Die beiden Herren sind zweifelsohne gut aufgelegt. Man kennt sich seit vielen Jahren, schließlich hat der Eine den Anderen gewissermaßen auf seinem Weg durch die Großenhainer Verwaltung nach oben begleitet. Stadtbaudirektor Tilo Hönicke – über 20 Jahre an der Seite von Oberbürgermeister Burkhard Müller (CDU) – tritt an diesem Tag erstmalig mit dem neuen Mann an seiner Seite auf: Sven Mißbach, in drei Wochen Chef und OB zugleich. Dass der bisherige Vize auf diesem Platz lieber die CDU-Kandidatin Janet Putz gesehen hätte, ist ein offenes Geheimnis. Die SZ traf die beiden unmittelbar nach ihrem ersten, 90-minütigen Sondierungsgespräch.

Man muss schon sagen: Ihr Zusammentreffen hat etwas von einem Abklopfen nach der Bundestagswahl. Dort sondieren auch die künftigen Koalitionspartner erst mal die Lage. Bei Ihnen ebenfalls mit erfolgreichem Ausgang?
Hönicke: Absolut! Wir haben uns heute über wichtige Themen in der Stadt unterhalten und sind uns einig darüber, für Großenhain an einem Strang ziehen zu wollen. Allerdings bin ich ja bekanntermaßen ein Baumensch und daher weiß ich, dass das Haus letztendlich nur so gut ist, wie das Fundament, auf dem es stehen wird. Insofern war es mir schon wichtig, dass im Vorfeld unserer Zusammenarbeit einige Dinge ausgeräumt werden, die nach dem Wahlsieg von Herrn Mißbach durch seine Anhänger recht euphorisch geäußert worden sind. Schon allein deshalb, weil sie mir persönlich wehgetan haben, und es Klärungsbedarf gab.
Mißbach: Was Herr Hönicke meint, sind die recht kritischen Bemerkungen im Hinblick auf die Arbeit der alte Stadtspitze. Ich muss betonen, dass ich diese Auffassungen nicht teile. Ich arbeite ja selbst seit 2005 in der Verwaltung und weiß, das unter Oberbürgermeister Burkhard Müller eine super Arbeit geleistet worden ist. Aber ich kann dennoch nachvollziehen, was die Leute gemeint haben.
Was haben denn all jene gemeint, die vom künftigen Oberbürgermeister verlangten, dem „Filz endlich den Garaus zumachen“ oder „die ganz Oberen aus dem Rathaus zu werfen“?
Mißbach: Also zunächst mal: Von solchen Statements distanziere ich mich ganz eindeutig. Und es wird auch niemand aus dem Rathaus geworfen. Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit schon einmal gesagt habe, leisteten die Mitarbeiter der Verwaltung eine gute Arbeit und werden das sicherlich auch weiterhin tun. Es gibt keinen Grund, mit dem Holzhammer durch jeden Amtsbereich zu gehen. Ich habe bereits damit begonnen, einzelne Gespräche zu führen und möchte noch einmal betonen, dass ich natürlich bereit bin, mit jedem zusammenzuarbeiten. Wer mit mir allerdings ein Problem hat, muss sich damit auseinandersetzen und überlegen, was richtig für ihn ist. Bisher habe ich Derartiges aber noch nicht erlebt.
Der Grund für solche Äußerungen liegt aus meiner Sicht in der Enttäuschung der Großenhainer begründet. Sie vermissen ein Gemeinschaftsgefühl zwischen der eigentlichen Stadt und den einzelnen Ortsteilen. Besonders die neu Hinzugekommenen fühlen sich oft wie das fünfte Rad am Wagen. Viele Leute haben nicht verstanden, weshalb das Krankenhaus geschlossen worden ist oder weshalb Asylbewerber in ein ehemaliges Hotel ziehen mussten. Vielleicht hat ihnen da auch manchmal die richtige Erklärung dafür gefehlt. Hinzu kommt natürlich auch die allseits bekannte Politikverdrossenheit. Die Menschen sind frustriert und lassen diesen Ärger dann in eben solchen Bemerkungen raus.
