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Hasenfuß statt Ekelpaket

Rund 2 500 Boxfans erlebten in der Erdgasarenafliegende Fäuste undRiesaer Nummerngirls.

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Von Manfred Müller

Lena Godau hat es geschafft. Die hübsche Riesaer Eventmanagement-Studentin durfte am Sonnabendabend in den Ring steigen. Nicht in Boxerdress und Stiefeln, sondern in orangerotem Kleidchen und schwarzen Pumps. Lena war eins von vier Nummerngirls bei der Universum-Boxnacht in der Erdgasarena. Beim Casting vor einer Woche konnte sie die Juroren mit ihrem grazilen, selbstbewussten Gang überzeugen. „Mir zittern ganz schön die Knie“, sagte die 23-Jährige vor ihrem Auftritt. Aber dann stolzierte sie mit ihren Pfennigabsätzen traumhaft sicher über die weiche Ringmatte. Die anzüglichen Rufe und Pfiffe aus dem Publikum schien sie nicht wahrzunehmen.

Zu weich fürs Profigeschäft

„Hoffentlich gibt es heute Abend nicht zu viel Fallobst“, erklärte Sebastian Grothe im Vorraum lautstark. Grothe war extra aus Torgau angereist und wollte etwas sehen für sein Geld. Der 27-jährige Fliesenleger hat selbst eine Athletenfigur. „Früher Rudern, jetzt Fitnessstudio“, sagte er. Leider schienen Grothes Befürchtungen bei den ersten vier Kämpfen einzutreffen. Sie wurden allesamt wegen Überlegenheit vorzeitig abgebrochen. „Boxen muss ein bisschen verrucht sein!“ kommentierte Regina Trog unten im Parkett. Sie ist Friseuse und wollte richtige Männer kämpfen sehen – aggressiv, schlagstark und gut gebaut. „Maske, Schulz und jetzt Beyer – die sind alle zu weich fürs Profiboxen. Zu gutmütig“, glaubt die Riesaerin. „Ein Boxer muss den richtigen Blick haben“, analysierte sie, als die Kämpfer unter Hymnenklang aus den Arena-Katakomben zum Ring marschierten. Der Danny De Bleul aus Belgien hat diesen Blick: schmale Pupillen, die den Gegner konzentriert und lauernd verfolgen. Dennoch ging er gegen den jungenhaft wirkenden Karoly Balzsay zu Boden.

Bäckermeister Matthias Brade bekam von den Kämpfen in der Arena nicht viel mit. Er musste den Nachschub an Sandwiches organisieren. „Die Fischbrötchen sind am besten gegangen“, sagte er. Ansonsten lief der Verkauf so lala. Kein Vergleich zu den Hallenfußball-Veranstaltungen, bei denen die Fans Brades Imbiss-Stand in hellen Scharen umlagern. Beim nächsten Mal also mehr Fischbrötchen. Warum das Boxpublikum heute auf das klassische Katerfrühstück steht, weiß Brade auch nicht.

Vielleicht liegt es daran, dass die Erwartungen der Leute eher enttäuscht werden. Der als Ekelpaket angekündigte Matthew Barney hatte sich gegen Europameister Thomas Ulrich eine gewöhnungsbedürftige Taktik zurechtgelegt. Ständig im Rückwärtsgang traf er den verbissen angreifenden Berliner eins ums andere Mal. Nach sechs Runden begann Ulrichs rechtes Auge zuzuschwellen. Ab Runde acht tänzelte der Brite nur noch herum. „Es war kein schöner Kampf“, kommentierte der alte und neue Europameister seinen knappen Sieg. „Was soll man mit einem Gegner machen, der immerzu wegrennt?“

Zu viel Fallost im Ring

Ähnlich sah es Box-Fan Grothe: „Erst das Fallobst und dann im Hauptkampf ein Hasenfuß“, moserte er draußen auf dem Parkplatz, bevor er sich durch die dichten Nebelschwaden in Richtung Torgau aufmachte. Am glücklichsten verließ Lena Godau die Arena. Ihre schlanken Beine haben garantiert niemandem missfallen.