und dann ging’s los.“

Stumme Zeugen

Die Handschuhe; die Bitte an den Eingangstüren, auf die maximal erlaubte Kundenzahl zu achten; der Abstandshinweis auf dem Verkaufstresen; die große, leere Fläche, auf der sonst Tische zum Verweilen einladen - alles stumme Zeugen dafür, dass längst nicht alles normal ist an diesem Morgen im Bäckergeschäft.

„Natürlich fährt die Angst vor Ansteckung mit, wenn ich auf Arbeit komme“, gibt Andrea Schieback zu. „Aber noch schlimmer ist sie, wenn ich nach Hause fahre. Die Angst, es mit reinzuschleppen.“ Ihr Arbeitgeber, erzählt sie, hat ihr das Tragen einer Schutzmaske freigestellt. „Wir haben uns dagegen entschieden. Mit so einem Ding vor den Kunden, das wäre seltsam.“

Die Verkäuferinnen vermeiden es, sich direkt ins Gesicht zu reden, halten Abstand zueinander und zu ihren Kunden. Wenn niemand im Laden ist, huscht Andrea Schieback schnell hinter der Theke hervor, desinfiziert die Glasfläche. Die Distanz, die die Verkaufstheke bedingt, gibt ihr Sicherheit, sagt sie. Verschanzt hinter Maulschelle, Pfannkuchen und Laugenspitz mit Camembert hält sie den Morgenbetrieb am Laufen.

Tür auf, Tür zu. Andrea Schieback, die ihren Beruf quasi im Namen trägt, strahlt jeden an, der den Laden betritt. Wenn sie lacht, bilden sich Grübchen auf ihren Wangen, - und sie lacht viel, trotz oder gerade wegen allem. „Man geht noch achtsamer miteinander um“, sagt sie nachdenklich. „Normalerweise erlebt man es ja doch, dass jemand ungeduldig ist. Das passiert zur Zeit kaum.“

Ein großer Kreislauf

8.20 Uhr. Tür auf. Eine Streuselschnecke, ein Mischbrot und ein kleines Brötchen wechseln den Besitzer. Papier raschelt, Kleingeld klimpert. „Am Sonnabend haben Sie offen, oder?“, fragt der Kunde. „Na klar! So wie immer. Wir halten durch“, antwortet Andrea Schieback und lächelt. „Na, irgendwas muss man ja essen. Mal sehen, wie lange Sie noch Zutaten geliefert bekommen“, antwortet der Kunde. „Ja, es ist alles ein großer Kreislauf“, antwortet Andrea Schieback. Tür zu. Drohen den Bäckereien Lieferengpässe? „Ach Quatsch“, winkt Schieback ab. „Wir hören hier so viele Theorien. Da gebe ich gar nichts drauf.“

Wenn gerade niemand im Laden ist, keine Theke zu wischen, keine Lieferung einzusortieren, verlieren die Augen von Andrea Schieback ein wenig Glanz. Sie blickt dann gedankenverloren auf die Straße. "Die Schüler fehlen", sagt sie. Als die meisten Läden im Kornmarkt-Center schließen mussten, habe es den nächsten Hieb gegeben. Die Straße sei plötzlich leer gewesen. „Ich bin echt gespannt, wie viele Läden wieder aufmachen, wenn das alles vorbei ist“, sagt sie und deutet nach draußen in Richtung Seminarstraße: „Der Elektroladen, der Schuhmacher; und der Waffelladen hat doch grad’ erst aufgemacht.“

Produkte aus dem Sortiment genommen

28 Angestellte arbeiten in den vier Geschäften der Großdubrauer Bäckerei Jeremias. 14 davon im Verkauf. Noch droht keinem von ihnen Kurzarbeit. Geliefert wird wie immer - etwas weniger als sonst. „Wir haben einige Produkte aus dem Sortiment genommen. Die kommen wieder, wenn das alles vorbei ist. Hoffentlich bald“, sagt Andrea Schieback. Zu Hause sitzen will sie nicht. „Ich will nicht ins Nachdenken kommen“, sagt sie. Dann reißt die Tür sie aus ihren Gedanken.

Mohn-, Wikinger- und Dinkelsemmel wandern in die Knistertüte. Zwei Krapfen hinterher. „Bleiben Sie gesund!“, ruft die Kundin beim Hinausgehen. Andrea Schiebacks blaue Augen strahlen. „Wenn die Kunden sagen, dass es schön ist, dass man hier bleibt und verkauft, dann freut man sich.“

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