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Corona: Jetzt macht auch Polen dicht

Nach den tschechischen Pendlern fehlen den Unternehmen im Raum Zittau-Löbau nun auch die Polen. Für diese Mitarbeiter gibt es oft nur eine Option.

Von Jan Lange
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Die Grenze nach Tschechien ist nun auch für Berufspendler dicht - auch wie hier in Lückendorf. Nur Mediziner dürfen noch die Grenze passieren.
Die Grenze nach Tschechien ist nun auch für Berufspendler dicht - auch wie hier in Lückendorf. Nur Mediziner dürfen noch die Grenze passieren. ©  Rafael Sampedro

Die Grenzen nach Tschechien und Polen sind seit knapp zwei Wochen geschlossen. Zumindest Berufspendler konnten sie noch passieren. Bis jetzt. Nun dürfen auch sie nicht mehr hin- und herfahren. Nach den tschechischen wollen jetzt auch die polnischen Nachbarn die Grenzen komplett dicht machen.

Ausgenommen sind lediglich Mitarbeiter aus dem medizinischen Bereich. Tschechen und Polen sind aber auch in der Industrie beschäftigt. "Wir arbeiten seit einigen Jahren mit tschechischen und polnischen Arbeitnehmern zusammen", sagt David Havlat von der Havlat Präzisionstechnik GmbH aus Zittau. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter kommen inzwischen von jenseits der Grenze. Sie können nun nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen. "Wir sind alles andere als happy", so Havlat.

Für die Berufspendler aus dem Ausland gibt es zwei Möglichkeiten: Sie bleiben zu Hause oder sie nehmen sich eine Wohnung in Deutschland, um weiter arbeiten zu können. Letzteres war für die Havlat-Mitarbeiter keine Option. Sie wohnen in der Regel kurz hinter der Grenze. David Havlat kann deshalb ihre Entscheidung nachvollziehen, zu Hause zu bleiben. 

Genauso sieht es Sven Rücknagel, Leiter des Ibex-Werkes in der Zittauer Weinau. Die Mitarbeiter aus Polen und Tschechien wohnen grenznah, haben Häuser, um die sie sich kümmern müssen. Dass sie deshalb nicht über Monate in Deutschland im Hotel wohnen wollen, sei für ihn verständlich. Ibex sei zum Glück nicht so extrem betroffen. Im Zittauer Werk kommen zwei Mitarbeiter aus den Nachbarländern, am Standort Schönbrunn ist es sogar nur ein Mitarbeiter.

Kaum zuzumuten, Familie wochenlang nicht zu sehen

Es gibt aber auch Unternehmen im Raum-Zittau-Löbau, in denen der Anteil der tschechischen und polnischen Mitarbeiter höher ist. So sind bei der Firma RTT in Zittau 15 Prozent der Mitarbeiter von den neuen Regelungen betroffen, wie Geschäftsführer Bert Handschick erklärt. Nur einer habe die Option gewählt, sich in Deutschland eine Wohnung zu nehmen. "Jemandem, der Familie und Kinder hat, kann man das kaum zumuten", so der RTT-Chef. 

Eine ganze Reihe Mitarbeiter der Zittauer Kunststoff GmbH (ZIK), die auch im Gewerbegebiet in der Weinau ansässig ist, müssen sich ebenfalls entscheiden, bei der Familie zu bleiben oder sich ein Zimmer auf Zeit zu nehmen. Bereits nach der Grenzschließung habe man vorsorglich Übernachtungsbetriebe in der Umgebung wegen freier Zimmer kontaktiert, berichtet Betriebsleiter Ralf Rotzsche.

Die polnischen Mitarbeiter hätten davon aber keinen Gebrauch gemacht, wollten lieber weiter pendeln. Auch wenn das seit der Grenzschließung deutlich zeitaufwendiger ist. Denn die Mitarbeiter müssen erst bis Görlitz fahren, wo sie die Grenze passieren konnten. Zudem mussten sie an der Grenze länger warten.

Auswirkungen der personellen Ausfälle minimieren

Die Folgen für die Produktion kann Rotzsche noch gar nicht wirklich einschätzen. Die Schwierigkeiten sollen nach seinen Worten aber soweit minimiert werden, dass sie keine Auswirkungen bei den Kunden haben. Auch bei RTT kann man die personellen Ausfälle derzeit noch kompensieren.

Ein Teil der betroffenen Mitarbeiter kann auch zu Hause arbeiten, der andere Teil wird erst mal Überstunden abfeiern oder Urlaubstage machen. Das sei aber nur für einen eingeschränkten Zeitraum machbar, so Handschick. Sollten die Regelungen über Monate gelten, müsse man auch darüber nachdenken, sich von diesen Mitarbeitern zu trennen.

David Havlat will an seinen Mitarbeitern aus den Nachbarländern festhalten und hofft deshalb auf eine baldige Grenzöffnung. Darauf hofft auch Sven Rücknagel, denn der Ibex-Werksleiter will seine Mitarbeiter von jenseits der Grenze ebenfalls nicht verlieren. "Es sind gute Mitarbeiter, an denen wir festhalten wollen", sagt er. Derzeit könne die "Fehlzeit" über Urlaub, Überstunden oder Kurzarbeit geregelt werden. 

Bei Havlat sind die tschechischen und polnischen Angestellten erst mal in Kurzarbeit geschickt worden. In dem Zittauer Betrieb arbeiten in einigen Bereichen die Beschäftigten bereits kürzer, allerdings sind das nicht unbedingt die Abteilungen, in denen auch die Tschechen und Polen tätig waren. Deshalb muss nun "umgeschaufelt" werden. Deutsche Kollegen, die bisher in Kurzarbeit waren, sind nun erst mal zurückgeholt worden.

Nicht alle Mitarbeiter können problemlos ersetzt werden

Nicht für alle Unternehmen ist das aber so einfach, gerade wenn es sich bei den Mitarbeitern aus den Nachbarländern um Beschäftigte handelt, die auch Leitungsaufgaben übernehmen. Sie können dann nicht so ohne Weiteres durch deutsche Mitarbeiter ersetzt werden. In einer Neugersdorfer Firma sei das beispielsweise der Fall, wie die dortige Marketingleiterin erklärt. Wie groß die Auswirkungen der Ausfälle seien, hänge demnach aber auch davon ab, wie sich die Auftragslage in den kommenden Wochen entwickele. 

Bei Johnson Drehtechnik in Zittau fehle zwar auch ein tschechischer Mitarbeiter, das habe aber noch keine Folgen für die Produktion. Sollte die Produktion heruntergefahren werden, habe das  andere Gründe, so Geschäftsführer Florian Fritz. Dazu gehören auch Lieferschwierigkeiten. Das Zittauer Unternehmen bekommt derzeit nämlich keinen Stahl mehr aus Italien. 

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