Von Katja Schlenkerund Christian Eissner
Hätte das Landratsamt Pirna in der Bau-Affäre um den Gohrischer Bürgermeister Tom Vollmann (FDP) eher einschreiten müssen? Laut SZ-Informationen wusste die Behörde bereits seit März 2011 über Vollmanns eigenmächtiges Handeln Bescheid. Er hatte einer Baufirma 55000 Euro Forderungen gebilligt, ohne den Gemeinderat in die Entscheidung einzubeziehen.
Aufgrund der Höhe des Betrages hatte der Bürgermeister seine Befugnisse überschritten. Dennoch griff das Landratsamt als Aufsichtsbehörde nicht ein, auch dann nicht, als es in der Angelegenheit zu zwei Gerichtsprozessen kam, die Vollmann verlor – und die die Gemeinde nun viel Geld kosten. Vollmann ist nach einem Eklat im Gemeinderat inzwischen von seinem Amt zurückgetreten.
Firma bittet um Hilfe
Die Gohrischer Bau-Affäre geht auf die Sanierung der Ortsdurchfahrt, der sogenannten Gohrischer Achse, durch die Wilsdruffer Firma Teichmann Bau GmbH zurück. Nach Abschluss der Bauarbeiten unterzeichnete der Bürgermeister im März 2010 eine Vereinbarung mit der Firma. Dabei erkannte er eine Schlussrechnung an, die rund 55000 Euro höher lag als vom Planer veranschlagt. Nicht viel bei einem Bauvolumen von über einer Million Euro für die rund 650 Meter lange Strecke. Dennoch hätte nur der Gemeinderat, nicht der Bürgermeister allein, über den Betrag bestimmen dürfen. Bürgermeister Vollmann informierte seine Räte nicht.
Von diesem Alleingang wusste das Landratsamt Pirna als Rechtsaufsichtsbehörde spätestens im März 2011. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Baufirma Teichmann Hilfe suchend an die Aufsichtsbehörde gewandt – weil Gohrisch die akzeptierte Rechnung immer noch nicht bezahlt hatte.
Das Landratsamt unternahm nichts – außer der Firma und der Gemeinde zu empfehlen, sich zu einigen. Mehr sei auch nicht möglich gewesen, sagt Thomas Obst, Abteilungsleiter der Kommunalaufsicht im Landratsamt. Mit der im Jahr 2010 unterzeichneten Vereinbarung zwischen der Baufirma und dem Bürgermeister seien „rechtsverbindliche Tatsachen“ geschaffen worden, erklärt Obst. Weder die Stadt Königstein als ausführende Verwaltung noch die Kommunalaufsicht hätten in dieses privatrechtliche Vertragsverhältnis eingreifen können. Auch die Gerichtsprozesse habe das Landratsamt nicht verhindern können.
Zwei Verfahren gab es, Gohrisch verlor beide. Das erste stand an, als Bürgermeister Vollmann der Baufirma am 28. März 2011 ein Schreiben sandte, in dem er die ein Jahr zuvor geschlossene Vereinbarung für ungültig erklärte. Die Firma Teichmann klagte – und gewann. Unterschrieben ist unterschrieben, stellte das Gericht damals fest.
„Dabei wollten wir eigentlich jede gerichtliche Auseinandersetzung mit der Gemeinde vermeiden“, sagt Birk Moldenhauer. Der technische Geschäftsführer von Teichmann-Bau betont, die Firma sei im Gohrischer Streitfall zu Unrecht ins schlechtes Licht gerückt worden. Dass die Schlussrechnung für den Straßenbau höher ausgefallen war als veranschlagt, sei berechtigt, detailliert belegt und letztlich auch unstrittig gewesen, erklärt Moldenhauer.
Saftiger Zinssatz
Hinzu kommt, dass der Baubetrieb der klammen Gemeinde den ausstehenden Betrag über Monate zinslos gestundet und sogar eine Ratenzahlung angeboten hatte. „Wo“, fragt Moldenhauer, „gibt es so ein Entgegenkommen eines Unternehmens gegenüber der öffentlichen Hand?“ Die Firma machte später sogar noch weitere Zugeständnisse: Bei einem letzten Treffen zwischen Moldenhauer und Vollmann vereinbarten beide am 19. August 2011, dass die Gemeinde pauschal bis zum 30. September 50000 Euro zahlt und die Baufirma im Gegenzug auf alle weiteren Ansprüche verzichtet. Das kann Birk Moldenhauer belegen.
Die Gohrischer Gemeinderäte wussten davon offensichtlich nichts. Vollmann ließ sie über alle Vorgänge in der Bau-Affäre im Unklaren.
Als Gohrisch Ende September wieder nicht zahlte, hatte die Firma Teichmann genug. Sie klagte das Geld ein, bekam wieder recht – und die Gemeinde per Gerichtsbeschluss auch noch einen saftigen Zinssatz auferlegt. Als die Affäre vor zwei Wochen aufflog, waren bereits rund 10000 Euro Zinsen aufgelaufen. Und es werden jeden Tag mehr, denn die offene Rechnung hat Gohrisch immer noch nicht bezahlt. Wartet die Gemeinde die letzte Frist ab?
Am Freitag dieser Woche läuft die Berufungsfrist gegen das Urteil ab, informiert Königsteins Bürgermeister Frieder Haase auf SZ-Anfrage. Ob die Gemeinde in Berufung gehen will, ist nicht bekannt. Die Chancen auf Erfolg scheinen jedenfalls gering.