Berlin/Dresden. In den deutschen Arztpraxen und Kliniken passieren noch immer zu viele Fehler, die vermeidbar gewesen wären. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Jahresbericht der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK), der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach prüften die MDKs im vergangenen Jahr 14.553 Verdachtsfälle mit fachärztlichen Gutachten. Dabei wiesen die Sachverständigen in jedem vierten Fall (3.688) einen Fehler nach. In jedem fünften Fall (2.953) bestätigte sich die Vermutung, dass der Fehler den erlittenen Schaden auch verursacht hat.
Tatsächlich dürften die Zahlen allerdings deutlich höher sein. „Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Professor Stefan Gronemeyer, Vize-Geschäftsführer des MDK-Spitzenverbandes. Auch die Statistik zu den Fachgebieten erlaube keine Rückschlüsse auf die wirkliche Verteilung. Beim MDK betreffen etwa zwei Drittel aller Fälle die Krankenhäuser und ein Drittel die ambulante Versorgung.
Geht es um die festgestellten Fehler, dann unterscheiden sich stationärer und ambulanter Bereich kaum. Die meisten Fehlervorwürfe werden laut Jahresbericht in den operativen Fächern Orthopädie, Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie erhoben. Dies war bereits in der Vergangenheit so und sei damit zu erklären, „dass Patienten in diesen Fächern mögliche Fehler leichter erkennen können als in anderen“, erläuterte Gronemeyer.
Die Sächsische Landesärztekammer prüfte nach eigenen Angaben im letzten Jahr 215 von 330 Anträge näher. In 59 Fällen bestätigten die Gutachter den Verdacht auf einen Behandlungsfehler – 13 Fälle mehr als ein Jahr zuvor. Schwerpunkte waren auch hier die Chirurgie (73 Fälle) und die Orthopädie (31).
Ob die Corona-Pandemie in diesem Jahr für steigende Zahlen sorgen wird, ist noch unklar. Der Verdacht liegt zumindest nahe: Weil man sich zu sehr auf das Infektionsgeschehen konzentriert habe, sei die Sicherheit anderer Patienten gefährdet worden, sagte Professor Astrid Zobel, Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in Bayern. „Auch eine verspätete Behandlung ist ein Behandlungsfehler“, betonte die Medizinerin.
Die Experten riefen die Gesundheitseinrichtungen zu mehr Offenheit und Ehrlichkeit auf, um Fehler zu vermeiden. Kritisch äußerte sich in diesem Zusammenhang auch die Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit Ruth Hecker. Es gebe zwar Fehlermeldesysteme, räumte sie ein. Diese gäben aber nur Auskunft zu Fehlerursachen und nicht über Fehlerhäufigkeiten oder -häufungen.