Großer Krach ums Karl-May-Museum

Radebeul. Es kocht seit einigen Tagen in der deutschen Karl-May-Szene. Und jetzt geht es Schlag auf Schlag. Am Donnerstag wurde offiziell verkündet, dass Christian Wacker, der Direktor des Radebeuler Karl-May-Museums, gekündigt hat. Seit Samstag ist bekannt, dass die Belegschaft des Museums die Karl-May-Stiftung als Träger des Museums nicht mehr akzeptiert.
Am Sonntag versendet der Förderverein eine Mitteilung an die Mitglieder. Die Kernsätze: „Karl May Stiftung, Vorstand und Kuratorium, müssen sich fragen, ob sie dem Zweck der Stiftung noch gerecht werden oder vorhaben, das Museum mit weiteren gerichtlichen Prozessen in den Ruin zu führen.
Es wird höchste Zeit, dass endlich im Stiftungskuratorium Konsequenzen gezogen werden und der gesamte Restvorstand im Interesse eines notwendigen Neustarts abgewählt wird. Eine zukünftige bessere Zusammenarbeit (die es ja bisher nie gab) mit dem derzeitigen Stiftungsvorstand ist uns als Förderverein jedenfalls nicht möglich.“
Was ist da passiert? Fürs Karl-May-Museum gibt es seit mehr als zehn Jahren ein großes Projekt. Ein Museumsneubau mit neu konzipiertem Inhalt. Die letzte Rechnung besagt, dass das mindestens zehn Millionen Euro kosten wird. Summen, die die Möglichkeiten der Karl-May-Stiftung als auch die der Stadt Radebeul übersteigen.
Das Radebeuler Architekturbüro aT2 entwarf im Auftrag der Stiftung die Pläne für den Neubau. Vieles ist in Vorleistung erbracht worden. Die Stadt Radebeul erweiterte – als Verwaltungswille und mit Stadtratsegen – die Grenzen des Sanierungsgebiets Radebeul-Ost so weit, dass die Pläne des neuen Karl-May-Museums mit reinpassen und damit städtebaulich auch förderfähig sind.

Thomas de Maizière (CDU) hat sich als hiesiger Bundestagsabgeordneter und Karl-May-Freund für den Neubau eingesetzt. Rund 2,7 Millionen Euro sind vom Bund als Zuschuss in Aussicht.
Doch vor etwa drei Jahren wurde festgestellt, dass etwas Gravierendes passiert ist. Mindestens ein Mitglied des Stiftungsvorstandes sowie die amtierende Geschäftsführerin des Museums haben mit dem Architekturbüro einen sogenannten Generalvertrag unterschrieben – was nicht sein darf. Weil Fördervorhaben in dieser Größenordnung eine europaweite Ausschreibung erfordern.
Die amtierende Museumsleiterin wurde gefeuert. Der Stiftungsvorstand blieb. Zum neuen Direktor des Museums wurde der promovierte Archäologe und Museologe Christian Wacker aus Freiburg berufen. Wacker sollte das neue Konzept für das Museum aufstellen und frischen Wind in das inzwischen museal veraltete Karl-May-Museum bringen.
OB nannte Wacker einen Glücksfall
Das hat Wacker zusammen mit seiner Mannschaft getan. Nach vielen Beratungen stand nach knapp einem Jahr das Grundkonzept. Es gab Lob vom Oberbürgermeister. „So eine Kapazität wie Dr. Wacker für uns zu gewinnen, ist ein Glücksfall“, sagte Bert Wendsche (parteilos) damals der SZ.
Im Museum ist seitdem - trotz bescheidener Mittel und geringerer Bezahlung für die Mitarbeiter als in manch anderem Museum - einiges vorangegangen. Wacker und Mitarbeiter haben dafür gesorgt, dass es im ganzen Haus WLAN gibt.
Audio-Führungen sind möglich. Eine moderne Erlebnisstrecke mit Fühlen und Riechen für Kinder gibt es. Ein großes Indianer-Tipi für Veranstaltungen bis hin zu Hochzeiten wurde von den Mitarbeitern und Handwerkern aufgebaut.
Wacker hat den Rückgabestreit um die Indianerskalpe, die das Museum im Archiv aufbewahrt, auf ein Niveau geführt, welches auf diesem Gebiet in Deutschland bisher einmalig ist.
