Von Sebastian Beutler
Bodo Raus roter Koloss am Neißeufer der Altstadtbrücke begeistert die Görlitzer nicht wirklich. Immer wieder reiben sie sich an der Metallskulptur, die anlässlich der Kulturhauptstadtbewerbung aufgestellt wurde. Zwischenzeitlich war sogar mal überlegt worden, sie ein paar Kilometer flussaufwärts an den Berzdorfer See zu stellen. Oder auch mitten auf den Lutherplatz. Doch alle diese Varianten wurden entweder verworfen oder nicht weiter verfolgt. So steht sie weiter am Neißeufer.
In zwei Jahren könnte sie mindestens zehn Geschwister im Stadtgebiet bekommen. Denn der Stadtrat hat jetzt bei zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen beschlossen, 2016 zusammen mit Europas Kulturhauptstadt Wroclaw ein besonderes Kunstvorhaben zu verwirklichen. So sollen Bildende Künstler aufgerufen werden, in einem Wettbewerb Installationen und Skulpturen für Plätze und Straßen der Stadt zu schaffen. Künstler der Kunstakademie Wroclaw wählen die besten aus, die dann ein Jahr lang in Görlitz aufgestellt und gezeigt werden. Möglicherweise wird eine der Skulpturen schließlich auch von der Stadt Görlitz angekauft. Der Vorteil dieses Projektes für Görlitz: Die Stadt würde Teil der Kulturhauptstadt und dadurch auch beworben werden.
Die geschätzten Kosten von 245 000 Euro sollen vor allem durch Kulturstiftungen, den Kulturraum, Spenden und Sponsoring sowie die Sparkasse aufgebracht werden. Die Stadt Görlitz will sich selbst mit 70 000 Euro beteiligen, die Stadt Wroclaw mit 25 000. Ein großes Geschenk nannte das Oberbürgermeister Siegfried Deinege. Die Gelder sind nötig für die Arbeit des Kurators und der Künstler, für einen Katalog, für die Organisation vor Ort, für Übernachtung und Fahrtkosten sowie auch dafür, falls Graffiti von den Installationen oder Skulpturen zu entfernen sind.
Die zunächst einmalige Aktion könnte in regelmäßigen Abständen auch eine Fortsetzung erfahren. Denn es ist sozusagen ein Probelauf für ein Konzept mit dem Namen „Görlitzer Art“, das in der Arbeitsgruppe Kunst unter Leitung von Oberbürgermeister Deinege entstand. Das dreiseitige Papier kommt zu dem Schluss, dass die Bildende Kunst in der Stadt im Vergleich zu Theater, Musik oder Tanz unterrepräsentiert sei. So sei der Bestand an Gemälden und Zeichnungen beim Städtischen Museum seit Jahren nicht mehr systematisch erweitert worden, nur unregelmäßig würden große Kunstausstellungen in Görlitz stattfinden, und im öffentlichen Raum sei es ohnehin nicht weit her mit Kunstwerken. Allerdings schränken die Autoren des Konzeptes ein, dass es keine Übersicht über Kunstwerke auf den Straßen und Plätzen in Görlitz gibt. Das sollte schnell nachgeholt werden. Genauso wie die Entwicklung eines thematischen Stadtführers, wie es ihn in vielen Städten gibt. Und schließlich enthält das Konzept den Vorschlag, alle vier Jahre ein Ausstellungsprojekt mit Werken der Bildenden Kunst im öffentlichen Raum zu verwirklichen, bei dem die Kunstwerke ein Jahr lang gezeigt werden. Eines dieser Werke soll dann angekauft werden, wobei die Bürger darüber abstimmen könnten welches. Ausstellungen über die beteiligten Künstler im Kaisertrutz könnten das Vorhaben abrunden.
Ob die Wroclawer Kooperation tatsächlich der Startschuss für ein dauerhaftes Projekt ist, wird sich zeigen. Ein Glücksfall ist es wenigstens für die Skulptur „Salzkristalle“, die anlässlich der Landesausstellung in Görlitz entstand und bei der sich die Stadträte bislang nicht durchringen konnten, sie öffentlich aufzustellen. Nun soll sie eins der zehn Kunstwerke 2016 sein.