Von Carolin Barth
Stute Larissa hatte ein wenig Husten in den vergangenen Tagen. Er hatte den Kretschmars ein bisschen Sorge gemacht, ist nun aber auskuriert. Schon der Gesundheit ihres Lieblings wegen hoffen sie auf schönes Wetter zur Rammenauer Schlossrundfahrt an diesem Sonntag. Die Eheleute Eckhart und Kerstin Kretschmar aus Bischofswerda sind begeisterte Reiter und Kutscher. Sie scheuen kein Lüftchen, keinen Schauer – aber Dauerregen. „Die Rundfahrt soll ja schließlich Spaß machen“, sagt Eckhart Kretschmar. In Sachen Spaß hat die Schlossrundfahrt durchaus Potenzial, weiß er aus Erfahrung. Mehrmals war er als Begleitfahrer und Kutscher dabei. Nun nimmt er mit seiner Frau erstmals auf der eigenen Kutsche teil.

Mit über 40 weiteren Gespannen sind sie mit von der Partie zur 16. Ausfahrt. Sie startet im Meierhof des Rammenauer Barockschlosses, führt erstmals durch Frankenthal und schaut seit langem mal wieder in Bischofswerda vorbei – anlässlich des 200. Jahrestags des Wiederaufbaus. Auf dem Altmarkt hofft Eckhart Kretschmar einige bekannte Gesichter zu sehen. Denn seines ist vielen bekannt. Er ist seit 30 Jahren Busfahrer im Bischofswerdaer Land und steuert täglich einen Bus von Regiobus über die Straßen. „Im Bus habe ich die PS kompakt im Griff, ein Pferd vor der Kutsche kann immer mal durchgehen“, sagt er. Bei Larissa, der 14-jährigen Warmblutstute seiner Frau, sei es zum Glück noch nie vorgekommen. Die pferdeverrückte Tochter steckte Kretschmars einst an mit ihrer Begeisterung. „Ich habe vor mehr als zehn Jahren mit dem Reiten begonnen und Unterricht genommen“, sagt Kerstin Kretschmar. Ihr Mann zog nach, doch wollte es beim Reiten nicht belassen. „Viel mehr noch faszinierten mich Kutschen und Geschirre“, sagt er. 2008 belegten Kretschmars in Moritzburg einen Kutscher-Schnupperkurs, später die Schulung zum Gespannführer. Reiten und Kutschieren sind die größten Hobbys der Kretschmars – seit 2009 sogar auf dem eigenen Gefährt. Diese Marke Eigenbau von einem Schmied aus Schleswig-Holstein sowie ihre Stute sind auf einem Reiterhof in Schirgiswalde untergebracht. Kretschmars kommen in jeder freien Minute. Kerstin Kretschmar fordert Larissa bei Ritten über Stock und Stein. Hier starten gemeinsame Einspanner-Touren, mit der Thermoskanne Kaffee an Bord und viel Lust auf Natur. Reichlich gibt‘s die zu erleben auf der 28 Kilometer langen Rammenauer Schlossrundfahrt, organisiert von Barockschloss, Gemeinde und Reitverein Hufnagel. Sobald akribische Gespannkontrolle und Tierarztcheck morgens absolviert sind – beides ist Pflicht – erfolgt im Barockschloss ab 9 Uhr der Start der Kutschen nacheinander. Die Organisatoren hoffen, dass viele Zuschauer dabei sind. Bis 10 Uhr ist der Eintritt frei. Auch überall an der Strecke dürfen Neugierige die Gespanne bewundern: „Die Rundfahrt ist keine Wettfahrt, sondern besteht aus gestalteten Schaubildern“, so Organisator Andreas Mikus vom Verein Hufnagel. Zu sehen sind stilechte, originelle und toll geschmückte Kutschen sowie Kutscher und Beifahrer in feinem Zwirn oder schlichtem Bauernhemd. Sowohl Jury und Publikum prämieren das schönste Bild.
Von Rammenau geht‘s zunächst nach Frankenthal. Hier beginnt dann eine Geschichtsstunde der besonderen Art: „Wir wollen bei der diesjährigen Rundfahrt an den Wiederaufbau der Stadt Bischofswerda nach dem Brand vor 200 Jahren erinnern“, sagt Andreas Mikus. Mitglieder des Frankenthaler Jugendclubs werden verkleidet als französische Soldaten die Gespanne stoppen. „Sie wurden von Napoleon geschickt, um beim Wiederaufbau zu helfen. Sie geben jeder Kutsche symbolisch einen Ziegelsteine: Darum gewickelt ein Pergament mit einem Abriss der Ereignisse vor 200 Jahren.
Nach dem Mittag im Schloss machen sich die Gespanne dann auf nach Bischofswerda. Ab 12.30 Uhr trudeln sie nacheinander auf dem Altmarkt ein. Schlesische Husaren empfangen sie, hier werden sie nochmals einzeln vorgestellt. Später geht‘s über den Rammenauer Weg zurück zum Barockschloss, wo am Nachmittag Siegerehrungen anstehen. Eckhart Kretschmar geht es nicht um Preise. Er will einen tollen Tag erleben – am besten bei Sonnenschein.