Von Jens Schmitz, SZ-Korrespondent in Washington
Erhält US-Präsident Barack Obama doch noch die Chance, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen? Diese Woche werden im Kongress Entwürfe zum Verteidigungshaushalt verhandelt, von denen einer einen entsprechenden Weg öffnen würde.
Der republikanische Senator John McCain war 2008 Obamas Gegner im Wahlkampf, aber die beiden haben eines gemein: Sowohl der ehemalige Kriegsgefangene in Vietnam als auch der heutige Chef im Weißen Haus wollen das Lager so schnell wie möglich schließen. Unmittelbar nach seiner Amtseinführung 2009 hatte Obama angeordnet, das Lager innerhalb eines Jahres dicht zu machen. Bürokratische Probleme und eine Blockade durch den Kongress haben das seither verhindert.
Seit die Konservativen auch im Senat die Oberhand haben, ist McCain Vorsitzender des Militärausschusses, und diese Position will er nun nutzen. Die Opposition ist auf das Thema nicht gut zu sprechen, seit Obama im vergangenen Jahr fünf Insassen gegen den US-Kriegsgefangenen Bowe Bergdahl ausgetauscht hat. Eine Vorlage aus dem Repräsentantenhaus will deshalb neue Kriterien für den Transfer von Häftlingen festschreiben. Eine Schließung des Lagers würde so in weite Ferne rücken. Die zuständigen Ausschüsse wollen noch in dieser Woche einen Kompromiss finden, über den dann bald abgestimmt würde.
Von den ursprünglich mehr als 750 Guantanamo-Gefangenen sind heute noch 116 inhaftiert. Anfang Juni untersagte ein Berufungsgericht in Washington den Militärkommissionen, Häftlinge abzuurteilen, die nicht wegen Kriegsverbrechen angeklagt sind. Wo sich solche Verbrechen nicht nachweisen ließen, waren Ankläger bislang auf kriminelle Vergehen wie Verschwörung oder Unterstützung von Terrorismus ausgewichen. Nun bleiben den Militärkommissionen kaum noch Fälle. Der Glaube an die zähen Prozesse ist ohnehin erschüttert, seit im Frühjahr 14 000 Fotos aus ehemaligen CIA-Geheimgefängnissen auftauchten.