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Was kaufen die Görlitzer in Corona-Zeiten?

Seit einer Woche haben viele Geschäfte in Görlitz wieder geöffnet. Der große Ansturm auf der Berliner Straße ist vorbei. Zeit für eine Bilanz.

Von Maximilian Helm
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Marco Zahn darf seit Montag sein Bekleidungsgeschäft S18 auf der Berliner Straße wieder öffnen.
Marco Zahn darf seit Montag sein Bekleidungsgeschäft S18 auf der Berliner Straße wieder öffnen. © Nikolai Schmidt

"Also ich finde die Hose passt gut", sagt Marco Zahn. Die Kundin, die er gerade betreut, probiert schon seit einer ganzen Weile verschiedene Kleidungsstücke an. Seit Montag ist das wieder möglich, denn seitdem dürfen in ganz Sachsen Geschäfte wieder öffnen. Unter der Bedingung, dass sie weniger als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben.

Ein Kümmel-iger Blick auf Corona
Ein Kümmel-iger Blick auf Corona © Kümmel

Marco Zahn arbeitet im S18 auf der Berliner Straße. Was von außen wirkt wie eine hippe, internationale Modekette ist im Kern ziemlich ostsächsisch: Der Name kommt von der Steinstraße 18 in Bautzen, wo das Geschäft gegründet wurde. Inzwischen gibt es auch Läden in Cottbus und Hoyerswerda. Zahn leitet das Geschäft in Görlitz. "Wir merken, dass die Leute noch etwas verhalten sind." Die Berliner Straße sei, trotz guten Wetters, merklich leerer als an "normalen" Freitagvormittagen.

Ist die Euphorie verflogen?

Vor allem eine Gruppe fehle. "Wir bemerken meistens sonst einen deutlichen Anstieg am Donnerstag und Freitag, weil viele Touristen ein verlängertes Wochenende in Görlitz verbringen", sagt Zahn. Die bleiben nun aus. Am Kaufverhalten hätte sich wenig verändert, Hosen, T-Shirts, Pullover - ein leichter Hang zur Wohlfühlkleidung. Derzeit überwiege auch noch die Freude, das Geschäft endlich wieder öffnen zu dürfen. Bisher arbeiteten Marco Zahn und seine beiden Mitarbeiter verkürzt, das hat nun ein Ende.

Doch insgesamt ist an diesem Freitagvormittag in der Innenstadt deutlich weniger los als noch am Anfang der Woche. Es ist etwas bewölkt, aber hat das wirklich Einfluss auf die Shoppinglust der Görlitzer? Oder ist die kurze Wiedereröffnungs-Euphorie vom Montag schon wieder verflogen?

Eine Sorte Bücher ist besonders beliebt

Erfahrungen in diese Richtung hat die Thalia-Buchhandlung gemacht. "Der Andrang am Anfang der Woche war groß", sagt Petra Kriegel, die die Buchhandlung leitet. Zu groß, um die Anzahl der Kunden im Geschäft im Blick zu behalten. Deswegen entschied man sich für eine Einkaufskorb-Pflicht. Es gibt eine begrenzte Anzahl, wer keinen mehr bekommt, muss draußen warten. Akzeptiert hätten das die meisten klaglos und auch die Mundschutzpflicht würde eingehalten. "Wir haben keine schlechten Erfahrungen gemacht", sagt Kriegel.

Doch wo kommt dieses große Interesse her? "Die Leute brauchten Nachschub", sagt die Filialleiterin. Und ein Segment hat extrem zugelegt: Kinderbücher. Oder genauer: Kinderbeschäftigungs-Bücher. Ob Malbücher, Rätselhefte, Lernmaterialien oder einfach Kindergeschichten, alles ist gefragt wie nie. Das ist auch ein Problem, denn auch die Thalia-Zentrale muss ihre Versorgungsketten wieder aufbauen. Neue Ware ist heiß begehrt.

