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Görlitzer sollen bald ihr Auto teilen

Sobald sich genügend Interessenten finden, will ein Carsharing-UnternehmenLeihfahrzeuge in der Stadt anbieten. Es gibt bereits Versuche. Optimal laufen sie noch nicht.

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Von Thomas Christmann

Eigentlich kann Tobias Schlüter aufs Auto verzichten. Um auf Arbeit zu kommen, fährt der Hochschulmitarbeiter aus Görlitz mit Bus oder Bahn. Für alles andere besitzt der 33-Jährige zwei gesunde Füße und ein Fahrrad. Daran geändert hatte erst die eigene Familie etwas: Seine Freundin und zwei Kinder, mit denen er am Wochenende etwas unternehmen wollte.

Privat bietet einige Probleme

Günstig kam Tobias Schlüter im Mai 2011 an einen 16 Jahre alten Honda ran. „Doch das Auto stand zwei Drittel der Zeit nur rum“, sagt er. Deshalb lieh sich den Pkw ab und zu eine weitere Familie. Die Bedingung: Kosten für Versicherung und Steuern werden geteilt und das Fahrzeug kommt voll getankt zurück. Die Organisation lief über einen Onlinekalender. Bald nutzte auch noch eine dritte Familie das Auto. Nur bekam der Honda nach einem halben Jahr keinen neuen Tüv mehr. Zudem wären irgendwann andere Probleme aufgetreten. „Je mehr mitmachen, desto komplizierter wird es“, sagt Schlüter. Das größte Manko bleibe die Versicherungsfrage beim Unfall.

Das brachte Schlüter dazu, sich näher mit dem Thema Carsharing – dem Autoteilen – zu beschäftigen. Was in Familien schon lange klappt, sollte doch auch im größeren Rahmen funktionieren. Sein Ziel: Car-sharing in Görlitz, aber auch anderen Städten Ostsachsens etablieren. Unterstützung bekommt er vom Verein „Verkehrswende in Kleinen Städten“, der vor allem in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt aktiv ist. „Bei einer Initiative aus der Bevölkerung ist die Akzeptanz größer“, sagt Geschäftsführer Thorsten Bähr und rechnet sich für Görlitz gute Chancen aus. Doch dafür seien lokales Engagement und ehrenamtliche Strukturen notwendig. In Freiberg, Dessau und Merseburg ist es dem Verein gelungen, jetzt will er auch in Görlitz helfen.

Private sind genauso wie Stadt, Kreis, Bus- oder Bahnunternehmen angesprochen, entweder aktiv daran teilzunehmen oder wenigstens Stellplätze zur Verfügung zu stellen. Um einen Carsharing-Anbieter in die Stadt zu locken, sind zwei wichtige Voraussetzungen zu erfüllen: Mindestens fünf Personen, die das Carsharing vor Ort organisieren, und 20 Personen, die es nutzen. „Mit denen steht und fällt das Ganze“, erklärt Franziska Wilhelm von teilAuto, mit rund 13000 Privat- und Geschäftskunden größter Carsharing-Anbieter in Mitteldeutschland. Über 230 Stationen unterhält das Unternehmen mittlerweile, an denen Mietwagen bereitstehen. Der Preis richtet sich nach Fahrzeugklasse, Zeit und Kilometern. Je größer das Interesse an dem Carsharing-Modell sei, desto schneller ließe sich das auch in Görlitz umsetzen, sagt sie. Thorsten Bähr spricht hier von ein bis drei Monaten.

Auf eine weitere Möglichkeit ist Tobias Schlüter beispielsweise bei der Internetplattform Autonetzer gestoßen. Hier kann jeder seinen Pkw zu individuellen Preisen an andere vermieten oder selbst einen ausleihen. Werden sich Leiher und Verleiher einig, schließen sie einen Überlassungsvertrag. Der Vorteil: Das Auto ist komplett über den Anbieter versichert, dafür wird allerdings eine Extra-Gebühr fällig. In Görlitz nutzt das momentan aber nur eine Person.

Eine Mischung aus Angeboten

Wenn es nach Tobias Schlüter geht, gibt es nicht nur eine Lösung. Vielmehr ist es eine Kombination aus allen. Als Hochschulmitarbeiter denkt er gerade an Studenten, denen das Geld für ein eigenes Auto fehlt oder die es nur ab und zu brauchen, aber auch Unternehmensmitarbeiter, die auf Geschäftsreise gehen oder Touristen, die einen Tagesausflug machen wollen. „Es ist spannend zu sehen, welche Dynamik sich daraus entwickelt“, sagt der Initiator. Als Hochschulmitarbeiter für grenzüberschreitende Unternehmenskooperationen kann er sich langfristig auch ein Carsharing-Angebot mit Polen und Tschechien vorstellen.

[email protected]

Kontakt: 03583 612182

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