Gute Beispiele aus Duisburg, Seattle, Gera – und Hoyerswerda

Im hundertsten Gründungsjahr des Bauhauses stand gestern im Saal der Sparkasse am Hoyerswerdaer Markt mit Dr. Frank Eckardt der Inhaber der Professur für Sozialwissenschaftliche Stadtforschung an der Bauhaus-Universität in Weimar am in grünes Licht getauchten Podium. Er erzählte unter anderem über Untersuchungen aus Duisburg dazu, wie Schulen positiv auf die sie umgebenden Stadtquartiere wirken können. Er berichtete auch, wie das US-amerikanische Seattle sich bemüht, Menschen auf ungenutzte Stadtflächen zu ziehen. Und er erwähnte, wie Gera Areale für temporäre Nutzungen zur Verfügung stellt.
Bei einer Tagung geht es schließlich um Erfahrungsaustausch. Und im Sparkassensaal richteten die Stadt Hoyerswerda sowie die Arbeitsgemeinschaft „Weinheimer Initiative“, in der Städte zusammenarbeiten, die stark auf Bildung setzen, einen Kongress mit entsprechendem Ziel aus.
Es sollte aber auch ein Signal gesetzt werden. Motto: Schaut, was die sogenannten Mittelstädte mit Einwohnern zwischen 20 000 und 100 000 Menschen alles für die Gesellschaft leisten! Was sie auszeichne, sei „die jahre-, teilweise schon jahrzehntelange Beharrlichkeit bei der Gestaltung lebenswerter Städte unter schwierigen Bedingungen, mit großer Unterstützung durch bürgerschaftliches Engagement“, heißt es in einer Erklärung dazu.
Die drei als Konferenzüberschrift genutzten Begriffe wurden gestern mehrfach als „dynamisches Dreieck" bezeichnet: Demokratie, Lebensqualität und Bildung. Auf der Teilnehmerliste standen insgesamt um die 110 Namen. Monique Petzold zum Beispiel arbeitet für den Allgemeinen sozialen Dienst beim Landratsamt Bautzen. Sie suchte nach Impulsen dazu, wie der Kreis womöglich das Problem besser anpacken kann, dass in Hoyerswerda besonders viele Familien Erziehungshilfen benötigen. Aus dem hessischen Rodgau war Michael Schüßler angereist, der in der dortigen Stadtverwaltung ein Dezernat leitet. Ihn treibt die Frage der unterschiedlichen Entwicklung von Metropolen (in diesem Fall Frankfurt am Main) und dem ländlichen Raum um.
Der Soziologe Dr. Wilfried Kruse, Koordinator der „Weinheimer Initiative“, betrachtete am Podium die Entwicklung von Hoyerswerda zwischen dem, was er als den „Doppelschock“ des Zusammenbruchs der DDR 1989 und der Erschütterungen nach den Gewaltexzessen im September 1991 bezeichnete, und der heutigen Zeit. Die Stadt, findet er, habe eine erstaunliche Entwicklung genommen – und meint das überwiegend positiv: „Hoyerswerda musste sich unter außerordentlich schwierigen Verhältnissen neu erfinden, ohne seine Geschichte zu verleugnen.“ Die Bemühungen müssten aber anhalten: Denn ohne großes, visionäres Denken befürchtet Kruse dann doch ein Abrutschen in Provinzialität.
„Ich bin überrascht, wie gut Hoyerswerda sich entwickelt hat“, sagt auch Martin Seltmann, Stadtplaner im Freiberger Rathaus. Er war gut zehn Jahre nicht hier, nachdem er während des Studiums längere Zeit nebenbei auch in Hoyerswerda als DHL-Bote Pakete ausfuhr. Wer weiß, meint er, manche Lösungen aus der Stadt könnten Inspiration für Freiberg sein, wo man andere Probleme hat – namentlich Wachstum. Immerhin sei Hoyerswerda in der Fachliteratur zur Stadtplanung „vielbesungen“. Das findet auch Kruse: Es gebe keinen Anlass, sich über mangelnde Beachtung der Fachwelt zu beklagen.