Gottes Segen für Ramelow

Es hat nur zwölf Minuten gedauert, bis die katholische Kirche reagierte. Die drei Bischöfe, deren Bistümer Thüringer Gebiet umfassen, verschickten unmittelbar nach der Wahl des Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten eine gemeinsame Erklärung. „Nach den Wirren und Aufregungen der letzten Wochen können der Freistaat Thüringen und seine Bürgerinnen und Bürger aufatmen“, heißt es darin. Die Geistlichen betonten: „Es ist nur zu begrüßen, dass jetzt eine Regierung gebildet wird und das Kabinett seine Arbeit aufnimmt.“ Am Donnerstag wünschte Ramelow unter anderen der Fuldaer Bischof Michal Gerber Gottes Segen.
Der bislang einzige Ministerpräsident der Linken hat einen vielschichtigen Charakter. Der Westdeutsche Ramelow regiert das ostdeutsche Thüringen. Er ist Linker und Protestant. Er sagte bei der Ernennung seiner Minister, als ihn Fotografen baten, etwas nach links zu treten: „Das fällt mir nicht schwer.“ Andererseits unterzeichnete er einen Brief „mit konservativen Grüßen“. Und er ist ein Linker, dem evangelische wie katholische Bischöfe gratulieren. Womöglich speist sich Ramelows Beliebtheit aus dieser Vielschichtigkeit. Bei der Wahl im Herbst wurde die Linke mit 31 Prozent mit Abstand stärkste Kraft. Bei Neuwahlen würde sie womöglich zulegen.
Kein Stillstand in Thüringen
Der Pragmatiker Ramelow wurde dennoch erst im zweiten Anlauf Ministerpräsident. Rot-Rot-Grün hat im Erfurter Landtag keine absolute Mehrheit, sodass mit Stimmen der AfD vor vier Wochen der Liberale Thomas Kemmerich als Regierungschef gewählt worden war – und nach immensem Druck nach drei Tagen zurücktrat.
Ramelow hat es einen Monat später im zweiten Anlauf geschafft. Zu verdanken hat er das unter anderem der CDU, die sich enthielt. Am Tag nach der Abstimmung sprach sich der Regierungschef für eine „neue Form des Miteinanders“ der Parteien in Thüringen aus. „Die vier Parteien CDU, SPD, Bündnis90/Grüne und die Linke werden sich nicht mehr von der AfD treiben lassen“, sagte Ramelow in der ARD.
Der Kernsatz sei von diesen Parteien zusammen verabredet worden. Man müsse lernen, einen neuen Weg zu gehen. „Ich nenne das den Thüringer Weg“, sagte der Linkenpolitiker. Eine Lähmung der politischen Arbeit sieht Ramelow nicht. So stehe das Thema Investitionsmittel für Kommunen auf der Tagesordnung des Parlaments. „Das ist ein Beschluss, der gemeinsam mit der CDU vorbereitet worden ist. Das macht deutlich: Es wird keinen Stillstand in Thüringen geben“, sagte Ramelow.
Kalkül und Weitsicht
Im Verhältnis zu den Christdemokraten liegt der Schlüssel für den Erfolg von Rot-Rot-Grün. Dass Ramelow die CDU-Abgeordneten bei seiner Antrittsrede lobte, entsprach Kalkül und Weitsicht. Ramelow betonte: „Ich danke der CDU-Fraktion, in einer schwierigen Situation über alle eigenen Auseinandersetzungen in der Bundespartei hinweg zu sagen, wir müssen gemeinsam für die Stabilität dieses Landes sorgen.“ Ohne die CDU kann – sollte sich die FDP wie bislang zurückziehen – kein Haushalt verabschiedet werden. Damit hätte Rot-Rot-Grün bis zur geplanten Neuwahl in einem Jahr nur wenig vorzuweisen.
Ramelow, auch das kann als Annäherung an die CDU gewertet werden, sprach im Parlament vom Niedergang der DDR. „Ja, dieses System ist von den Menschen überwunden worden.“ Mit dem Hinweis auf Beschränkungen rückte er Opfer von Unrecht in der DDR in den Fokus. Zugleich wollte er damit jenen etwas entgegensetzen, die die Linke von heute in einer engen Traditionslinie zur SED sehen. Ein weiterer Punkt in Ramelows Rede, den Christdemokraten aufmerksam verfolgt haben dürften, war das Bekenntnis zum Markt.
Die Aufmerksamkeit, die Thüringen in den vergangenen Wochen erfahren habe, könne das Land nun zur Werbung nach dem Motto nutzen: „Gucken Sie unsere Produkte an.“ Ramelow: „Wir können uns auf die Produkte konzentrieren. Wir können uns auf die Waren konzentrieren. Wir können uns auf Dienstleistungen konzentrieren.“ Hochschulen nannte der Regierungschef auch, an vierter Stelle.
Wer also Enteignungsfantasien befürchtet hatte, dem nahm Ramelow die Angst. Zudem machte er eine Ansage in Richtung Bundes-CDU, die den thüringischen Christdemokraten gefallen haben dürfte. Mit Blick auf die vierwöchige Regierungskrise sagte er: „Und manche haben sich eingemischt, die von Thüringen überhaupt keine Ahnung haben.“
Im dreißigsten Jahr der deutschen Einheit, sagte Ramelow, wäre es gut, wenn man in der Bundesrepublik verstehe, „dass die Bonner Republik nicht mehr existiert“. Darin liege auch ein Chance – der Thüringer Weg eben, der ungewohnte Bündnisse möglich macht. (mit dpa)