Görlitzer hortet Tausende leere Bierflaschen

Ein besonderer Fall von Sammelleidenschaft macht derzeit die Runde in den Medien, auch in den sozialen. In Görlitz hatte ein Mann in seiner Wohnung im Stadtteil Rauschwalde leere Bierflaschen gesammelt. Wie es in verschiedenen Gazetten heißt, habe der Mann etwa sieben Jahre lang jeden Tag seine Feierabendbiere genossen, die leeren Flaschen aber nicht ins Geschäft zurückgebracht. Später habe er sich geschämt vor den Nachbarn, wenn sie mitbekommen würden, dass er so viele leere Flaschen wegbringt. Ein Jahr lang sei er schließlich nicht mehr in der Wohnung gewesen, die letzten drei Monate habe er keine Miete gezahlt.
Die Wohnung ist inzwischen zwangsgeräumt und das Leergut entsorgt worden. Wie viele Flaschen es letztlich tatsächlich waren, kann niemand sagen. Sie wurden nicht gezählt, füllten aber einen großen Container. Mit Sicherheit waren es Tausende Flaschen. Auch Luisa Herz hat ein Foto der Flaschen aus der Wohnung gesehen. Es handelte sich vorwiegend um Leergut aus der Görlitzer Landskron Brauerei, in der Frau Herz für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. „Allerdings muss ein Teil der Flaschen schon sehr lange dort gelegen haben“, sagt sie. Denn im Herbst 2015 hat Landskron auf die sogenannten Longneck-Flaschen mit dem schlanken Hals umgestellt und die bis dahin benutzten aus dem Verkehr gezogen. Not an leeren Bierflaschen ist durch die Sammlung des Mannes aber nicht entstanden, sagt die Sprecherin. Erst wenn sehr viele Görlitzer plötzlich beschließen sollten, ihr Leergut in Massen zu horten, könnten Engpässe auftreten. Im letzten Jahr, als der Sommer so lang und heiß und der Absatz von Bier und anderen Getränken von Landskron dementsprechend groß war, wurde Leergut kurzzeitig knapp. Aber Landskron hatte sich mit neuen Flaschen eingedeckt. Auch mit den neuen, kleineren für das Bierchen, die die Brauerei erst im Vorjahr auf den Markt gebracht hatte. „Für dieses Jahr haben wir den Flaschenvorrat schon aufgestockt“, so Luisa Herz, denn es gebe immer auch Flaschenschwund.
Wie viel Pfandgeld die Rückgabe der Flaschen aus der Rauschwalder Wohnung bringen würde, wäre interessant zu wissen. Wie es aus dem Unternehmen heißt, das die Wohnung beräumte, aber nicht genannt sein möchte, stand die Frage, wer die unzähligen Flaschen wo abgeben solle, überhaupt nicht. Der Betrag, über den spekuliert wurde – 600 Euro – hätte ohnehin nicht ausgereicht, um die Kosten für die Zwangsräumung zu decken, heißt es aus der Umzugsfirma.
Was Vermieter und Gerichtsvollzieher bei der Räumung zu sehen bekamen, erleben sie nicht jeden Tag. Es sei für sie eine neue Erfahrung gewesen, sagt die mit der Vollstreckung der Zwangsräumung beauftragte Person, die ihren Namen keinesfalls in der SZ lesen möchte. Nur so viel ist zu erfahren: Die Sache ist privat, betreffe den Mann und den Vermieter. Dass Informationen und Bilder ins Internet und in soziale Medien gelangt sind, findet diese Person überhaupt nicht gut. Die Sammelleidenschaft des Mannes könne auch krankhaft verursacht sein. Das wisse niemand. Und überhaupt: Wer wisse schon, wie es beim Nachbarn in der Wohnung aussieht? Oder bei den eigenen Familien? Die Ausstrahlung eines Videos und die Versendung von Bildern im Internet und in sozialen Medien sei nichts anderes als das Gaffertum bei Verkehrsunfällen auf der Straße, vergleicht die gerichtsvollziehende Person die Situation.
Den Medienrummel um die Flaschenhortung hat auch Walter Pfitzner mitbekommen. Seine Erfahrung sei es, dass die „Sammelleidenschaft“ mancher Bürger zunimmt und Vermieter zunehmend über vermüllte Wohnungen klagen. Der Vorsitzende des Vereins Haus und Grund weiß, dass Vermieter in solchen Fällen häufig für Entmüllung und Entsorgung aufkommen müssen. Meist blieben sie auf den Kosten sitzen. Allerdings sei es schwierig, festzustellen, dass jemand seine Wohnung vermüllt, wenn er regelmäßig die Miete bezahlt. Hinweise an Vermieter gebe es höchstens mal, wenn in einer solchen Wohnung Reparaturen nötig sind. „Es weiß doch niemand, was jemand zusammenträgt, wenn er tagsüber seriöser Mieter ist und nachts loszieht und sammelt“, gibt Pfitzner zu bedenken. Eine andere Sorge treibt ihn um: Die Sammelleidenschaft eines Mieters könnte zum Problem werden, wenn das Sammelgut schwerer ist, als die Deckenlast zulässt.
Die krankhafte Sammelleidenschaft eines Menschen wird auch als Messie-Syndrom bezeichnet. Das Wort ist abgeleitet vom englischen Wort mess, was Unordnung oder Durcheinander bedeutet. Das Messie-Syndrom bezeichnet ein zwanghaftes Verhalten, bei dem das übermäßige Ansammeln von mehr oder weniger wertlosen Gegenständen in der eigenen Wohnung im Vordergrund steht, verbunden mit der Unfähigkeit, sich von den Gegenständen wieder zu trennen, heißt es beim Auskunftsportal Wikipedia. Ob die Sammelleidenschaft des Mannes dem Messie-Syndrom entspricht, ist nicht bekannt und wäre reine Spekulation.
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