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Gutachter glaubt Filmriss im Hundefall nicht

Ein Mann aus Reichenbach muss sich für die Misshandlung von Hündin Angel verantworten. Das Urteil soll heute fallen.

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Von Ralph Schermann

Staatsanwalt Frenzel hielt kein einfaches Plädoyer: „Es ist nichts zu finden, das zugunsten des Angeklagten spricht.“ Dieser nahm das in der Verhandlung zu Wochenbeginn teilnahmslos zur Kenntnis. „Eine Abgestumpftheit durch Alkohol ist gut zu erkennen“, kommentierte dagegen Rechtsanwalt Ehlers, der Verteidiger des 35-Jährigen. Es war der dritte Verhandlungstag in Sachen Cindy oder Angel, so unterschiedlich lautete je nach zeitlicher Einordnung der Name eines am 1. März 2012 in Görlitz gequälten Hundewelpen, der mittlerweile in Eckartsberg ein neues, liebevolles Zuhause gefunden hat. Kurz nach Mitternacht schreckten damals Bewohner der Lutherstraße auf. Ein fünf Monate alter Mischlingshund jammerte um sein Leben. Das sah Stephanie Grau. „Ich kam spät von der Arbeit“, schilderte sie ihre Begegnung im Treppenhaus mit einem alkoholisierten Mann und zwei Hunden. Das kleinere Tier lag blutüberströmt auf dem Boden. Grau zögerte nicht lange: Sie holte eine Decke, wickelte das Tier ein, rief ein Taxi. Jetzt schilderte auch Zeugin Lisa Schulz jene Nacht. Sie wohnte im Haus gegenüber, hörte „ein lang anhaltendes Schreien, wie von einem Kind, öffnete das Fenster und sah über zwei Häuserabstände, wie der Mann das Tier hinter sich her zerrte und dann im Haus verschwand.“ Sie rief die Polizei. Die kam, als das Taxi abfahren wollte. Lisa Schulz berichtete, was sie gesehen hatte, und die Polizisten holten den Angeklagten aus dem Taxi. Zum Tierarzt fuhren dann Lisa Schulz und Stephanie Grau, zahlten sogar die erste Behandlung.

Tierarzt Hubertus Thomas schilderte, was der Welpe erleiden musste: Knochenabschürfungen bis zu zwei Zentimeter, Splitterbrüche, Hautabschürfungen enormer Tiefe. „Vermutlich ist der kleine Kerl irgendwo stecken geblieben und wurde mit einem heftigen Ruck gezogen. Dabei brachen beide Oberschenkel in gleicher Höhe. Weil der Hund nun nicht mehr laufen konnte, wurde er mindestens hundert Meter über die Straße geschleift.“ Der Veterinär las das aus den Verletzungsspuren.

Hat der Angeklagte den Hund gequält? Um diese Frage geht es dem Amtsgericht. Der Mann beantwortete sie nicht. „Ich bin kein Tierquäler“, sagte er, schließlich habe er schon oft Hunde und Katzen besessen. Doch die Tat dem 35-Jährigen zuzuschreiben, lag nahe. Der in Reichenbach wohnende und nach zahlreichen Verurteilungen gerichtsbekannte Mann hatte Bekannten zugesagt, bei deren Abwesenheit aufzupassen – auf eine Mischlingsschäferhündin und deren Welpen. Allerdings hat der Mann ein Alkoholproblem. Die Hundebesitzer wussten das und riefen mehrmals an, er solle das Gassigehen nicht vergessen. Das tat der zunächst, indem er die Tiere mit zum Supermarkt nahm, um seine Alkoholvorräte aufzufüllen.

Für das Gericht endet die Aussage des Angeklagten am 29. Februar 2012, gegen 21.30 Uhr. „Da legte ich mich in der Wohnung der Bekannten auf das Sofa und wachte erst am nächsten Tag im Polizeirevier wieder auf. Totaler Filmriss“, sagte Busch und berichtete von 15 Flaschen Bier und einem Liter Weinbrand im Tagesverlauf. Bei seiner Festnahme wurde ein Atemalkoholwert von 1,62 mg/l festgestellt, das entspricht etwa 3,2 Promille Blutalkohol. Ab 3,0 Promille wird nach dem Strafgesetzbuch eine Schuldunfähigkeit angenommen. Diese zu attestieren, kam auch der Gutachter der Rechtsmedizin, Dr. Jürgen Eulitz, nicht umhin, der jedoch den „totalen Filmriss“ anzweifelte: „Das Bild des Angeklagten kann so nicht stimmen“, sagte er und vermutete eher eine Verteidigungsstrategie. Denn auch der Arzt, der nach der Festnahme die Arrestfähigkeit prüfte, ging nicht von einer Alkoholschädigung aus.

Staatsanwalt und Verteidigung waren sich einig, dass der Angeklagte die Verletzungen des Tieres zumindest billigend in Kauf nahm, ob er nun alkoholbedingt benebelt oder vorsätzlich roh handelte. Ohnehin wird das Gericht wegen weiterer Diebstähle und Sachbeschädigungen eine Gesamtfreiheitsstrafe mit dem Fall der Tierquälerei bilden. Bereits unter Berücksichtigung einer verminderten Schuldfähigkeit beantragte der Staatsanwalt ein Jahr und zehn Monate, die Verteidigung ein Jahr und sechs Monate Haft. Bewährung dagegen wird es nicht geben. Schließlich sitzt der Angeklagte derzeit eine elfmonatige Haftstrafe ab, weil er alle Auflagen einer möglichen Bewährung missachtete, sich weder regelmäßig meldete noch Arbeitsstunden ableistete. Das Urteil soll voraussichtlich heute verkündet werden.