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"Freital ist 2015 überrumpelt worden"

Vor fünf Jahren trat Uwe Rumberg sein Amt als Oberbürgermeister von Freital an. Mitten in der Flüchtlingskrise. Er erklärt, was seiner Ansicht nach damals schief lief.

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Uwe Rumberg ist seit fünf Jahren Chef im Freitaler Rathaus. Die Zeit hinterlässt auch bei ihm politische Spuren.
Uwe Rumberg ist seit fünf Jahren Chef im Freitaler Rathaus. Die Zeit hinterlässt auch bei ihm politische Spuren. © dpa-Zentralbild

Von Jörg Schurig und Tilman Günther

Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg (parteilos) sieht im Rückblick auf die Flüchtlingskrise 2015 Versäumnisse von Politik und Behörden. „Unsere Strategie war immer, eine überschaubare Zahl von Menschen dezentral unterzubringen“, erklärt der 62-Jährige. Es habe damals eine ganze Menge Verunsicherung gegeben. „Die Kommunikation lief schlecht. Anfangs hieß es, Freital bekommt keine Erstaufnahme, dann wurde die Stadt quasi von heute auf morgen überrumpelt.“ Die Konflikte seien programmiert gewesen, spätestens als Bewohner der Erstaufnahme im früheren Hotel Leonardo im Fastenmonat die Nacht zum Tag gemacht hätten.

Freitals neuer CDU-Chef Christian Fischer sieht das ein bisschen anders. „Freital stand vor demselben Problem wie viele andere Städte in Deutschland“, sagt er. „Die Frage ist also, warum die Situation hier so hochgekocht ist und woanders nicht.“ Eine mögliche Antwort darauf sei, so sagt Fischer, dass die Stadt sich damals weggeduckt habe. „Dabei hätte sich das bürgerliche Lager deutlich dagegen stellen müssen.“ Das sei aber nicht passiert.

Freital war 2015 bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Sieben Männer und eine Frau wurden später wegen Bildung der rechtsterroristischen Vereinigung „Gruppe Freital“, wegen Sprengstoffanschlägen und weiteren Straftaten zu langen Haftstrafen verurteilt. Rumberg erinnert daran, dass der Freitaler Stadtrat Anfang Juli 2015 parteiübergreifend eine Erklärung abgab, wonach Menschenfeindlichkeit in der Stadt keinen Platz habe und Freital kein Wirkungsort für Extremisten, gewaltbereite Demonstranten und aggressive Auseinandersetzungen werden dürfe. Vor dem in einem Wohngebiet gelegenen Leonardo gab es immer wieder Demonstrationen.

Im Juni 2015 nahmen die Proteste vorm Hotel Leonardo in Freital stark zu. Die Polizei musste die Flüchtlingsunterkunft Tag und Nacht sichern.
Im Juni 2015 nahmen die Proteste vorm Hotel Leonardo in Freital stark zu. Die Polizei musste die Flüchtlingsunterkunft Tag und Nacht sichern. © dpa-Zentralbild
Die Demonstrationen zogen auch Menschen aus dem Freitaler Umland an. 
Die Demonstrationen zogen auch Menschen aus dem Freitaler Umland an.  © dpa-Zentralbild
Heute steht das "Leonardo" leer.
Heute steht das "Leonardo" leer. © Andreas Weihs

Grünen-Stadträtin Ines Kummer sieht darin ein Problem des Oberbürgermeisters: „Was damals gefehlt hat, war eine klare Haltung von Herrn Rumberg. Eine deutliche Abgrenzung.“ Sie nennt mit Pirna und Altenberg Beispiele, wo die Bürgermeister deutlich besser agiert hätten.

Rumberg hingegen schiebt auch den Medien eine Schuld zu. Nach den Protesten und späteren Gewalttaten sei eine mediale Welle über Freital hereingebrochen, unter der man bis zum heutigen Tag zu leiden habe, sagt das Stadtoberhaupt, das unlängst aus der CDU ausgetreten ist.

CDU-Chef Fischer hingegen, der seit zehn Jahren in Freital unweit vom Leonardo wohnt und bis 2015 als Journalist für die Bildzeitung gearbeitet hat, sagt dazu: „Bei allem Respekt: Da verwechselt Herr Rumberg Ursache und Wirkung.“ Medien seien ihrer Aufgabe nachgekommen und hätten darüber berichtet, was in Freital passiert sei. „Herr Rumberg hätte lieber ein Wellenbrecher sein sollen, statt den Versuch einer Rechtfertigung zu unternehmen“, so Fischer. 

Ines Kummer ergänzt: „Der OB hätte das Problem erkennen und benennen müssen.“ Nicht die Flüchtlinge seien das Problem gewesen. Rumberg hatte damals davon gesprochen, dass Kriminelle und „Glücksritter“ abgeschoben werden müssten. Damit bediente er sich einer Vokabel der Rechtspopulisten. „Für mich ist das kein versehentlich falsches Wort, sondern es zeigt eine Geisteshaltung“, sagt Christian Fischer.

Schriftzug "Rumberg töten" tauchte 2015 auf

Rumberg sagt es so: „Das Wunderbare an einer Demokratie ist ja gerade, sich zu streiten, um eine gute Lösung für die Gemeinschaft zu finden.“ Doch damals seien die Extreme aufeinandergeprallt, es habe keine Debatte um das Pro und Contra gegeben. Er selbst sei scharf angegriffen worden. Kurz vor Weihnachten 2015 sei in Freital der Schriftzug „Rumberg töten“ aufgetaucht. 

An der Stelle zeigt auch Ines Kummer Verständnis für den OB. „Es ist für mich absolut nachvollziehbar, was das persönlich mit einem macht, das man da auch mal Angst hat.“ Umso wichtiger sei es jedoch, sich klar zu positionieren. In den vergangenen fünf Jahren ist die Stadt Freital da zumindest in kleinen Schritten vorangekommen. Es gab einen Flüchtlingskoordinator, eine Arbeitsgruppe Asyl, Integrationsfußballturniere, gemeinsame Sommerfeste für Freitaler und Zugewanderte. „Da müssen wir ansetzen und weitermachen“, sagt Ines Kummer.

Fischer verweist zudem auf den kriminalpräventiven Rat, der auf Initiative des Innenministeriums hin gegründet worden sei. Darin treffen sich regelmäßig Vertreter von Polizei, Stadt, sozialen Koordinatoren, aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

120 Asylsuchende leben in Freital

Rumberg sagt, fünf Jahre nach den Auseinandersetzungen sei von all dem nichts mehr zu spüren. „Wir haben viel auf den Dialog mit unseren Bürgern gesetzt. Es ist uns weitestgehend gelungen, die Stadt zu befrieden.“ 

Heute seien rund 120 Asylsuchende in Freital untergebracht, allesamt dezentral. Im kommenden Jahr will die Stadt ihren 100. Geburtstag feiern. Zudem ist sie Ausrichter des „Tages der Sachsen“, des größten Volksfestes im Freistaat: „Das gibt uns Gelegenheit, das wahre Freital zu zeigen“, sagt Rumberg.

Da setzt auch Ines Kummer noch einmal an und fordert: „Wir dürfen die Jahre 2015/16 in der Geschichte Freitals nicht unter den Teppich kehren. Ich vermisse bis heute eine ordentliche Aufarbeitung.“ Dafür böte die 100-Jahr-Feier eine gute Gelegenheit, sagt sie. (mit dpa)

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