Dabei sei es gerade jetzt wichtig, viele Neuerscheinungen in das Sortiment zu nehmen. "Viele haben jetzt Zeit zum Lesen - und wollen etwas Frisches, das merken wir ganz deutlich." Doch: Inzwischen habe sich auch hier der Betrieb wieder normalisiert und knapp unter Vorkrisen-Niveau eingepegelt. Noch arbeitet man verkürzt, auch die Öffnungszeiten sind kürzer als sonst. Der große Ansturm vom Anfang der Woche sei jedoch abgeebbt.

Masken bringen Ärger

Im Nanu-Nana auf der Berliner Straße hat es am Anfang der Woche auch ein spürbar größeres Interesse gegeben - aber auch ein bisschen Ärger. "Einige Kunden haben sich wegen der Maskenpflicht ziemlich aufgeregt", sagt Chefin Doreen Sielaff. 

Einige hätten sogar behauptet, wenn Mundschutz-Pflicht gelte, wäre das Geschäft verpflichtet, welche im Sortiment zu haben. "Ich weiß nicht, wie die Leute darauf kommen", sagt Sielaff. Sie selbst ist auch etwas genervt vom dauerhaften Tragen ihrer weißen Maske mit Insektenmotiven, trägt sie aber mit Fassung, um ihre Kunden nicht zu gefährden. Und auch, weil es Pflicht ist.

Nanu-Nana Filialleiterin Doreen Sielaff in Görlitz. Im Hintergrund steht ihre Mitarbeiterin Natalya Gazizova.
Nanu-Nana Filialleiterin Doreen Sielaff in Görlitz. Im Hintergrund steht ihre Mitarbeiterin Natalya Gazizova. © Maximilian Helm

Ein Problem sei  die Osterware gewesen. Die sei gerade eingetroffen, da kam der Shutdown. Am Regal klebt jetzt ein großes Schild, das auf satte 50 Prozent Rabatt bei Osterartikeln hinweist. Das Interesse ist, so kurz nach dem Fest, jedoch verhalten. "Normalerweise schicke ich höchstens eine Palette Ware zurück, dieses Jahr werden es sechs bis acht Paletten mit Osterware sein", sagt Doreen Sielaff. Sie deutet auf mehrere große Kartons, die gut verpackt mitten im Geschäft aufeinandergestapelt sind.

Insgesamt sei das Interesse noch verhalten. "Einige Artikel gehen sehr gut, zum Beispiel Leinwände, das hat uns etwas überrascht", sagt die 34-Jährige. Doch offenbar haben viele Görlitzer in Corona-Zeiten ihr künstlerisches Talent entdeckt. Andere Artikel werden dagegen zu Ladenhütern, vor allem alles was mit Hochzeiten und Geburtstagsfeiern zu tun hat. Beliebt seien vor allem kleine Artikel. "Ich vermute, weil die sich besser verschicken lassen."

Mitarbeiterinnen ausgesperrt

Und auch die Schließung der polnischen Grenze mache sich gleich doppelt bemerkbar. Zum einen, weil viele wichtige Kunden fehlen. "Die Polen kaufen normalerweise oft reduzierte Ware, das fehlt uns jetzt", sagt Sielaff. Zum anderen ist der Betrieb selbst betroffen: im Görlitzer Nanu-Nana arbeiten sechs Frauen. Doch zwei wohnen in Polen, und können nicht nach Deutschland zum Arbeiten kommen. "Mit unseren beiden Auszubildenden kommen wir klar, aber die Kolleginnen fehlen uns natürlich", sagt Sielaff.

Der Start am Montag lief also für einige Geschäfte weniger furios als erhofft. Müssen sich die Händler nun auf schwere Zeiten einstellen? Marco Zahn aus dem S18 hat eine Hoffnung. Viele Menschen müssen derzeit mit weniger Geld zurechtkommen, "dann wird natürlich auch weniger für Kleidung ausgegeben", so der 32-Jährige. Doch  er hat die Kurzarbeit aufheben können, so geht es mehreren Geschäften und Unternehmen. Und dann gewinnen die Menschen vielleicht auch die Freude am Shoppen zurück.  


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