Hönicke: Im letzten Punkt gebe ich Ihnen absolut recht. Das ist eine Stimmungslage, die auch an Großenhain nicht vorübergegangen ist. Aber ich muss in meiner Eigenschaft als Stadtbaudirektor dennoch sagen, dass wir in den letzten 25 Jahren doch viel erreicht haben. Jeder, der nicht mit geschlossenen Augen durch unsere Straßen läuft, wird das sehen. Im Gegensatz zu anderen Städten ist es uns gelungen, alle Kindergärten und Schulen durchzusanieren, wir haben viel im Bereich der Straßen und des Städtebaus getan. Das Vereinswesen in Großenhain funktioniert doch sehr gut, und insofern denke ich auch, dass es ein Miteinander gibt. Mag sein, dass es nicht so sehr ausgeprägt ist, wie sich das manch einer gewünscht hätte. Aber daran lässt sich ja etwas ändern. Burkhard Müller, ich und all die anderen Mitarbeiter der Verwaltung sind auch nur Menschen, und es ist gut möglich, das man da mal einen Fakt oder eine Stimmungslage übersehen hat.
Herr Hönicke, einer der Hauptvorwürfe von Kritikern richtete sich an die Vergabepraxis von Aufträgen an Unternehmen der Stadt. Was entgegnen Sie denen, die behaupten, da würden Großenhainer Firmen bevorzugt?
Denen sage ich, dass ich stets glücklich darüber gewesen bin, wenn es gelungen ist, Aufträge an einheimische Unternehmen zu vergeben. Das ist doch auch ganz logisch. Damit werden deren Arbeitsplätze gestärkt und das Geld bleibt in Großenhain. Eine Praxis im Übrigen, die stets mit den Stadträten besprochen und von ihnen dann auch beschlossen worden ist. Wir hatten in den letzten 25 Jahren immer eine klare Strategie, und die hieß ganz eindeutig, Großenhain voran zu bringen. Und das ist uns aus meiner Sicht auch gelungen.
Sie haben sich erstmalig über einige Schwerpunkte der künftigen Arbeit ausgetauscht. Welche Aufgaben sehen Sie da in den nächsten Monaten auf sich zukommen, Herr Mißbach?
Ich gehe davon aus, dass neben der normalen Einarbeitungsphase gleich so einiges kommt. Im Gespräch mit Herrn Hönicke haben wir bereits die Themenkreise Umbau des Naturerlebnisbades, die Haushaltplanung für die Jahre 2015/16, die Zukunft des Flugplatzes und den investiven Ausbau der Feuerwehr angerissen. Und klar ist auch, dass ebenso wie in anderen umliegenden Städten die Unterbringung von Flüchtlingen an uns nicht vorübergehen wird. Aber auch da gibt es zwischen Herrn Hönicke und mir bereits eine übereinstimmende Auffassung. Wir können nicht Flüchtlinge um jeden Preis und überall unterbringen . Das geht einfach nicht.
Gibt es auch sonst Übereinstimmung zwischen der neuen Doppelspitze?
Hönicke: Ich denke schon! Herr Mißbach hat in unserem Gespräch für mich glaubwürdig versichert, dass er mit mir im Interesse von Großenhain zusammenarbeiten will. Ich kenne ihn schon so lange, habe ihn in allen Amtsbereichen erlebt und immer geschätzt. Nun gut, dass er jetzt Oberbürgermeister wurde, ist zwar nicht mein Wunsch gewesen. Aber da bin ich Sportler, jetzt geht es für Großenhain an einem Strang weiter. Dafür werde ich loyal und verantwortungsbewusst alles tun.
Mißbach: Ich sehe da auch überhaupt keine Probleme. Wir treten gemeinsam für unsere Stadt Großenhain an und natürlich wird es immer mal unterschiedliche Auffassungen zwischen uns geben. Aber das ist doch normal.
Gespräch: Catharina Karlshaus