Von Johannes Pöhlandt
Gut, dass Sie schlank sind“, ruft eine Seniorin einem Mitarbeiter in weißer Schürze zu. Der junge Mann drückt sich an die Wand und wartet, bis die Menschenmassen ihn passiert haben. Der Flur ist nicht eng, doch für so einen Andrang definitiv zu schmal. „Stockender Verkehr“ heißen solche Zustände auf der Autobahn.
Das Interesse am neuen Seniorenzentrum „Am Schlossberg“ des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) ist gewaltig. Am Tag der offenen Tür am Sonnabend reichen die Stellplätze vor dem Haus bei Weitem nicht, so dass Gäste auch den benachbarten Netto-Parkplatz nutzen. Mehr als 500 Besucher zählt Heimleiterin Silke Kaiser. „Eigentlich wollte ich Führungen für 10 bis 15 Personen anbieten“, sagt sie. Doch dieser Plan erweist sich als unrealistisch. Bis zu 50 Interessierte schließen sich Kaiser an; wer hinten steht, kann sie kaum verstehen.
Garten für Demenzkranke
Gisela und Heinz Kopitz haben einen Platz ganz vorn ergattert. Sie begutachten ausführlich das Badezimmer, in dem auch immobile Menschen dank eines Lifts baden können, und die kleine Bibliothek im Aufenthaltsraum. „Das ist alles sehr schön geworden“, sagt Gisela Kopitz (73). Das Pirnaer Ehepaar informiert sich über das Angebot des ASB, auch wenn beide möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben möchten. „Ein paar Wehwehchen hat man schon, deshalb sollte man an die Zukunft denken“, sagt Heinz Kopitz. Der 77-Jährige bedauert, dass im Seniorenzentrum nur Pflegebedürftige aufgenommen werden. „Selbstständiges altersgerechtes Wohnen, das wäre schön.“
Heimleiterin Kaiser will das Leben der Bewohner so individuell und aktiv wie möglich gestalten. Es gibt Angebote wie Gedächtnistraining, Gymnastik und Kreatives Gestalten. Für eine Gruppe von Demenzkranken mit zwölf Plätzen wurde ein eigener, umzäunter Garten angelegt. Das Konzept kommt an: Von den 80 Plätzen sind schon 52 belegt, weitere 26 reserviert. Nur zwei Zimmer für Demenzkranke sind noch frei. „Wer jetzt noch einziehen möchte, kommt auf eine Warteliste“, sagt Kaiser und enttäuscht damit so manchen der Besucher.
Wanda Vierk hat sich rechtzeitig angemeldet und ist als eine der Ersten eingezogen. Ihr 19 Quadratmeter großes Zimmer ist in einem hellen Gelb gestrichen und erhält durch die Südlage viel Sonne. „Es ist alles so schön neu“, sagt die 80-jährige Pirnaerin. Während Pflegebett und Einbauschrank vom ASB gestellt werden, hat sie Sofa, Sessel und Fernseher selbst mitgebracht und sich so eine vertraute Umgebung geschaffen. Ob sie schon Freunde im Haus gefunden habe? „Als Freunde würde ich sie nicht bezeichnen, aber es sind gute Bekannte, mit denen man gerne spricht.“
Die Zahl der Nachbarn wächst ständig, fast täglich finden Einzüge statt. „Mit so einem Ansturm habe ich nicht gerechnet“, sagt Heimleiterin Silke Kaiser. Regelmäßig stellt sie deshalb neues Personal ein. Wenn das acht Millionen Euro teure Haus im April voll belegt ist, sollen es 60 bis 70 Mitarbeiter sein; momentan sind es etwa 40. Einer von ihnen ist der junge Mann in der weißen Schürze. Es wäre ein schlechtes Omen, wenn er nicht schlank wäre: René Pruschwitz ist der Küchenchef.