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Haben Allergiker ein größeres Infektionsrisiko?

Die Verunsicherung ist hoch. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund hat an unserem Lesertelefon Fragen beantwortet.

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© dpa/Karl-Josef Hildenbrand (Symbolbild)

Kann ich selbst erkennen, ob meine Beschwerden durch die Allergie oder durch Corona bedingt sind?

Zwar können Allergien und Virusinfektionen gleichartige Beschwerden verursachen, dennoch gibt es recht zuverlässige Unterscheidungsmerkmale: Während Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus meist durch Fieber und trockenen Husten gekennzeichnet sind, weisen Allergiker kein Fieber auf, dafür aber häufig juckende Augen- und Nasenschleimhäute, tränende Augen, Niesreiz und Schnupfen.

Habe ich mit allergischem Asthma ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Infektion?

Bislang kann man sagen, dass Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen als Risikopatienten für Covid-19 gelten. Wir erkennen jedoch mehr und mehr, dass ein gut behandeltes und kontrolliertes Asthma kein erhöhtes Risiko darstellt. Dies hängt damit zusammen, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 menschliche Zellen befällt, indem es einen Rezeptor nutzt, der unter anderem an der Regelung des Blutdrucks beteiligt ist, das angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2). Durch diese Eintrittspforte in die Zellen schleust SARS-CoV-2 seine Erbsubstanz ein und nutzt den Zellstoffwechsel zur Virenproduktion. Nach den Ergebnissen von zwei Studien haben gut behandelte Asthma-Patienten weniger von diesen ACE2-Rezeptoren – und damit weniger Angriffspunkte für SARS-CoV-2.

Woran erkenne ich, ob mein Asthma gut eingestellt ist?

Indem Sie selbstkritisch betrachten, wie gut Ihre Symptome unter Kontrolle sind: Erwachsene sollten in den zurückliegenden vier Wochen nicht häufiger als zweimal pro Woche tagsüber Atemwegsbeschwerden wie Husten, pfeifende Atemgeräusche oder eine Brustenge gehabt haben. Sie sollten auch nicht in der Nacht durch Asthmabeschwerden erwacht sein. Das Bedarfsspray zur Erweiterung der Bronchien bei Atemnot darf nicht zu häufig angewendet werden und die Aktivität sollte durch das Asthma nicht eingeschränkt sein. Trifft auch nur einer dieser Punkte nicht zu, ist eine ärztliche Rücksprache zu empfehlen, um zu klären, ob die Behandlung optimiert werden kann.

Haben Allergie- beziehungsweise Asthma-Medikamente Einfluss auf meine Immunabwehr?

Für gängige Nasen- und Asthma-Sprays gilt dies definitiv nicht. Im Gegenteil: Sie scheinen eine gewisse Schutzfunktion zu haben, obwohl – oder gerade, weil – sie Cortison enthalten. Anders könnte das bei Cortison in Tabletten- oder Spritzenform aussehen. Hier könnte eine immunsupprimierende Wirkung bei längerer Einnahme bestehen. Aber auch hier gilt, dass eine einzige Cortisontablette die Immunabwehr nicht wesentlich beeinträchtigt.

Gibt es eine Art Selbstkontrolle für mein Asthma?

Ja, dazu zählt das regelmäßige Messen der Atemstromstärke in Litern Luft pro Minute mit einem Peak-Flow-Meter. Verschlechterungen können so mittels Ampelsystem frühzeitig erkannt werden. Zunächst wird über einige Wochen hinweg die Grünphase ermittelt, also der Bereich von 80 bis 100 Prozent des persönlichen Bestwerts. Daraus ergeben sich dann die Gelb- und Rotphasen, in denen zum Beispiel die Medikation angepasst wird oder andere Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Gelten für asthmatische Kinder besondere Schutzmaßnahmen, da sie eventuell ein höheres Risiko haben?

Das Infektionsrisiko ist unabhängig vom Asthma für alle Kinder und Jugendlichen gleich groß. Ausnahme: Sie haben einen Immundefekt. Das Risiko für einen schwereren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung ist bei den Patienten höher, die ein schlecht eingestelltes, unkontrolliertes Asthma aufweisen oder unter einer angeborenen Lungenerkrankung wie etwa der Zystischen Fibrose leiden. Deshalb ist unbedingt darauf zu achten, die antientzündliche Dauertherapie oder die Einstellung mit Biologika bei schwerem Asthma fortzusetzen; auch eine allergenspezifische Immuntherapie sollte fortgesetzt werden, um die Symptome so gering wie möglich zu halten. Die gute Symptomkontrolle ist der beste Schutz gegen einen komplizierten Verlauf nach einer Corona-Infektion.

Meine Tochter (12) hat allergisches Asthma. Soll sie zum Unterricht gehen?

Kinder und Jugendliche leiden unter Corona-Infektionen deutlich weniger als Erwachsene, insbesondere ältere Menschen. Viele haben eine Infektion durchgemacht ohne es zu bemerken oder sie haben lediglich geringe Symptome im Sinne einer kleinen Erkältungskrankheit entwickelt. Als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf gelten angeborene oder schwere erworbene Lungenerkrankungen. Bei einem gut eingestellten Asthma bronchiale mit entsprechend guter Symptomkontrolle ist der normale Schulbesuch und sind auch die anderen normalen Aktivitäten im täglichen Leben als unproblematisch anzusehen.

Mein achtjähriger Sohn leidet seit drei Jahren unter einer Gräserpollenallergie. Ich würde gerne mit ihm eine Hyposensibilisierung beginnen. Wann wäre der richtige Zeitpunkt?

Eine sublinguale Immuntherapie, zum Beispiel mit Tabletten, kann grundsätzlich jederzeit begonnen werden. Anders die subkutane Immuntherapie, bei der Spritzen verabreicht werden: Sie sollte erst nach der aktuellen Gräsersaison anlaufen, um die Pollenexposition und die damit verbundenen Beschwerden gering zu halten.

Kann ich aktuell einen Allergietest durchführen oder belastet das mein Immunsystem zu sehr?

Im Prinzip ja. Die Allergenmengen sind so gering, dass eine Belastung des Immunsystems nicht zu erwarten ist. Allerdings wird empfohlen, aktuell nur Tests durchzuführen, die aus medizinischen Gründen wirklich notwendig sind. Dies gilt zum Beispiel für Lebensmittelallergien, Medikamentenunverträglichkeiten und Insektenstichreaktionen. Tests können unter Umständen auch bei Patienten mit Asthma und Rhinokonjunktivitis angezeigt sein, wenn aktuell die Frage besteht, ob spezielle Allergene gemieden werden müssen. Nicht dringend notwendige Tests sollten aufgrund der Pandemie verschoben werden.

Wie kann ich als Pollenallergiker Beschwerden senken ohne Medikamente? 

Je weniger Pollenkontakt, desto besser. Das abendliche Waschen der Haare oder die tägliche Anwendung einer Nasendusche können die Pollenlast reduzieren. (rnw)