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Hat Löbau bei der Sicherheit geschlampt?

Die Stadt muss für den Sturz einer Frau am Neumarkt zahlen. Den Ausschlag gab die Aussage eines Ortspolizisten. 

Von Markus van Appeldorn
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Vor dem Landgericht Görlitz akzeptierte die Stadt Löbau einen Vergleich.
Vor dem Landgericht Görlitz akzeptierte die Stadt Löbau einen Vergleich. © Archivbild: Jens Trenkler

Der "Tag der Sachsen" war das bedeutendste Ereignis der jüngsten Löbauer Stadtgeschichte. Generalstabmäßig geplant, über 250.000 Besucher. Doch vor dem Landgericht Görlitz wurde nun offenbar: Entlang des Festumzugweges lauerte am Neumarkt nur Tage vor der großen Party eine gefährliche Falle. Entdeckt wurde sie eher zufällig - weil sie einer jungen Löbauerin zum schmerzhaften Verhängnis wurde.

Es war der 24. August 2017 - gut eine Woche vor dem "Tag der Sachsen". Die Klägerin, eine Löbauerin mit Wohnsitz in Hessen, hatte sich mit einer Freundin am Neumarkt verabredet. Gemeinsam wollten sie ein Café in der Altstadt besuchen. Beim Verlassen des Neumarkts sei sie dann über einen mit einer Stahlplatte abgedeckten runden Schacht für einen Laternenmast gelaufen. Der Stahldeckel sei unter ihrem Gewicht hochgeklappt. Dabei sei sie mit ihrem Fuß so unglücklich in den Schacht geraten, dass sie sich einen komplizierten Bruch zuzog. Mehrere Operationen und eine monatelange Behandlung waren die Folge. Deshalb verklagte die Frau die Stadt vor dem Landgericht nun auf 2.500 Euro Schmerzensgeld und 1.600 Euro Schadenersatz.

Die beklagte Stadt ließ den Vorfall durch ihre Anwältin vor Gericht "mit Nichtwissen bestreiten". Eine zulässige, übliche und laut der Vorsitzenden Richterin auch nachvollziehbare Klageerwiderung und Abwehrstrategie. Auf normaldeutsch heißt dieser juristische Begriff übersetzt: "Wir waren ja nicht dabei, deshalb glauben wir erst mal nicht, dass es überhaupt passiert ist." Außerdem trug die Anwältin der Stadt vor, das könne überhaupt nicht stimmen, weil die Stadt besonders in Hinblick auf den damals kurz bevorstehenden "Tag der Sachsen" sämtliche mögliche Gefahrenstellen beseitigt oder gesichert habe. So sei die fragliche Schachtabdeckung mit Klammern gesichert gewesen. Begutachten lassen konnte das Gericht die Stelle nicht mehr. Der Schacht wurde im Rahmen der Neugestaltung des Neumarkts nach dem "Tag der Sachsen" überbaut.

Einen Beweis für die Sicherung der damaligen Unfallstelle blieb die Stadt im Verfahren allerdings schuldig. Und mehr noch: Ein Mitarbeiter der Stadt Löbau lieferte im Prozess den Gegenbeweis. Das Gericht hatte einen Mitarbeiter der Ortspolizei als Zeugen geladen. "Am 25. August kam der Vater der Geschädigten zu mir auf das Ordnungsamt und wollte eine Schadensmeldung abgeben", sagte der Ortspolizist aus. Daraufhin sei er mit ihm an die Unfallstelle gegangen. Und dann schilderte er genau das, was auch die Klägerin behauptete: "Der Schachtdeckel, der eigentlich befestigt sein sollte, kippte beim Draufsteigen senkrecht nach oben." Er habe die Gefahrenstelle dann sofort mit Pylonen gesichert, "damit sich nicht noch jemand anderes verletzt", und den Bauhof beauftragt, die Gefahr zu beseitigen. "Das war im Vorfeld des Tags der Sachsen. Da muss alles hundertprozentig sicher sein", sagt er aus.

Die Anwältin der Stadt blieb dabei, dass der Schacht jedenfalls irgendwann vorher ordnungsgemäß gesichert gewesen sei. Das Gericht ließ aber die Chancenlosigkeit dieser Einlassung erkennen. Gerade bei solchen Großereignissen wie dem "Tag der Sachsen" würde eine Stadt doch alles dokumentieren, was sie zur Sicherheit getan hat und irgendwelche Protokolle anfertigen. Die Richterin war verwundert, dass die beklagte Stadt Löbau keinerlei Dokumentation in die Beweisaufnahme einbrachte, um ihre Verantwortlichkeit für den Unfall zu widerlegen. "Ich dachte, da kommt was", sagte sie und riet der Stadt zum Einlenken: "Es spricht vieles dafür, dass etwas nicht in Ordnung war und für eine Haftungspflicht der Beklagten."

Die Anwältin sah ein, dass der Prozess im Grunde für die Stadt verloren war, wollte aber wenigstens die Kosten senken. So bemängelte sie , dass die Klägerin fragwürdige Schadenersatzansprüche und unnötige Fahrtkosten aufgelistet hätte. Es sei frech, so ein Ereignis wie einen Unfall auszunutzen, um Dinge abzurechnen, die unnötig seien oder mit dem Unfall und dessen Folgen nichts zu tun hätten. Das Gericht ließ durchblicken, dass diese Zweifel teilweise nachvollziehbar seien und schlug einen Vergleich vor. die Parteien einigten sich schließlich auf die Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld und 800 Euro Schadenersatz. Der Vergleich steht noch unter dem Widerrufsvorbehalt durch die Stadt Löbau.

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