In 90 Minuten durch drei Länder

Manchmal ist auch für die grenzenloseste Busverbindung an einer Schranke plötzlich Schluss. In diesem Fall traf es die ab 1. August offiziell startende Linie 691 vom tschechischen Hradek (Grottau), über Zittau und Bogatynia (Reichenau) ins polnische Świeradów-Zdrój (Bad Flinsberg). Und zwar auf der Jungferntour mit Lokalpolitikern, Verbandsvertretern und Journalisten. Bei der Ausfahrt vom Vorplatz an der Gondel auf den Stóg Izerski (Heufuder), den Hausberg von Świeradów-Zdrój, ging nichts mehr. Die Schranke bewegte sich nicht nach oben. Werkzeug und Manneskraft mussten helfen. Dann aber rollte der Bus weiter über die Grenze nach Nové Mìsto (Neustadt), durch Frýdlant (Friedland), durch den polnischen Zipfel vorbei am Tagebau Turów zum Zittauer Bahnhof.
Drei Länder, fünf Grenzübergänge – per Linie verbunden. Das ist neu. Und so mancher Politiker wählte das Wort „historisch“, um die nun eröffnete Strecke zu beschreiben. Wobei der tschechische Dolmetscher Jan Hanzl lieber den Begriff Bus-Zukunft, als Bus-Geschichte empfehlen würde. Fakt aber ist, nach 30 Jahren deutscher Einheit ist die Bus-Linie die erste im sächsisch-polnisch-tschechischen Dreiländereck, die Haltestellen in allen Ländern ansteuert. Bislang gibt es das nur für zwei Staaten. Der Görlitzer Landrat Bernd Lange (CDU), der am Bahnhof Zittau zur Busreisegruppe stieß, nannte es denn auch einen Erfolg. „Wir haben bewiesen, dass es Brücken geben kann, damit Menschen zusammenkommen.“ Für den Kreis sei die Zusammenarbeit existenziell. „Das will ich all jenen sagen, die meinen, wir sollten uns abgrenzen.“ Der ungehinderte Austausch sei nötig, um das Verständnis der Menschen füreinander zu fördern. „Und ich möchte denen eine Absage erteilen, die dagegen sind“, so Bernd Lange.
Menschen sollen Angebot auch nutzen
Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zittau kann mehr) erinnerte an die kürzlich erst wieder geschlossenen Grenzen durch die Corona-Epidemie. Er habe seinem Bogatyniaer Kollegen Wojciech Blasiak wochenlang nicht einmal die Hand schütteln können. Er forderte die Menschen auf, das Angebot nun aber auch zu nutzen. Radim Šarapatka vom tschechischen Verkehrsverbund Korid räumte ein, dass dies in Corona-Zeiten nicht so einfach sei. „Es gelten in allen drei Ländern unterschiedliche Regeln für den Nahverkehr.“ In Polen und Deutschland müssen Fahrgäste im Bus einen Mund-Nasenschutz tragen. In Tschechien sei das aktuell nicht der Fall. „Da müssen wir die tschechischen Reisenden informieren“, so Šarapatka.
Allerdings haben sich die Partner – neben Korid ist das der Verkehrsverbund Zvon in der Oberlausitz – um ein einfaches Konzept bemüht. Vor allem, was die Fahrscheine angeht. Zum einen gilt das Euro-Neiße-Ticket auch hier. Zum anderen können die Einzelkarten im Bus in allen drei Landeswährungen erworben werden und kosten zunächst zwei Euro oder acht Zloty beziehungsweise 50 Tschechische Kronen. Möglich ist der niedrige Preis durch eine Förderung der Europäischen Union. Die will über das Projekt „Trans-Borders“ die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im öffentlichen Nahverkehr voranbringen. Das Dreiländereck ist Teil des Vorhabens. Und aus dem Gesamttopf für die Region fließen rund 16.000 Euro in die Linie 691. Damit ist die zunächst bis Ende November finanziert. Für die Zeit danach wollen die Partner aus den drei Ländern einen Weg finden, um das Angebot weiter aufrecht zu erhalten. Dann werde der Fahrpreis aber wohl etwas steigen.
