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Gute Fette, schlechte Fette

Die Entstehung von Gallensteinen hat oft mit Cholesterin zu tun. Aber auch die Gene können eine Rolle spielen.

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© hübschmann

Von Anna Hoben

Es begann mit Bauchschmerzen, die vom Rücken ausstrahlten. Karl Klemm ging zum Hausarzt, der spritzte ein Schmerzmittel, nach einer halben Stunde ging es ihm besser. Das war am Donnerstag vor zwei Wochen. Am Freitag wurde er am ganzen Körper gelblich. Später erbrach er sich. Am Sonnabend telefonierte er mit der Bereitschaftsärztin, die schickte den 72-Jährigen aus Diesbar-Seußlitz sofort in die Notaufnahme. Eine gepackte Tasche hatte er vorsorglich schon dabei. Blutabnahme, Ultraschall, Computertomografie, danach stand die Diagnose fest: Gallensteine.

Zehn bis 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind Gallensteinträger, Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Karl Klemm sei kein typischer Patient, sagt Dr. Mathias Strowski, Chefarzt der Klinik für innere Medizin I am Meißner Elblandklinikum. Zum einen, weil Klemm für sein Alter so fit ist und keinerlei Medikamente zu sich nimmt. Zum anderen, weil die größte Risikogruppe für Gallensteine eigentlich die mit den fünf F’s ist: female, fat, forty, fertile, fair. Also: weiblich, übergewichtig, um die vierzig, im gebärfähigen Alter und blond. Studien haben gezeigt, dass diese Konstellation bei Gallenstein-Patienten am häufigsten auftritt.

Karl Klemm gehört definitiv nicht zu dieser Risikogruppe. Trotzdem wusste er schon, was ihn erwartet, als er ins Krankenhaus kam: Vor drei Jahren hatte er schon einmal Gallensteine gehabt. Auch Nierensteine hat er schon entfernen lassen. „Ich war steinreich“, witzelt er. Dass es ihn zweimal mit Gallensteinen erwischt, könnte genetisch bedingt sein. Allerdings hat bisher niemand aus seiner Familie dieses Problem gehabt. „Es ist wohl so, dass das Verhältnis von gutem und schlechtem Cholesterin bei ihm gestört ist“, sagt Dr. Strowski. Etwa 80 Prozent der Gallensteine sind Cholesterin-Steine. Deren Entstehung wird gefördert, wenn man zu viel Cholesterin zu sich nimmt, etwa durch Butter oder Eier.

„Essen Sie viel Butter?“, fragt Dr. Strowski den Patienten, als er nach der Entlassung nochmals zum Gespräch ins Krankenhaus kommt. „Eigentlich nicht“, entgegnet Karl Klemm. Morgens frühstückt er zwei Schnitten mit Honig, Marmelade und Butter – aber keine dicke Schicht. Abends gibt es nochmals zwei Schnitten. „Könnten Sie sich vorstellen, auf pflanzliche Margarine umzusteigen?“, fragt der Arzt. Klemm zuckt mit den Schultern. „Kein Problem.“ Er wird in Zukunft noch mehr auf seine Ernährung achten – schließlich will er 100 Jahre alt werden. Durchaus realistisch meint Dr. Strowski, bei der heutigen Lebenserwartung. Eier isst Klemm nur manchmal. Fisch mag er gern. „Sehr gut“, sagt Dr. Strowski, „viele ungesättigte Fettsäuren.“ Auch wichtig zur Vorbeugung von Gallensteinen: Ausreichend trinken. „Das ist ein wunder Punkt“, gibt Klemm zu. Schon früher, als er noch regelmäßig Fußball spielte, nahm er während des Trainings zu wenig Flüssigkeit zu sich. „Ich trinke einfach nicht gern Wasser.“

Die Begeisterung für Sport hat er mit seinem Arzt gemeinsam. Strowski, 47, der aus Oppeln in Polen stammt, wollte ursprünglich Sportlehrer werden. Er verpatzte die Aufnahmeprüfung – und so kam es, dass er sich für Medizin bewarb. Die Vorgänge im menschlichen Körper hatten ihn schon immer interessiert. Nach seinem Studium in Marburg arbeitete er an der Uniklinik Mannheim, dann ging er drei Jahre in die USA, um zu forschen. Das tut er auch heute noch: An der Berliner Charité, von der ihn die Elblandkliniken 2013 abgeworben haben, ist er als Gastwissenschaftler tätig und betreut Doktoranden. Seine Forschung zur Diabetologie soll auch dem Elblandklinikum zugutekommen. Hier baut Dr. Strowski gerade ein Diabetes-Zentrum auf. In Zukunft sollen alle Patienten, die im Krankenhaus landen, automatisch auf die Krankheit getestet werden.

Steine entfernen per Schlauch

Auch bei Karl Klemm würde das dann gemacht werden. Wegen seiner Gallensteine blieb er drei Tage im Krankenhaus. Mit Hilfe einer endoskopischen Methode wurden die Steine entfernt. Dabei wird durch den Mund ein Schlauch in den Zwölffingerdarm eingeführt. Am Ende hat er eine Optik, sodass der Arzt sieht, wo der Gallengang in den Darm einmündet. Mit einem Körbchen entfernt er diese daraufhin, das heißt: Er setzt sie im Zwölffingerdarm ab, sie gehen dann natürlich mit dem Stuhl ab. Bis zu zwei Zentimeter groß kann ein Gallenstein sein; in der Regel sind es aber nur fünf bis sechs Millimeter. 2011, als bei Karl Klemm zum ersten Mal Gallensteine entfernt wurden, bekam er nur eine örtliche Betäubung und konnte zusehen. Dieses Mal war er unter Vollnarkose.

In zwei Wochen soll der 72-Jährige noch einmal zur Blutkontrolle kommen. Bei den ersten Untersuchungen hatte Dr. Strowski auch festgestellt, dass der Patient Verkalkungen in der Bauchschlagader hat. Nun soll geschaut werden, ob es auch an anderen Stellen Ablagerungen gibt, etwa in der Halsschlagader. Dann wird er wegen erhöhter Blutfettwerte Medikamente bekommen, dazu Aspirin, das die Fließeigenschaften des Blutes verbessert. Dass es dann mit der tablettenfreien Zeit vorbei ist, findet Klemm nicht gut. Aber die 100 Jahre, die sind ja trotzdem noch drin.