SZ +
Merken

Görlitzer Zahnärztin geht in den Ruhestand

Sonja Herzig hört auf. Das ist auch das Ende eines eingeschworenen Frauenteams.

Von Susanne Sodan
 4 Min.
Teilen
Folgen
Zahnärztin Sonja Herzig (Mitte) und ihr Frauenteam: Kerstin Altmann, Eveline Braun, Kathleen Thiemig und Gabriele Meyer (von links).
Zahnärztin Sonja Herzig (Mitte) und ihr Frauenteam: Kerstin Altmann, Eveline Braun, Kathleen Thiemig und Gabriele Meyer (von links). © Nikolai Schmidt

Die letzten Arbeitstage sind besonders lang. Wenn Sonja Herzig Feierabend hat, bleibt sie noch da, zeigt Interessenten, welche Praxismöbel und Technik zu verkaufen sind. Ein paar Kleinigkeiten wird sie aber behalten. „Dinge, die man zum Basteln gebrauchen kann“, sagt sie. Mit ihren Enkeln bastelt sie gerne. Und alleine eigentlich auch, Handarbeit ist ihr Ding. Jetzt geht Sonja Herzig in den Ruhestand. Ihre Zahnarzt-Praxis in Königshufen, über dem Adler-Geschäft im Neiße-Park, wird aufgelöst. Lange hat sie nach einem Nachfolger gesucht, „sieben Jahre lang hatten wir die Praxis ausgeschrieben“. Zeitweise sah es sogar ganz hoffnungsvoll aus, dass es eine Nachfolgerin geben würde. Aber das hat sich zerschlagen.

Etwa 3 000 Patienten hat die Praxis in ihrer Kartei. Einige von ihnen behandelt Sonja Herzig schon seit Jahrzehnten, und bei mancher Familie sitzt bereits die dritte Generation auf ihrem Behandlungsstuhl. Sonja Herzig ist seit 40 Jahren Zahnärztin. Immer in Königshufen. „Angefangen haben wir damals in einer Wohnung auf der Straße An der Terrasse 5“, das war 1979. Die Praxis war an die Poliklinik angeschlossen, als eine Art Außenstelle in Königshufen. Ein Stadtteil, der damals noch im Entstehen war. Heute gibt es den Block, in dem die Praxis öffnete, schon nicht mehr. Später, Ende der 80er Jahre, zog die Praxis in die Lausitzer Straße, ebenfalls in einen der Wohnblöcke. Das sei damals auch in anderen Städten mit Neubauvierteln nicht ungewöhnlich gewesen. Nach der politischen Wende wurden die Polikliniken aufgelöst, und in Räumen, die eigentlich Wohnungen waren, durfte sie als Ärztin nicht mehr praktizieren, erzählt Sonja Herzig. Zwei Möglichkeiten habe sie gehabt, „ich konnte selbstständig weitermachen, oder zu Hause bleiben“. Sie entschied sich für die erste Variante. Als 1994 das Königshufener Einkaufszentrum mit Marktkauf entstand, war sie eine der ersten, die mit in den Komplex einzogen. Und bis jetzt geblieben sind.

Sonja Herzig stammt aus Dresden. Dort hat sie auch Zahnmedizin studiert. „Ursprünglich wollte ich Allgemeinmedizinerin werden.“ Das Grundstudium sei damals identisch gewesen, nach dem Physikum, also der Studiums-Halbzeit, wollte sie gerne in die Allgemeinmedizin wechseln. Dafür hätte es aber einen Tauschpartner gebraucht. Den fand sie damals nicht, also blieb sie in der Zahnmedizin. Dass sie nach dem Studium nach Görlitz kam, „das war Politik“, sagt sie mit einem Schmunzeln und winkt ab. „Viele wollten natürlich in Dresden bleiben. Damit das möglich gewesen wäre, hätte ich ein Parteiabzeichen, ein Kind mit Krippenplatz und einen Mann mit ortsgebundener Arbeitsstelle gebraucht“, erzählt sie und lacht. Sie hatte keines dieser drei Dinge. Für sie ging es nach Görlitz, immerhin eine Stadt, die noch im damaligen Bezirk Dresden lag. „Aber ich bin hier glücklich geworden“, sagt sie. Sowohl mit der Zahnmedizin als auch mit Görlitz. Hier hat sie ihren Mann kennengelernt, zog mit ihm nach Schöpstal, zog zwei Kinder groß, inzwischen haben Herzigs zwei Enkel. Beruflich spezialisierte sie sich auf Implantologie und zahnmedizinische Chirurgie.

Bloß gut, dass alles so gekommen ist und Sonja Herzig damals nach Görlitz geschickt wurde, findet Zahnarzthelferin Eveline Braun, „sonst hätten wir sie ja nie kennengelernt“. Vier Frauen arbeiten mit Sonja Herzig zusammen: Neben Eveline Braun sind das Zahnarzthelferin Kerstin Altmann, Prophylaxehelferin Kathleen Thiemig und Gabriele Meyer, die für Sauberkeit und Ordnung in der Praxis zuständig ist. Sie alle kennen sich seit Jahrzehnten, einige von ihnen sogar noch aus Poliklinikzeiten, wie Kerstin Altmann. Sie wechselt später zu einer Krankenkasse, 2015 kehrte sie in ihren gelernten Beruf als Zahnarzthelferin zurück – bei Sonja Herzig. Eveline Braun war ebenfalls früher in der Poliklinik, arbeitete später bei mehreren Görlitzer Zahnärzten und kam ebenfalls 2015 in die Königshufener Praxis. „Damals waren zwei langjährige Zahnarztschwestern in Rente gegangen“, erklärt Kerstin Altmann. Die Dienstälteste in der Praxis ist eigentlich Kathleen Thiemig. Sie war die erste Auszubildende nach der Wende bei Sonja Herzig und ist seither dabei. „Wir hatten eine tolle Zeit“, sagt Kerstin Altmann. Sie wird künftig stundenweise noch bei einem anderen Zahnarzt arbeiten, Eveline Braun geht ebenfalls in Ruhestand, Kathleen Thiemig hat eine Stelle bei einem anderen Zahnarzt gefunden, Gabriele Meyer arbeitet bei einem Kieferorthopäden weiter.

Die vielen Patienten müssen jetzt ebenfalls wechseln, einen anderen Zahnarzt finden. Sonja Herzig hatte nicht nur in der Praxis gearbeitet, sondern in Görlitz auch die Bewohner mehrerer Altenpflegeheime und Behinderteneinrichtungen betreut. Am Dienstag hat sie noch mal eine ihrer Hausrunden gemacht. Am morgigen Donnerstag wird nun die letzte Sprechstunde in Königshufen über dem Adler-Geschäft sein. Das Wartezimmer hat jetzt schon was von einem Floristikunternehmen.

Mehr lokale Artikel:

www.sächsische.de/görlitz