Eigentlich sollte die Linie im Juni starten. Durch Corona hatte sich das verzögert. Gedacht ist das Ganze – Fahrzeit eine Stunde und 33 Minuten – als touristische Tour und nicht so sehr für Berufspendler. Denn die Busse fahren an den Wochenenden.
Eine schöne Strecke
Es ist eine schöne Strecke, die sich die Verantwortlichen ausgesucht haben. Sie macht den Stadtbummel durch Frýdlant oder Zittau genauso möglich, wie die Gondelfahrt auf den Heufuder samt Wanderung im Isergebirge, einen Besuch in der Wandelhalle von Świeradów-Zdrój oder den der Frýdlanter Burg sowie den Einkauf in Bogatynia. An mehreren Stellen gibt es Anschlüsse an den Zugverkehr. Momentan allerdings ist die Streckenführung durch Baustellen leicht anders eingerichtet. So wird der Bahnhof von Raspenava (Raspenau) in Tschechien derzeit nicht angesteuert. Federführend engagiert für das Projekt hat sich der Kraj Liberec (Reichenberg). Über dessen Verträge mit dem Verkehrsunternehmen ČASD könne das Vorhaben zu guten Konditionen umgesetzt werden, wie Jan Sviták informierte. Er ist der Vizepräsident des Kraj. Der Kraj übernimmt derzeit 15 Prozent der Kosten.
Am Sonnabend startet noch eine zweite neue Strecke. Die wird täglich verkehren und bringt Zittau mit Bogatynia per Bus zusammen. Seit 1945 gibt es damit erstmals wieder öffentlichen Nahverkehr zwischen den Städten. Damals wurde wegen der neuen Grenzziehung die Verbindung per Schmalspurbahn eingestellt. Viel Lob gab es von allen Seiten für Bogatynias Bürgermeister Wojciech Blasiak. Er unterstütze das Projekt auch finanziell trotz der schwierigen Haushaltslage in der polnischen Stadt. Blasiak selbst sagte bei der Eröffnungsfeier, er sei sehr froh über die Verbindung. „Ich bin überzeugt, dass sie sehr große Resonanz findet. Die Menschen sind neugierig auf die Region und der öffentliche Nahverkehr wird immer beliebter.“ Deswegen könne er sich nicht vorstellen, dass die Busse leer bleiben. Auch Krzysztof Bielecki glaubt an das Interesse der Fahrgäste. Er wird mit seinem Unternehmen Bieleccy-Bus die Strecke bedienen, so wie derzeit schon den Nahverkehr zwischen Görlitz und Zgorzelec.
Anders als die Strecke nach Świeradów-Zdrój ist die Bogatynia-Zittau-Linie zeitlich nicht befristet. Die Verträge wurden am Donnerstag unterschrieben. Der Normal-Fahrpreis für die Tour liege bei zwei Euro oder acht Zloty. Kinder zahlen 1,50 Euro. Auch hier werde das Euro-Neiße-Ticket akzeptiert. Eine Weiterführung der Strecke bis ins tschechische Frýdlant sei im Gespräch. Ein Blick in die Zukunft – an den auch Sachsens Wirtschafts- und Verkehrsministerium glaubt. Petra Ludewig beim Ministerium zuständig für „Trans-Border“, sagte: „Wir wollen mit diesem Pilotprojekt dazu beitragen, dass Menschen hier sich nicht am Rande fühlen, sondern in der Mitte Europas.“ Sie verwies auf eine Konferenz im November in Dresden, bei der es auch darum gehen solle, solche Kooperationen zu verstetigen.
Die neuen Linien: 831a ab Bogatynia (BOK) montags bis freitags 8.17, 12.17, 18.17 und ab Bahnhof Zittau um 9.08, 13.08 und 19.08 Uhr, an den Wochenenden ab Bogatynia 10.17 und 16.17 sowie ab Bahnhof Zittau um 11.08 und 17.08 Uhr; Linie 691 samstags, sonn- und feiertags ab Bahnhof Zittau (Bushalt 4) um 8.02, 12.02, 16.02 Uhr, ab Swieradów-Zdrój (Plac zabaw) um 10.22, 14.22 und 18.22 Uhr. Zunächst gilt in Polen und Deutschland Maskenpflicht. Alle Infos finden Sie hier.