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Harte Diskussion um den Industriepark

In Heidenau wird trotz Schärfe meist sachlich diskutiert. Nur einmal droht die Situation zu entgleiten.

Von Heike Sabel
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Während die Gegner ein Schockbild mit rauchenden Schloten zeichnen, wird ein grünes Gewerbegebiet geplant.
Während die Gegner ein Schockbild mit rauchenden Schloten zeichnen, wird ein grünes Gewerbegebiet geplant. © D. Schäfer

Gleiches Thema, gleiche Form, anderer Ort: Die dritte Informationsveranstaltung zum Vorhaben Industriepark Oberelbe (IPO) fand am Dienstagabend in der vollen Aula des Heidenauer Gymnasiums statt. Zuvor war schon in Pirna und Dohna zu dieser Runde eingeladen worden. Die besondere Form: Es wird hauptsächlich in vier Themenräumen diskutiert. Nachdem diese Form in Dohna auf massiven Widerstand einiger Teilnehmer gestoßen war, zeigte sich Heidenau sachlicher, bis auf eine kurze Eskalation zum Ende.

Ein Grund für die mehrheitlich ruhige Atmosphäre war wohl, dass es für etwa die Hälfte der Leute die erste Info-Veranstaltung zum IPO war. Ein anderer, dass mit der 3-D-Visualisierung und einem Video erstmals die Größenordnungen vorstellbar und die Sichtbeziehungen aus verschiedenen Richtungen einsehbar sind. Von den 260 Hektar Gesamtfläche werden maximal 140 Hektar bebaut, wozu auch Straßen und Wege gehören. 70 Prozent der Gebäude sollen ein begrüntes Dach haben.

Anders als in Dohna, wo im Veranstaltungsraum ein großes Plakat entrollt worden war, stand in Heidenau vor dem Gymnasium ein Traktor mit einem großen Transparent: „Kein Industriepark Oberelbe vor unserer Haustür“, unterzeichnet von den „Milchfreunden Pirna“. Hinten am Traktor war ein großes Stoppschild „Stoppt Landfraß“ angebracht. Drinnen wurden auf dem Flur kleinere Plakate gezeigt. Auf den Tapetenrollen standen Losungen wie „Mit 140 Millionen spekulieren“ und „Ackerland in Bauernhand“.

Das erste spielt auf die Kosten für den Industriepark an, das zweite sowie das Stoppschild auf die Flächen, die der Landwirtschaft verloren gehen. Dieses Thema war in Dohna massiv diskutiert worden, in Heidenau weniger. Mit Landbesitzern, deren Flächen der IPO kaufen will, werde ab April konkret gesprochen. Grundlage sind die bald vorliegenden Verkehrswertgutachten. „Letztlich entscheidet der Eigentümer“, wurde mehrfach von den Planern und Bürgermeistern gesagt. „Eigentum ist eines der höchsten Güter“, sagt Pirnas Stadtentwicklungs-Chef Christian Flörke. Zwischenruf: „Keine Enteignung.“

Bürgermeister unter Stress

In den Räumen ging es kritisch und hart in der Sache, aber weitgehend sachlich zu. Im Gegenteil zu Dohna waren auch immer wieder positive Stimmen zu hören. Im großen Abschlussforum wieder in der Aula war das anders. Nach einer Zusammenfassung der vier Themen wurde es etwas lauter, aggressiver und auch wahlkämpferisch. Nachdem der Grüne-Spitzenkandidat für den Kreistag, Martin Kusic, kritisierte, dass das IPO-Planungsbüro gleichzeitig auch mit dem Umweltverträglichkeitsgutachten beauftragt ist, drohte die Situation zu eskalieren. Während Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) für seine Forderung nach einem fairen Wettstreit noch Beifall erhielt, verlor er danach die Nerven. Er, der sonst immer die Contenance bewahrt, wurde laut. Opitz sprach von Diffamierung der Planer, fühlte Ansätze von Mobbing und Pogromstimmung. Die Reaktion: Unmut im Saal. Ein Mann ging demonstrativ. Später entschuldigt sich Opitz für seine Äußerungen. Offenbar war der Tag mit dem Amok-Alarm an der Mügelner Grundschule auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Nach drei Stunden kam man dann im Gymnasium zum Ende.

Es war die dritte, aber nicht letzte Veranstaltung dieser Art zum Vorhaben Industriepark. Man werde immer wieder in die drei Städte gehen, wenn es neue Informationen gibt, heißt es.

Pro IPO

Die Argumente für das Vorhaben kamen am Dienstagabend in Heidenau nicht mehr nur von den Bürgermeistern und Planern, sondern auch von Einwohnern in den kleineren Runden:

„Ich habe meine Kinder nicht groß gezogen, damit ich irgendwann allein hier lebe und meine Kinder in München oder sonst wo, nur weil sie hier keine ordentliche Arbeit finden.“

„Wir brauchen hier nicht mehr der Papierfabrik oder anderen Betrieben von früher nachtrauern, wir brauchen hier große Firmensitze.“

„Vielleicht ist es ja tatsächlich eine Chance, Leute hierher zurückzuholen. Dann leben vielleicht auch die Dörfer wieder auf.“

„Man kann ja dagegen sein, aber muss auch mal die andere Seite hören und verstehen wollen.“

„Für uns Großsedlitzer ist es die Chance, das Beste für uns rauszuholen. Das bedeutet aber in Sachen Verkehr auch, wir müssen entscheiden, ob wir Ruhe haben wollen oder kurze Wege. Alles geht nicht.“

„Die umliegenden Orte sehen das Vorhaben positiver als die Leute vor Ort. Das ist ja einerseits verständlich, andererseits muss man aber auch mal über den Tellerrand schauen.“

„Man muss bei den Brachen vielleicht auch mal an was anderes als Gewerbe denken, Parks oder ähnliches zum Beispiel.“ 

Kontra IPO

Die Gegen-Argumente wurden am Dienstag in den vier Themen-Räumen ebenso wie im großen Forum vorgebracht. Hier gab es für einige Äußerungen viel Beifall von den Teilnehmern.

„Woher nehmen Sie denn den Optimismus, dass das alles auch so wird?“

„Der Industriepark ist der falsche Impuls für die Wiederbelegung der vielen Brachen. Wer neu bauen kann, geht nicht auf die alten Flächen. Die verlieren damit weiter an Wert und bleiben weiter leer.“

„Mit dem Industriepark wird sich die Lebensqualität für uns Menschen im Elbtal mindern, Stichwort Kaltluftentstehungsgebiete und Aufheizung.“

„Hier wird unser Steuergeld verschludert, damit bin ich nicht einverstanden.“

„Das finanzielle Risiko für die drei Städte ist viel zu groß. Wenn die Rechnung nicht aufgeht, sind alle pleite.“

„Ich bin dagegen, weil ich den Barockgarten so erhalten will, wie er seit 300 Jahren existiert und in die Landschaft gehört. Er war zuerst da.“

„Wo sollen denn die Arbeitskräfte herkommen. Haben Sie noch nichts von Fachkräftemangel gehört?“

„Und der Verkehr wird immer mehr, mit solchen Ansiedlungen wird das noch beschleunigt, die Leute, die in den Betrieben arbeiten, müssen zur Arbeit und nach Hause fahren und die Firmen beliefert werden.“ 

Sprechstunde: Jeden Dienstag, 17 Uhr, stehen in der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna Ansprechpartner zu Fragen des IPO zur Verfügung, um eine Terminabstimmung unter 03501 56890