Krasse Leuchtpilze statt Gift im Licht

Tief im Wald. Dort wo Holz vor sich hin verrottet. Dort wo man im Unterholz ganz selten nur freiwillig hindurch kriecht. Genau dort ist er zu Hause. Panellus Stipticus, ein Pilz der ganz besonderen Art. Herber Zwergknäueling nennt er sich auch und lebt besonders gern am Holz von Eichen und Buchen. Nicht giftig zwar, aber ungeeignet zum Essen. Wenn die Leute von Foxfire das mal sehen, dann kommt es dennoch in den Korb, oder besser noch, ins Glas. Denn der Zwergknäueling kann etwas Sonderbares: Immer abends, wenn es still und dunkel wird im Wald, dann schlägt seine große Stunde. Mystisch beginnt sein Leuchten. So als wäre eine LED dort eingebaut. Stundenlang schimmert es grün durchs Gehölz. Der Pilz verarbeitet die Nährstoffe aus dem toten Holz zu Licht. Biolumineszenz nennt sich dieses Phänomen. Die will Sven Gille mit seinem Team nutzen. Für Outdoor-Leuchten, die einen ganzen Giftcocktail ersetzen. „Wir arbeiten an einem Pilzknicklicht, das ökologisch ist und vor allem unbedenklich“, sagt der Wissenschaftler vom Institut für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik der TU Dresden.
Was heute als Spielzeug, Adventure-Tool, Spaßlicht – eben als Knicklicht zu Hunderttausenden verkauft wird, das hat so ziemlich alles drin, was man eigentlich nicht haben will. Knicklichter haben im Innern eine Flüssigkeit. Darin dann nochmals eine Glaskapsel mit einer anderen Substanz. Zerbricht die Glaskapsel, kommt es zur chemischen Reaktion. Licht entsteht. Schön, bunt, manchmal mystisch – aber immer giftig im Innern. Meist auch ätzend. Außen schützt daher ein dickes Plastikröhrchen vor Verletzungen. Nicht auszuschließen, dass Kinder darauf auch schon mal herum beißen, die Gefahr nicht ahnend. Der Notruf ist dann gewiss. Oder das erloschene Licht, eigentlich Sondermüll, kommt einfach so in den Abfall – bestenfalls. Es landet aber leider oft auch in der Natur mit seinem gesamten chemischen Cocktail. Was genau in welchem Licht drin ist, das weiß niemand. Zu Hunderttausenden werden sie Jahr für Jahr vor allem aus China importiert.
„Das geht auch anders“, ist sich Sven Gille sicher. Er will leuchtende Pilze dazu bringen, unbedenkliches Licht zu erzeugen. Seit einem halben Jahr läuft das Projekt an der Dresdner Uni. In einem Jahr will das Team die ersten Prototypen vorstellen. Mit einer Art Leuchtbirne funktioniert dies schon ansatzweise. Nur, es gibt bisher zu wenig Leuchtpilz. Die biologische Substanz muss erst noch wachsen und gedeihen, statt in Gramm in Kilogramm zur Verfügung stehen. Das alles dauert halt. „Die Natur braucht ihre Zeit zum Wachsen, da lässt sich nicht viel beschleunigen“, sagt Sven Gille. Die Dresdner Forscher experimentieren daher mit den optimalen Bedingungen. Was braucht dieser Zwergkäueling zum Leuchten? Wie bleibt er dunkel, wenn er halt nicht leuchten soll? Und wie wird er sich letztlich anschalten lassen? Mit Nährstoffen? Stephanie Stange, die Fachfrau für alles, was die Pilze betrifft, weiß es. Aber das bleibt geheim. Stephanie Stange hat Bioverfahrenstechnik studiert, dann mit Sven Gille und Leander Mohl vor gut einem Jahr diese Idee gehabt. Foxfire war da.
Wenn es gut läuft, so die Pilze mitspielen, ist in einem Jahr ein Start-up denkbar. Foxfire wäre dann der Firmenname. Foxfire, so lautet die englische Bezeichnung für jenes natürlich-biologische Leuchten am verrottenden Holz. Es wäre dann gezähmt in einem Knicklicht. So der Plan von Gille und Co.
Bisherige Alternativen zu den chemischen Knicklichtern sind nicht wirklich Alternativen, sagt Sven Gille. Da sind Batterien drin und Elektronik – Einwegprodukte zum Wegwerfen. Es gibt so etwas auch mit freilich nur schwach radioaktiv aktiviertem Material als Leuchtenergie für Jahre: Schlüsselanhänger, Markierungen für Schwimmer beim Angeln und Spaßlichter. Für Sven Gille hört da der Spaß auf. Er will Alternativen. Die gibt’s zumindest im Labor schon mal. Dort gedeihen die Pilzkulturen. Gefüttert und umsorgt. Leander Mohl sortiert unter annähernd Reinraumbedingungen im Labortrakt Späne und Myzel. In Gläschen und Schälchen. Der Pilz soll wachsen ohne fremde Pilzsporen und Bakterien. Vor allem deshalb haben die Forscher statt auf die Ernte im Wald auf die Bio-Bank gesetzt. Das Leibniz-Institut DSMZ, die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig, hat ihnen die Pilzkultur geschickt. Viren, Bakterien, Pilze und Zellen lagern dort. Es ist die weltweit größte Sammlung dieser Art.
