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So weit müssen Dresdens Handballer reisen

Bei den Strecken gehört der HC Elbflorenz schon zur Spitze. Nur zwei Konkurrenten in der 2. Bundesliga fahren noch weiter als er. Ein Standortnachteil?

Von Alexander Hiller
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Die Elbflorenz-Männer gastieren diesmal in Hamburg.
Die Elbflorenz-Männer gastieren diesmal in Hamburg. © SZ-Grafik/Gernot Grunwald

Tagesreisen sind für die Zweitliga-Handballer des HC Elbflorenz nichts Ungewöhnliches mehr. Fast jede der insgesamt 17 Auswärtsanfahrten gerät letztlich zu einem Stundenfresser auf der Autobahn – und damit auch zu einer körperlichen Beanspruchung.

Die Dresdner sind in der zweithöchsten deutschen Spielklasse die Mannschaft mit den drittmeisten Reisekilometern. Insgesamt sind es nach Berechnungen über Google-Maps 15.676 – jeweils von Halle zu Halle. Nur die HSG Konstanz (18.998 km) und der VfL Lübeck-Schwartau (16.061,4 km) müssen noch mehr Zeit und mithin auch Geld als die Sachsen investieren, der HSV Hamburg (15.471,4 km) knapp weniger.

Just die Reise zum Kontrahenten elbabwärts, die der HC Elbflorenz bereits am Donnerstag antrat, ist mit 510 Kilometern eine der längsten. Mit der Rückfahrt kommen da gleich 1.020 Kilometer zusammen. Das Duell bei der HSG Konstanz ist für den Dresdner Verein mit insgesamt 1.346 Kilometern das logistisch aufwendigste.

Bei weiten Fahrten fallen zusätzliche Kosten an

Kämpfen also Teams wie Dresden oder Konstanz gegen einen Standortnachteil an? „Vereine, die zentraler in Deutschland liegen, fahren vielleicht bei sieben von 17 Auswärtspartien einen Tag eher los, bei uns ist das quasi das Doppelte“, erklärt HC-Manager Karsten Wöhler. Nur nach Rimpar, Coburg, Aue und Eisenach reisen die Dresdner erst am Spieltag an. „Insofern kann man das als Standortnachteil betrachten, wenn man so will. „Konstanz, Lübeck, Hamburg und wir müssen ein Stück weit mehr Aufwand als andere Vereine betreiben, wir müssen mehr Zeit einplanen, und es ist ein erhöhter Kostenpunkt“, unterstreicht der 45-Jährige. Denn für Anreisen einen Tag vor dem Spieltag werden zusätzliche Kosten fällig: für Übernachtung, Abendessen, Frühstück und Mittagessen. „Wir müssen außerdem einen Bus, meist zwei Fahrer organisieren. Das ist schon ein Unterschied, ob man das Prozedere siebenmal in der Saison abspult oder wie wir 13- bis 14-mal“, sagt er. Mit knapp 4.000 Euro an Gesamtausgaben veranschlagt der HC-Manager eine solche Auswärtsfahrt wie jetzt vor dem 20. Spieltag am Freitag in Hamburg. Das heißt, Rico Göde plante den Donnerstag als kompletten Reisetag ein, dafür kann der HC Elbflorenz am Freitagfrüh zusätzlich zur Videovorbereitung eine Trainingseinheit in der Nebenhalle der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg absolvieren. Ab 20 Uhr steht das Duell um Punkte gegen die gastgebenden Hanseaten an.

Von der Liga fließt Geld zurück

„Man weiß ja vorher, worauf man sich einlässt, die zusätzlichen Kosten muss man einkalkulieren, damit es während der Saison nicht zu schaffen macht“, sagt Wöhler. Er lässt die Dresdner Profis lieber einmal mehr als einmal weniger auswärts übernachten. „Es macht keinen Sinn, an dieser Stelle zu sparen. Wenn man sieben, acht Stunden im Bus sitzt, steigt man aus – und soll dann Höchstleistungen bringen?“, fragt Wöhler und gibt gleich selbst die Antwort: „Das kann mal funktionieren, aber es ist schon professioneller, wenn man sich ausreichend auf ein Bundesligaspiel vorbereitet“.

Dazu zählt ein Vormittagstraining in der Spielhalle, aber auch „mal ein Spaziergang oder Mittagsruhe. Die Wahrscheinlichkeit auf einen Erfolg ist dann höher“, glaubt der ehemalige Handballprofi. „Und in dieser Hinsicht gibt es kein Alibi mehr für die Spieler“, fügt er lächelnd an.

Bei welchem Auswärtsgegner übernachtet wird und bei wem nicht, spricht das Trainerteam um Chefcoach Göde mit dem Management ab. „Das legen wir gemeinsam fest und besprechen das auch immer im Einzelfall“, bestätigt Wöhler. Für die reinen Reisekilometer hat die Handball-Bundesliga speziell für die 2. Liga einen Reisekostenausgleich geschaffen – für die 1. Liga gibt es den nicht. In der Durchführungsordnung der HBL steht dazu: „Nach Beendigung der Meisterschaftsrunde der 2. Bundesliga werden die Reisekosten der Vereine gleichmäßig aufgeteilt. Maßgeblich für den Reisekostenersatz ist pro Reisekilometer ein Euro.“ Für eine Saison fließen etwa 3.000 Euro an die Dresdner zurück.

Komödien sind Dauerbrenner im Mannschaftsbus

In diesen Topf zahlen nicht alle Vereine ein. „Wir ermitteln den durchschnittlichen Reisekilometeraufwand aller Zweitligisten. Klubs, die darüber liegen, erhalten am Saisonende eine Gutschrift, Vereine mit einem geringeren Aufwand zahlen in den Gesamttopf ein“, erklärt Andreas Wäschenbach aus der Geschäftsleitung Spielorganisation der HBL.

Das heißt also, die Mehrkosten für den HC Elbflorenz gegenüber anderen Zweitligavereinen entstehen nicht direkt auf der Straße, sondern durch die ungleich höhere Zahl an Übernachtungen – deren sportlichen Sinn der HC-Manager Wöhler bereits dargelegt hat. „Da sind wir schnell bei 25.000 bis 30.000 Euro Mehrkosten“, rechnet er vor. „Das reicht dann fast für einen Spieler“.

Die Profis haben sich längst mit den Gegebenheiten arrangiert – und sich für die langen Auswärtsfahrten eine lange Liste an DVDs zusammengestellt. Meistens aus der Sparte „Komödie“. Die Buddy-Filme mit Bud Spencer und Terence Hill erfreuen sich in der Mannschaft besonderer Beliebtheit. Aber auch die Komödien-Trilogie um „Die nackte Kanone“ oder die ähnlich gelagerte Gag-Parade „Hot Shots“ sind Dauerbrenner im Mannschaftsbus – das verriet jüngst Kapitän Mario Huhnstock in einem vom Verein veröffentlichten Podcast. Und der 33-jährige liest auch gern Sportler-Biografien.

Ob er auf den Fahrten die nötige Ruhe dafür findet, darf dann aber doch bezweifelt werden.