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Großeinsatz im Maritim

Unfall. Kleine Ursache – fatale Wirkung. Wegen eines geplatzten Rohrs im Maritim-Hotel müssen 30 Menschen in die Klinik.

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Von Alexander Schneider

Sonnabend, 10 Uhr: Mit Blaulicht rasen Feuerwehr, Krankenwagen und Polizei mit 30 Fahrzeugen zum Erlweinspeicher. Beamte sperren die Zugänge zu dem Hotel zwischen Kongress-Zentrum und Landtag mit rot-weißen Bändern ab. Hotelgäste schauen sich fragend an. Verdutzte Autofahrer suchen vergeblich nach Qualmwolken über dem Hotel.

Im Untergeschoss war Minuten zuvor ein Hochdruckrohr des Fernwärme-Anschlusses zerborsten. Es muss regelrecht explodiert sein – der Betonfußboden hob sich an und platzte auf. Kochend heißes Wasser und noch heißerer Dampf zischen in die unterirdischen Räume. Punkt 9.53 Uhr alarmierte der Brandmelder die Feuerwehr automatisch. Hotelangestellte, die sofort zupacken, verbrühen sich als erste die Füße. Der Rettungsdienst hat alle Hände voll zu tun. Acht Menschen, vier Mitarbeiter, drei Gäste, ein Feuerwehrmann, werden in Kliniken gebracht. Besonders tragisch trifft es ein älteres Ehepaar aus Niedersachsen. Es fällt einer Sicherungsvorkehrung zum Opfer und wird sogar schwer verletzt. Am letzten Tag ihres Dresden-Besuchs befinden sich die beiden gerade in einem der Fahrstühle, die wegen der Brandmeldung auf Notbetrieb umschalten – und automatisch ins Untergeschoss fahren.

Fahrstuhl wird zur Falle

Was beim Brand hilft, ist jetzt ihre Falle: Dort stehen sie plötzlich mit beiden Beinen mitten im heißen Wasser – und können nicht schnell genug gerettet werden. Die Gäste mussten noch am gleichen Tag in eine auf Brandwunden spezialisierte Klinik nach Leipzig gebracht werden, wo sie operiert werden.

Unterdessen bestätigt eine Hotel-Sprecherin die Havarie. Der Betrieb des Hauses könne aufrecht erhalten werden, es gebe keine Verletzten. Ein paar Schritte weiter allerdings bietet sich ein anderes Bild. Immer wieder bringen Sanitäter Verletzte aus dem Gebäude und fahren sie in Krankenhäuser.

Es bleibt nicht nur bei den Verbrühungen. Das heiße Wasser und der Dampf vermischten sich mit in den Betriebsräumen gelagerten Reinigungsmitteln. „Die Kanister sind geschmolzen“, wird Polizeisprecher Thomas Herbst später berichten.

Zahlreiche Menschen, die den Gift-Cocktail eingeatmet haben, klagen zum Teil noch Stunden nach dem Wasserrohrbruch über Reizungen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Der Rettungsdienst muss 22 weitere Opfer in Kliniken bringen, darunter neben wenigen Hotelgästen vor allem Maritim-Mitarbeiter, sieben Feuerwehrleute und einen Polizisten. Sie werden behandelt oder nur vorsorglich untersucht. Die meisten waren später wieder wohlauf.

Über Stunden ist das Hotel von der Wasserversorgung abgekoppelt. Inzwischen beheben Drewag und Feuerwehr die Unglücksstelle. Abends müssen die Gäste des Hotel-Restaurants noch nebenan im Kongress-Zentrum essen – mehr sichtbare Auswirkungen gibt es nicht. Als am Sonntag die ersten Staats- und Ehrengäste eintreffen, die während des Petersburger Dialogs im Maritim-Hotel residieren, merken sie nichts mehr.

Havarie ist unerklärlich

„Wir bedauern den Wasserrohrbruch zutiefst, vor allem, dass Gäste so schwer verletzt wurden“, sagte Hotelchef Gerhard Riegger gestern. Ein Hotel sei für das Wohl seiner Gäste verantwortlich. „Wir haben die Havarie nicht verschuldet und sind auch Leidtragende.“ Er lobte das große Engagement, mit dem die Mitarbeiter den Schaden beheben halfen. Viele, die frei hatten, seien gekommen, um mit anzupacken. Bis das Ausmaß des Schadens klar ist, werden noch Tage vergehen. „Dieser Fehler kann sich nicht wiederholen, da es nur den einen Anschluss an die Fernwärme gibt“, sagte Riegger. Das spezielle Heißwasserrohr habe unter einem Druck von acht Bar gestanden – hatte bei Tests jedoch 25 Bar standgehalten: „Das ist unerklärlich.“