Es sollte ein einheimisches Gewächs sein, weil sonst statt Chemie ganz andere Risiken für die Natur entstehen. Und wenn später fürs Ausland produziert werden sollte, für Asien oder Nordamerika, dann müssten eben andere Leuchtpilze ran. Solche, die dort einheimisch sind. So etwas gibt es schließlich weltweit. An die 30 Kandidaten haben die Dresdner Wissenschaftler im Blick. Sie alle leuchten grün. Mal mehr mal weniger. Mal in den Lamellen, mal am Hut oder auch das Myzel an sich.
Die Birkenholzspäne im Bio-Labor, geimpft mit dem Herben Zwergknäueling, wachsen bei optimalen Bedingungen heran. Das dauert zwei bis vier Wochen bis zu einer kleinen Ernte. „Wir müssen aus der Pilzprobe erst einmal das Material heranzüchten, das wir für die Experimente benötigen“, sagt Sven Gille. Da seien das Substrat und das Futter entscheidend für die Geschwindigkeit. „Durchaus möglich, dass Kaffeesatz besser funktioniert, wir testen es.“ Auch Papier statt Holz kommt da schon mal in die Petrischale.“ Und Stephanie Stange gibt dem Pilz dann ordentlich zu fressen. Das wirkt wie ein Energieriegel für uns vorm Sport.
Ganz anders, wenn es ums Leuchten an sich geht. „Vielleicht braucht der Leuchtpilz dann einen künstlichen Mangel? Sodass er Angst um sein Überleben hat und vor Schreck schnell leuchtet, um auf sich und seine Sporen aufmerksam zu machen.“ Erst einmal versuchen es die Dresdner Forscher aber im Guten, mit ganz bestimmten Zuckermischungen. Und auch eine neue Pilzart sei schon in Arbeit. Das aber bleibe so geheim wie die Futtermischung. Eines jedoch ist gewiss: Auch dieses Knicklicht wird nicht giftig sein.
Der Elevator-Pitch
Skurriler geht's kaum. 50 Sekunden im Fahrstuhl aufwärts, es bleiben genau elf Stockwerke Zeit, eine wichtige Erfindung oder Idee vorzustellen. Wir haben es bei Sächsische.de im Dresdner Haus der Presse gefilmt. Dann öffnet sich die Fahrstuhltür, und nichts geht mehr. Schnitt, aus. Der Elevator-Pitch mit den Erfindern ist hier im Video zu sehen. Seinen Ursprung hat das Ganze darin: Erst mal muss man eine richtig gute Idee haben, und dann zufällig eine wichtige Person im Fahrstuhl treffen. Es bleibt genau diese Zeit, um von der Idee oder dem Produkt zu überzeugen. Kommt der Fahrstuhl an, verabredet man sich auf einen Termin oder sieht sich zu diesem Thema halt nie wieder.
Erfinder-Meetup
Die Erfinder treffen, in der Pitch-Show zuhören, mit ihnen reden und die Produkte testen - zum Erfinder-Meetup mit Wissens-Show im Haus der Presse (Dresden, Ostra-Allee 20). Die Dachterrasse vom SZ-Hochhaus mit Blick auf Dresden ist dann geöffnet, und wir stellen erstmals den neuen Newsroom von Sächsische.de und Sächsischer Zeitung vor.
Ankommen, hinschauen, staunen - am 17. Juni im Haus der Presse ab 19 Uhr, Dresden, Ostra-Allee 20.
Bereits erschienen:
Teil 1: Erste Socken gegen Mückenstiche
Andreas Leuteritz und sein Team haben in Dresden Strümpfe entwickelt, die gegen Malaria schützen. Wie sich die Socken laufen und wie ein Experte das Potenzial des Mückenstrumpfs einschätzt. (SZ-PLUS)
Teil 2: Eine Fahrradspeiche aus Textilfasern
In Ingo Berbigs Firma PiRope in Chemnitz werden Speichen geflochten, die leichter und widerstandsfähiger sind, als man denkt. Bike-Magazine sind davon begeistert. Doch wie funktioniert das überhaupt? (SZ-PLUS)
Teil 3: Ein Dünger, den man essen kann
Kleepura ist das erste hundertprozentige Bio-Düngemittel auf dem Markt. Auf die Felder und in die Gärten haben es ein paar findige Dresdner gebracht.
Teil 4: Das Teelicht 2.0 kommt aus Sachsen
Das ist "Genial Sächsisch": Eine Kerze aus Frittenfett, die aber zum Glück nicht so riecht – und auch noch gut für die Umwelt ist. (SZ-PLUS)
Teil 5: Ein Luftanalysator, der gegen Müdigkeit hilft
AirQ kann neben dem Sauerstoff-, Kohlendioxid- und Kohlenmonoxidgehalt auch Feinstäube, Stickoxide, Schwefeloxide messen, Ozon oder flüchtige organische Verbindungen wie Methan ebenso. (SZ-PLUS)
Teil 6: Der Sachse mit den blühenden Büchern
Die SZ stellt Erfindungen von hier vor, die unser Leben verbessern. Teil 6: Matabooks – Papier aus Gras, hergestellt in Dresden. (SZ-PLUS)