Döbeln. Weil er einem Chemnitzer Tüv-Prüfer 100 Euro übergeben haben soll, damit dieser ihm im Prüfbericht der Hauptuntersuchung (HU) ein Auto ohne Mängel bescheinigt, hat ein ehemaliger Waldheimer einen Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 50 Euro erhalten. Statt die 3.000 Euro zu zahlen, erhob der Angeklagte Einspruch gegen den Strafbefehl.
Während der Hauptverhandlung bestreitet der Mann, der heute in der Region Kriebstein wohnt, immer wieder, den Tüv-Prüfer bestochen zu haben. Er habe ihm lediglich 85 Euro Prüfgebühr gezahlt, aber kein zusätzliches Geld, das als Bestechung angesehen werden könnte. Dass mit der Ausstellung des HU-Prüfberichtes nicht alles so gelaufen ist, wie es sollte, räumte der Hartz IV-Empfänger ein.
In einem Mittweidaer Autohaus, in dem er selbst früher einmal als Kfz-Techniker gearbeitet hat, habe er einen alten Passat gekauft und auf einem Hänger nach Hause transportiert. Als er sich davon überzeugt hatte, dass sich eine Reparatur des Fahrzeugs lohnt, habe er das Auto wieder in das Autohaus zurückgebracht und teilweise mit Unterstützung des Inhabers des Autohauses wieder fahrtüchtig gemacht.
LKA überwacht Telefon
Während dieser Zeit sei auch der Tüv-Prüfer immer wieder in dem Autohaus gewesen und habe den Passat gesehen. Wahrscheinlich im Oktober 2018 – so genau kann sich der Angeklagte nicht erinnern – sei die HU-Untersuchung erfolgt. Allerdings habe der Drucker des Prüfers nicht funktioniert, sodass er dem Angeklagten das Ergebnisprotokoll nicht aushändigen konnte. Das sei ihm bei einem Treffen mit dem Prüfer am 2. November 2018 an einer Tankstelle im Oli-Park in Oberlichtenau ausgehändigt worden.
Diese Übergabe hat ein Kriminalhauptkommissar des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen aus einiger Entfernung beobachtet. Das LKA habe von dem Treffen gewusst, da es schon seit geraumer Zeit das Telefon des Tüv-Prüfers überwacht habe. Denn der ehemalige Waldheimer sei nicht der einzige Beteiligte.
Falsche Stempel und Plaketten
Der Beamte, der als Zeuge aussagt, erklärt die Hintergründe. Bereits seit Ende 2016 beschäftige sich das LKA mit einem ganzen Komplex von falschen Hauptuntersuchungen. Dabei wurden gefälschte HU-Stempel in den Zulassungsbescheinigungen und gefälschte HU-Plaketten an Autos entdeckt – zuerst bei einem Pärchen aus Hartha. Weitere Nachforschungen hätten rund hundert solcher Fälle ergeben, wobei ein Teil der Fahrzeughalter nichts davon gewusst habe. Ein anderer Teil habe mit den falschen Dokumenten bewusst die Untersuchung mangelhafter Fahrzeuge umgehen und Reparaturen sparen wollen.
Es habe auch die Luxusvariante gegeben, bei der zwar auch keine Untersuchung stattfand, aber echte Plaketten und Stempel ausgegeben wurden. Dies sei für die Fahrzeughalter entsprechend teurer gewesen. In das „Geschäftsmodell“ seien insgesamt zwei Sachverständige, der Betreiber eines privaten Zulassungsdienstes sowie ein Mitarbeiter der Kfz-Zulassungsstelle des Landratsamtes in Mittweida involviert gewesen. Bei Hausdurchsuchungen seien die Originalunterlagen der Hauptuntersuchungen sichergestellt worden.
Prüfer verweigert Aussage
Im Fall des Ex-Waldheimers sei durch die Telefonüberwachung nachvollziehbar, dass die HU nicht zu dem Zeitpunkt erfolgt sein kann, der auf dem Prüfprotokoll vermerkt ist. Denn mit der Überwachung wurde auch der Standort des Telefons festgestellt. Und das befand sich nicht in dem Autohaus in Mittweida, in dem die HU erfolgt sein soll, sondern im mehr als 20 Kilometer entfernten Chemnitz-Heinersdorf.
Der Chemnitzer TÜV-Prüfer, der ebenfalls als Zeuge geladen ist, verweigert die Aussage, „weil ich nicht weiß, welche Fragen mich belasten könnten“, sagt er. Gegen ihn läuft ein gesondertes Verfahren, das noch nicht rechtskräftig ist.
Staatsanwältin Angelika Rickert sieht es als erwiesen an, dass dem Angeklagten bewusst war, dass keine ordentliche Untersuchung des Passats erfolgt ist. Die Bestechung sei das kleinere Übel. Aber auch die Zahlung der Prüfgebühr sei eine solche. Denn es sei die Bezahlung für eine nicht erbrachte Leistung. Die Staatsanwältin bleibt beim Vorwurf der Bestechung mit Anstiftung zur Falschbeurkundung und plädiert für eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen in Höhe von jeweils 15 Euro, also 900 statt ursprünglich 3.000 Euro.
Rechtsanwältin Ines Opitz schließt sich dem an. Außerdem muss der Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb einer Woche hat der Ex-Waldheimer die Möglichkeit der Berufung oder Revision.
Mehr lokale Nachrichten aus Döbeln und Mittelsachsen lesen Sie hier.