Von Thomas Schade
Noch pfeift ein kalter Wind am Pier 1. Das Wasser des Cospudener Sees kräuselt, vereinzelt brechen sich kleine weiße Wellenkämme. Ein einsamer Windsurfer kämpft am Ufer gegen die Böen. Auf der Seeterrasse sitzen seit einigen Tagen die Besucher und geniesen die Frühlingssonne. Doch das ist kein Vergleich zum Sommer. Dann kommen bis zu zehntausend Besucher am Tag an die Costa Cospuda, wie die Leipziger den See nennen, und tummeln sich am angeblich längsten Sandstrand Sachsens. Ginge es nach dem Markkleeberger Oberbürgermeister Bernd Klose und den jungen, dynamischen Unternehmern der Leipziger Firma Unister GmbH, dann käme im Sommer 2011 eine feine und auch zahlungskräftige Klientel hinzu: die Golfer.
Monika Heinrich steht auf der Seeterrasse. Sie zeigt nach Süden zu den beiden Landzungen. In der Ferne stehen die Bistumshöhe, ein Aussichtsturm, und die Pyramide des Freizeitparks Belantis als Landmarken am Horizont. „Beide wären wohl nicht mehr zu sehen, wenn wahr geworden wäre, was im Januar plötzlich auf uns zukam“, sagt die 43-jährige Anwohnerin. Damals tauchte ein „Planungsentwurf“ in den regionalen Zeitungen auf. Die Botschaft: Am Südufer–vis-à-vis von Pier1–sollte auf 800000 Quadratmetern für 40 Millionen Euro ein Luxus-Resort entstehen: vier exklusive Stadtvillen, ein Golf- und Wellnesshotel, eine 18-Loch-Golfanlage und ein öffentlich zugänglicher kleiner Bootshafen.
Starnberg des Leipziger Landes
Das Handicap für die Investoren: Die Öffentlichkeit erfuhr für sie zu früh von dem ehrgeizigen Vorhaben. Als zudem bekannt wurde, dass in der Bergbaufolgelandschaft neu angelegte Biotope wieder beseitigt und der Grund und Boden privatisiert werden sollte, da schlugen die Wellen hoch. Monika Heinrich rief Ende Februar die Bürgerinitiative „Stopp Privatisierung Cospudener See“ ins Leben. Am 18.März wollten die Markkleeberger Stadtväter darüber beschließen, ob für den Bau von den Zielen der Raumplanung am Südufer des Sees abgewichen werden sollte. Damit wären die Weichen für das Projekt gestellt worden. OB Klose schwärmte im Markkleeberger Amtsblatt: Mit dem Golfresort könne die Stadt „das Starnberg des Leipziger Landes werden“. Doch einen Tag vor der Sitzung zog die Unister GmbH ihre hochfliegenden Pläne an der Costa Cospuda plötzlich zurück–aus sehr ungewöhnlichen Gründen: In anonymen Briefen sei Stadträten gedroht worden, ihre Häuser „in Brand zu setzen“, heißt es in einer Firmen-Erklärung. Außerdem ließen die jungen Unister-Chefs Thomas Wagner (30) und Jan Mauelshagen (33) „zum endgültigen Ausstieg“ wissen: „Das investorenfeindliche Klima in Markkleeberg ist erschreckend.“ Es war wohl die frustige Erklärung zweier Durchstarter, deren unternehmerische Karriere bisher nur in eine Richtung verlief–steil nach oben.
Im Markkleeberger Ortsteil Zöbigker, wo wie Baupläne Realität werden sollten, ist Investorenfeindlichkeit höchsten an der alten Dorfkirche sichtbar. Nach einem Brand am 17. Mai 1942 sind von dem Gotteshaus nur die Grundmauern übrig. „Wen dürstet, der komme“, der Satz aus der Offenbarung des Johannes, steht am Eingang. Durstige Radfahrer kommen gern und rasten hier. Aber noch ist keiner gekommen, den danach dürstet, die Ruine wie geplant als Fahrradkirche wieder auferstehen zu lassen.
Ansonsten schnüren moderne Wohnsiedlungen den alten Dorfkern fast ein. Das Barockschloss ist saniert und beherbergt acht exklusive Eigentumswohnungen. Im ehemaligen Schlosspark nahe am See stehen sieben attraktive drei- und vierstöckige Dünenhäuser, 20Eigenheime formen die neue Siedlung. Auch einen Golfplatz gibt es bereits. Investiert wurde hier reichlich – spätestens seit der Expo 2000, die den Cospudener See auch international bekannt machte.
Mit dem Markkleeberger und dem Cospudener See verfügt Markkleeberg heute über die Lieblingsbadewannen der Leipziger. Sie bilden das Tor zum Neuseenland–einer Seenlandschaft aus ehemaligen Tagebaugruben, die sich künftig bis Borna erstrecken wird. Am Cospudener See heißt das Motto seit der Expo 2000 „Von der Landschaftsnutzung zur Landschaftspflege“. Beispielhaft wird hier der ehemalige Tagebau Cospuden renaturiert.