In der US-Regierung beschäftigen sich Experten damit, ein Modell zu erarbeiten, wie mit menschlichem Museumsgut umgegangen werden sollte. Die Sammlung des Museums insgesamt wird digitalisiert und so auch für die Forschung besser als bisher nutzbar.
Es gibt Ausstellungen zur Karl-May-Szene in der DDR. Karl May und sein Freund Sascha Schneider wurden dargestellt. Die Indianer im heutigen Amerika sind im Museum zu erleben. Allenthalben gibt es Aufbruch und Aufbruchstimmung, bestätigen immer wieder Mitarbeiter des Museums.
Wenige Monate vor Bekanntwerden des nicht zulässigen Generalvertrages hat sich Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) in den Stiftungsvorstand wählen lassen. Er bemüht sich, wie es in Fachkreisen heißt, die Angelegenheit wieder förderunschädlich zu machen.
Christian Wacker war nach eigenen Worten ins kleine Radebeul gekommen, weil er „brannte für die Vision der Neuentwicklung und den Auftrag, die Institution in die Zukunft zu führen“. Dafür wäre es notwendig, einem Museumsdirektor die Freiheiten und die Unterstützung zu geben, die dieser für eine solche Entwicklung benötigt. Dies sei leider nicht geschehen, schreibt er zum Abschied.
In wesentliche Gespräche sei er immer weniger einbezogen worden. Und sein schwerwiegendster Vorwurf: Mit dem Projekt Museumsneubau sei es in den letzten Jahren nicht einen Schritt vorangegangen.
Wacker schreibt dazu in der Begründung zu seiner Kündigung: „Die bestehenden Pläne hätten entsprechend modifiziert werden müssen, um einen Förderantrag bei Bund, Land und Stadt einreichen zu können.
Diese Pläne hätten innerhalb von wenigen Wochen erarbeitet und damit die Grundlage für die Fortsetzung des Projektes Neukonzeption geschaffen werden können.
Zum Zeitpunkt meiner Einstellung zum 1.4.2018 war das Konto der Stiftung gut gefüllt, was mehr als ausreichend dafür gewesen wäre, das gesamte Projekt soweit vorzubereiten, dass Förderanträge offiziell gestellt hätten werden können.“
Auf sein Drängen und seine Kritik hin sei er jedoch insbesondere von einem Mitglied des Stiftungsvorstandes hinter seinem Rücken diskreditiert worden, seien seine Kompetenzen infrage gestellt und er mehrfach zurechtgewiesen worden.
Mitarbeiter wählten Betriebsrat
Radebeuls OB Wendsche sagt dazu auf Nachfragen, dass er Interna aus der Stiftung nicht kommentieren werde. Er könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen.
Wacker sei in Gespräche einbezogen worden. Bevor Fördermittel beantragt würden, müsse das neue Projekt erst konzeptionell und inhaltlich vollständig sein. Erst vor wenigen Wochen hatte Wendsche, auch gegen Widerstand im Stadtrat, durchgesetzt, dass ein teures Grundstück an der Meißner Straße für das Bauvorhaben gekauft wird.
Die ehemaligen und aktuellen Mitgliedes Stiftungsvorstandes - Werner Schul und Thomas Grübner - verließen kürzlich die Stiftung oder gaben den Vorstandsvorsitz ab.
Die Mitarbeiter im Museum haben jetzt schnell einen Betriebsrat gewählt, um eine Interessenvertretung gegenüber der Stiftung zu haben, sagt die gewählte Betriebsratsvorsitzende Ulrike Dämmig, die für Finanzen und Personal im Museum zuständig ist.
Am Dienstag will sich der Vorstand der Stiftung in Radebeul beraten. Am Mittwoch plant das 16-köpfige Kuratorium - das die Aufsicht über die Stiftung hat - eine Videokonferenz zu dem Desaster.
Und Christian Wacker sagt: „Ich kann mir vorstellen, wenn in der Stiftung wirklich ein neuer Aufbruch mit neuen Leuten gelingt, ich auch wieder mit dabei sein könnte. Etwa als Berater für das Neubauvorhaben, welches sich viele Karl-May-Fans, die Mitarbeiter im Museum und ich mir sehnlichst wünschen.“
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