Von Ulrich Wolf
Krise? Welche Krise denn?“ Jörg Hüsken will von einer Schräglage beim Flugzeugbauer Airbus nichts wissen. „Es geht nur darum, einen möglichst schlagkräftigen, richtigen Konzern zu formen, der sich nicht der Politik unterwirft.“
Hüsken ist Geschäftsführer der Cotesa GmbH in Mittweida mit rund 80 Beschäftigten. „Wir liefern an Airbus vieles, von der Klotür bis hin zu Komponenten für Seitenleitwerke. Die nächste Order ist schon fertig“, sagt er ganz unaufgeregt. Rund 40 Prozent seines Umsatzes mache Cotesa mit Airbus. „Was den A 380 angeht, so sind es allerdings nur zwei Prozent.“
Als Zulieferer spüre er zwar, dass es „derzeit unruhig zugeht in dem Laden“, doch sei auch klar, dass es zu dem Riesenflieger „keine Alternative“ gibt. Wenn die Airbus-Mutter EADS stärker als bislang auf die Kosten schaue, könnte Cotesa als ostdeutscher Zulieferer sogar profitieren.
Gelassene Gleichgültigkeit
Heike Krause, Abteilungsleiter der Gießerei Actech GmbH in Freiberg, betont, dass die 230-Mann-Firma mit Airbus nicht mehr viel am Hut hat. „Wir entwickeln für Formteile nur Prototypen. Mit der Serienfertigung haben wir dann nichts mehr zu tun.“ Insofern läge der Airbus-Auftrag schon länger zurück. Actech mache inzwischen mehr als 60 Prozent vom Umsatz mit der Automobilindustrie. Und das laufe in diesem Jahr „überaus erfolgreich“.
Wenig erfreut ist die Hamburger PMG Aerospace Industry AG, zu der auch die PMG Structures and Components GmbH in Wilsdruff sowie die PMG Technologiezentrum GmbH in Dresden gehören. „Wir verschieben eventuell geplante Investitionen um einige Monate nach hinten“, sagte Vorstandschef Thomas Budniok, dem „Handelsblatt“. Stellenstreichungen und Kurzarbeit seien aber nicht geplant.
Angst vor dem Geständnis
Beim sächsischen Branchenprimus EADS-Elbe-Flugzeugwerke GmbH (EFW) mit 1 030 Beschäftigten heißt es, die Verzögerungen beim A 380 beträfen „nur einen kleinen Teil der Komponentenfertigung“. In dieser Sparte sind EFW-Sprecherin Sabine Klie zufolge 320 Mitarbeiter tätig.
Der Oberflächenveredler Nehlsen-BWB Flugzeug-Galvanik Dresden GmbH & Co KG produziert nach Angaben von Sprecherin Karin Finke „wie immer“. Airbus sei zwar ein wichtiger Kunde, aber: „Wir sehen das gelassen.“
In der Tat laufen die anderen Airbus-Modelle wie geschmiert. Das geht in der Diskussion um den A 380 fast unter. „Airbus hat genügend innere Kraft, um die Lage zu meistern“, sagt Sebastian Steinke vom Fachmagazin „Flugrevue“ in Bonn. Der Markt für das Riesenflugzeug sei da, die Order lägen in ausreichender Zahl vor. „Der A 380 wird für Airbus zur Goldgrube, so wie der Jumbo für den Konkurrenten Boeing.“
Überrascht zeigt sich der Luftfahrtexperte allerdings von den Kabelproblemen in Hamburg. Das sei schon seit mehr als einem Jahr bekannt gewesen. „Dass es erst jetzt publik wird, könnte daran liegen, dass es bei Airbus einen Mangel an einer Kultur der Offenheit gegeben haben soll“, sagt Steinke. Man habe wohl Angst gehabt, einen Fehler einzugestehen.
Weltweite Zulieferströme
Die in der Kritik stehende Verteilung der Produktion auf mehrere Standorte sieht Steinke nicht als das Kernproblem. „Airbus ist so mit Erfolg groß geworden. Warum sollte sich das jetzt ändern?“, fragt er. Steinke verweist auf den Bau des neuen Modells-787-Dreamliner von Boeing. „Dazu haben die Amerikaner sogar weltweite Zulieferströme organisiert.“ Die Flügel beispielsweise kämen aus Japan, Stabilisatoren aus Italien.
Dennoch hielt auch gestern die Diskussion um mögliche Standortschließungen in Deutschland an. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) preschte vor und kündigte an, die Bundesrepublik werde Aktien des EADS-Konzerns erwerben, um sich gegen Schließungen wehren zu können.
Keinen Krieg der Standorte
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) relativierte nach einem Treffen des deutsch-französischen Ministerrats in Paris: Eine solche Entscheidung sei noch nicht gefallen, werde aber auch nicht vollkommen ausgeschlossen.
Möglich wäre es. Der Daimler-Chrysler-Konzern will weitere 7,5 Prozent seines EADS-Aktienpakets abgeben, um seinen Anteil auf 15 Prozent zu senken. Dann müssten Investoren gefunden werden, „die sich dem Projekt verpflichtet fühlen“, sagte Merkel. Frankreichs Präsident Jacques Chirac nannte die „harmonische Aufteilung des Sanierungsplans auf die Hauptwerke Hamburg und Toulouse“ einen „Schlüssel des Erfolgs“.
Brancheninformationen zufolge liegen die Probleme jedoch weniger in der Produktion als vielmehr in zum Teil doppelten Verwaltungsstrukturen in Deutschland und Frankreich.
Der neue Airbus-Chef Louis Gallois dämpfte Befürchtungen, Hamburg werde geschwächt. „Warum keinen Wettbewerb zwischen den Standorten? Aber bitte keinen Krieg“, sagte Gallois. Zu den Arbeitsplätzen gebe es noch keine Entscheidungen. „Wir werden reduzieren, aber wir haben viele Wege“, sagte Gallois. Entlassungen soll es nicht geben.
Bekenntnis gefordert
Der Gesamtbetriebsrat von Airbus Deutschland verlangte von Gallois ein klares Bekenntnis zu allen heimischen Standorten. Über das Kostensenkungsprogramm „Power8“ habe das Gremium bis heute nur mündliche Präsentationen erhalten. „Wir kennen außer den Überschriften keine weiteren Details“, hieß es aus der Arbeitnehmervertretung. (mit dpa/AP)