Der Leipziger Maler Neo Rauch hat sich im Ort auch deshalb niedergelassen, um „diesen Heilungsprozess der Natur“, wie er es beschreibt, „aus nächster Nähe mitzuerleben“. Eine „Quelle der Inspiration“ sei das für ihn. Wie viele Markkleeberger reagierte er erschrocken beim Anblick des 220-Zimmer-Hauses im Stile einer siebenstöckigen spanischen Bettenburg. „Irrwitzig“ nannte er das Projekt, „eine bizarre Entgleisung“.
Ähnlich reagierte auch Monika Heinrich, als sie von dem Golfresort erfuhr. „Was wollen die eigentlich, fragten sich alle. Am Südufer war zwar ein Sondergebiet für einen Golfplatz in den Plänen ausgewiesen, aber keine Villen und kein Hotel“, sagt sie. Zudem entdeckten Naturschutzverbände, dass mit dem Golf-Hotel-Projekt auch ökologisch wertvolle Biotope wie Trockenrasenflächen und neu entstehende Moore teilweise wieder vernichtet werden sollten. Keinen Quadratzentimeter würden sie preisgeben, kündigte Karl Heyde vom Naturschutzbund Leipzig an.
Oberbürgermeister Klose, ein kommunalpolitisch erfahrener und erfolgreicher SPD-Stadtvater, verwies auf die Chancen für den Tourismus und die 1300 Arbeitslosen im Ort. Mit dem Golf-Hotel würden 200 Jobs entstehen, die könne er nicht einfach in den Wind schlagen. Auch die Investoren versuchten, ihren Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die bekannt gewordenen Projektzeichnungen seien nur „Platzhalter“, es gebe noch keinen Architekten für die Entwürfe. Da sei noch alles möglich, argumentierten Geschäftsführer Wagner und sein Strategiemanager Mauelshagen.
Schwere Last für die Stadträte
Doch das Misstrauen saß inzwischen tief bei Naturschützern, Anwohnern und Gewerbetreibenden. Die Bürgerinitiative sammelte Unterschriften und kündigte an, einen Bürgerentscheid zu initiieren, falls der Stadtrat grünes Licht gibt für die Unister-Pläne. Die Vorberatung im Hauptausschuss des Stadtparlaments überstand der Projektantrag nur mit knapper Mehrheit. Und bei einer öffentlichen Debatte mit mehr als 400 Teilnehmern gelang es den Projektvätern von Unister nicht, die Vorbehalte der Einwohner in Zustimmung zu verwandeln. „Sie konnten nicht mal die Finanzierung überzeugend darstellen“, so Monika Heinrich. So lastete die Entscheidung schwer auf den Schultern der Stadträte vor dem 18.März. „Wir haben alle Abgeordneten angeschrieben und mit ihnen gesprochen“, sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative. Auch der OB soll angeblich versucht haben, Stadträte in Einzelgesprächen von seiner Position zu überzeugen. Am Tag vor der Entscheidung hatte Monika Heinrich „ein gutes Gefühl“, dass keine Mehrheit für die Unister-Pläne zustande kommen würde. In der Bürgerinitiative vermutet man: Die Investoren ahnten wohl auch, dass ihnen der nötige Rückenwind fehlen würde und strichen deshalb Stunden vor der Abstimmung selbst die Segel. Gegen die angebliche Investorenfeindlichkeit der Markkleeberger spricht, dass am selben Abend ein 90-Millionen-Projekt für ein Fünf-Sterne-Polo-Hotel am Markkleeberger See problemlos den Stadtrat passierte.
Unterschriften für die Natur
Richtig freuen kann sich Monika Heinrich seither nicht. „Wir distanzieren uns aufs Schärfste von den Drohungen und fänden es fatal, wenn sie tatsächlich Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben“, sagt sie. Außerdem glaubt die 43-Jährige nicht, dass damit alles vorbei ist. Mit dem Mandat von 6383 Unterschriften für die Erhaltung der Natur am See schrieben die Bürgerinitiative und fünf Natur- und Heimatverbände erneut an alle Stadträte und forderten, die Sonderbaufläche für den Golfplatz zugunsten der Natur ersatzlos zu streichen und eine Wohnbebauung sowie Privatisierungen am Seeufer zu verbieten. SPD, Grüne und Linke haben das nun in zwei Beschlussvorschlägen formuliert.
Unister, so ist von Firmensprecherin Anja Kazda zu hören, sucht derweil nach einem neuen Standort. Zwenkau, Nachbarort südlich der A38, soll eine Offerte gemacht haben. Auch dort läuft gerade ein Tagebaurestloch voll–noch bis 2014. Bis dahin hat sicher auch Unister ein ausgereiftes Projekt.