Von Maik Brückner
Umzug oder Arbeitslosigkeit? Vor dieser Frage stand Marlen Landowsky im vergangenen Jahr. Die junge Frau hat sich für Ersteres entschieden. Von ihrem Heimatort Löwenhain zog sie nach Lindau an den Bodensee. An der nahen deutsch-österreichischen Grenze arbeitet sie als Grenzspediteurin wie schon bis Juni 2004 in Zinnwald. „Die Arbeit macht mir Spaß. Ich wüsste nicht, was ich sonst machen sollte“, sagt die junge Frau. Gern hätte sie mit ihren Kollegen in Zinnwald weiter gearbeitet. Doch nach dem EU-Beitritt Tschechiens im Mai 2004 musste die Spedition Gerlach ihr Personal abbauen, weil weniger Zollformalitäten an der Grenze abgewickelt wurden. Gehen mussten die Jüngsten und damit auch Marlen Landowsky. Nur ungern verließ die junge Frau Freund und Familie. Jedes zweite Wochenende fährt sie deshalb zurück in die Heimat.
Hermsdorf verliert Einwohner
Das Schicksal von Marlen Landowsky ist kein Einzelfall. Das belegen die neuesten Zahlen des Statistischen Landesamtes in Kamenz. Nach wie vor verlieren die Städte und Gemeinden im Süden des Kreises Einwohner. Allein Hermsdorf/Erz. hatte zum 31. August 24 Einwohner weniger als zum Jahresbeginn 2004. Es sind vor allem die Jungen und die Alten, die das Dorf verlassen. „Junge Leute bekommen eine Ausbildung in den alten Bundesländern und suchen sich dort eine Wohnung, um Vergünstigungen zu bekommen. Die Alten ziehen weg, weil wir in Hermsdorf kein Altersheim haben“, hat Bürgermeister Peter Zönnchen (parteilos) festgestellt. Erschwerend käme dazu, dass es entlang der Grenze nur wenig Arbeitsplätze gibt.
Ein herber Schlag für Geising war der Rückzug der Zollverwaltung von der Grenze. „Viele Mitarbeiter wurden an die Schweizer Grenze versetzt“, sagt Bürgermeister Frank Gössel (CDU). Auch der Umzug des Seniorenheims von Lauenstein nach Bärenstein schlug mächtig ins Kontor. Gössel ist froh, dass sich die frei gewordenen Wohnungen der Zöllner langsam wieder füllen mit Zuzüglern aus der Umgebung.
Ganz anders als auf dem Erzgebirgskamm sieht die Lage im mittleren und nördlichen Kreisgebiet aus. Die Städte und Gemeinden konnten entweder leicht dazugewinnen oder verloren nur ein paar Einwohner (siehe Karte). Erfreut registriert der Reinhardtsgrimmaer Bürgermeister Markus Dreßler (CDU) beispielsweise einen stetigen Einwohneranstieg in seiner Gemeinde. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von der guten Erreichbarkeit der Landeshauptstadt bis hin zu günstigen Baulandpreisen. „Wir haben noch attraktive Standorte“, sagt Dreßler. Vor allem in bebauten Gebieten gebe es noch Lücken, die bereits erschlossen und günstig zu haben sind.
Landrat bleibt optimistisch
Ebenfalls ein Einwohnergewinnerort im ersten Halbjahr 2004 ist Tharandt. Die Stadt im Wald ist ein beliebter „Wohnstandort für Dresdener“, sagt Bürgermeister Hagen Sommer (parteilos). Nicht nur die Nähe zur Landeshauptstadt sondern auch die Infrastruktur im Ort zahle sich aus. „Kindereinrichtungen und Schule sind vorhanden“, hebt Sommer hervor. Landrat Bernd Greif (CDU) beobachtet seit Jahren die Entwicklung der Einwohnerzahlen. Er ist „verhalten optimistisch“, dass der Wegzug in den nächsten drei bis fünf Jahren kleiner wird oder sogar abebbt. Dann werde sich die Arbeitsmarktsituation im Kreis gebessert haben. Erste Anzeichen dafür gebe es, sagt Greif. Im Vergleich zu 2003 gab es 2004 etwa 250 Arbeitsplätze mehr. Zu verdanken habe man diese auch der feinmechanischen- und der Geräteindustrie. Diese Firmen werden auch in Zukunft ausbilden und junge Leute einstellen. Angesichts der rückläufigen Schülerzahlen dürften Jugendliche der Region hier eher eine Arbeit bekommen und bräuchten nicht mehr wegzuziehen. Und wer einen sicheren Arbeitsplatz habe, denke anders über Familienplanung. „Deshalb werden wir alles tun, um Arbeitsplätze zu erhalten oder neue zu schaffen“, sagt der Kreischef.