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Hamburgs wichtige Sachsen-Ader

Deutschlands größter Hafen lebt von der Güterbahn. Die Strecke nach Dresden und weiter stößt an ihre Grenzen.

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© Marko Förster

Von Michael Rothe

Silbrig und weit sichtbar blinken acht 36 Meter hohe Getreidesilos unweit der Elbe in der Sonne. Seit 2012 steht und wächst das Agroterminal in Heidenau, Standort des Futtermitteldienstleisters Habema mit Sitz in Hamburg und einem Konzernumsatz von 175 Millionen Euro. Das Unternehmen kauft Weizen, Gerste, Mais und Roggen in Sachsen, Polen, Tschechien und verschickt das Getreide auch nach Afrika und auf die arabische Halbinsel – trotz Flussnähe nicht auf dem Wasser, sondern auf der Schiene. „Bis zu fünfmal pro Woche fahren wir 34 Waggons zum Hamburger Hafen“, sagt Niederlassungsleiter Martin Teplý.

Stefan Kunze, Leiter der Repräsentanz Ost des Hafen Hamburg Marketing e. V.
Stefan Kunze, Leiter der Repräsentanz Ost des Hafen Hamburg Marketing e. V.

„Habema ist mit seinen beiden firmeneigenen Zügen ein wichtiger Partner“, sagt Stefan Kunze. Er leitet seit 2010 für Hamburgs Hafen-Vermarkter die Repräsentanz Deutschland-Ost – und sitzt standesgemäß im Dresdner Hafen. Doch wie der Schiffsweg umtreibt den 55-Jährigen auch der Bahnverkehr zum Tor zur Welt. Zwölf Prozent des deutschen Schienengüterverkehrs haben Quelle oder Ziel in Hamburgs Hafen. Und Europas größter Eisenbahnhafen ist Teil von drei der neun transeuropäischen Hauptverkehrsachsen – auch jener von der Hansestadt und weiteren Nord- und Ostseehäfen über Dresden und Prag nach Athen und Lefkosia (Zypern). Die Achse verbindet elf europäische Hauptstädte. Grund genug, über ihre Optimierung nachzudenken – bis zum Neubau zwischen Dresden und Prag, wie er im Entwurf zum neuen Bundesverkehrswegeplan steht. Die Strecke durchs Elbtal stößt mit täglich 280 Zügen an ihre Kapazitätsgrenze und ist laut Kunze neben dem Abschnitt Stendal–Uelzen der zweite Engpass im Korridor. „Da ist die Vision eines Tunnels durch das Osterzgebirge schon überlegenswert“, sagt der 55-Jährige.

„Die Bahn durch das Elbtal ist für Hamburg und Bremerhaven wichtig“, sagt Kunze. Den Anteil der dort von und nach Tschechien, Ungarn, Österreich und in die Slowakei beförderten Container schätzt der studierte Außenhändler auf 15 Prozent der im Hinterland beförderten Container. Tschechien sei im See- und Hinterlandverkehr der Hamburger Dritter – nach China und Bayern. Sachsen liege mit 190 000 TEU (Standardcontainer ) auf Rang 25.

Nach Kunzes Angaben fährt die Hamburger Hafenbahn, Eigentum der Hansestadt, immer neue Rekorde ein. 106 verschiedene Bahnunternehmen würden dort gesteuert – darunter neben Bahntochter DB Cargo als größtem Akteur auch ITL. Das Dresdner Unternehmen mit 238 Mitarbeitern, 60 Loks und 700 Waggons gehört zur Captrain-Gruppe, einer Tochter der französischen Staatsbahn SNCF. ITL ist auch Partner von Habema in Heidenau.

Der Futtermittel-Dienstleister sieht sich als Vorreiter im multimodalen Verkehr, der Nutzung verschiedener Verkehrsmittel in einer Transportkette. „Unser Schienenkonzept spart viele Lkw-Ladungen“, sagt Niederlassungschef Teplý. „Wir hatten erst an die Elbe gedacht, aber gemerkt, dass die Bahn zuverlässiger ist“, so der 35-Jährige.

Tatsächlich wandert in Sachsen nur noch jede 17. Tonne vom oder aufs Schiff. Hauptgrund: monatelanges Niedrigwasser auf der Elbe. Bahn und Lkw gleichen den Schwund in den Binnenhäfen des deutsch-tschechischen Hafenverbunds fast aus.

Anders die Lage am unteren Ende des Stroms: Nach dem Einbruch 2015 hat sich der Seegüterumschlag in Hamburgs Hafen stabilisiert. 2016 erwarten die Vermarkter des nach Rotterdam und Antwerpen drittgrößten Frachthafens Europas einen Umschlag auf Vorjahresniveau mit 138 Millionen Tonnen und den Umschlag von neun Millionen Standardcontainern. Der Abtransport per Bahn habe bis Ende Juni um fast vier Prozent zugelegt, heißt es. Damit festigte die Bahn mit einem Anteil von 45 Prozent den Platz als Nummer eins im Hinterlandverkehr – vor dem Lkw mit 42 und dem Binnenschiff mit zwölf Prozent.

Die Pläne von Bahntochter DB Cargo, 215 Verladestationen nicht mehr anzufahren, sollten den Trend nicht stoppen. Die aufkommensschwachen Streichkandidaten, davon 18 im Freistaat, machten nur 0,4 Prozent vom Umsatz aus, hieß es. Hafen-Mann Kunze sieht das Ganze entspannt: Da die Rampen nicht stillgelegt würden, könnten sie von Konkurrenten bedient werden, sagt er. Laut DB-Wettbewerbsbericht legte der Güterverkehr auf der Schiene 2015 in Deutschland um 3,6 Prozent zu, wuchs sein Marktanteil auf 17,5 Prozent. Die Konkurrenten von DB Cargo konnten ihren Marktanteil auf gut 39 Prozent steigern.