SZ + Pirna
Merken

Heidenau schafft die Thälmannstraße ab

Der Stadtrat beschließt auf AfD-Antrag die Umbenennung in Woldemar-Winkler-Straße. Die Freude hält sich in Grenzen.

Von Heike Sabel
 4 Min.
Teilen
Folgen
Dieses Straßenschild verschwindet aus Heidenaus Stadtbild.
Dieses Straßenschild verschwindet aus Heidenaus Stadtbild. © Norbert Millauer

Auf der Ernst-Thälmann-Straße gibt es am Freitag nur ein Thema: Die Umbenennung der Straße. Am Donnerstagabend hat der Stadtrat in Heidenau beschlossen, dass sie künftig Woldemar-Winkler-Straße heißt. „Bekloppt“, „bescheuert“, „ein Scherz“ – das sind nur einige Reaktion von Heidenauern. Unverständnis, Kopfschütteln, Empörung.

„Danke AfD“, sagt Claudia Benedickt. Die Vorsitzende des Zentrumsvereins, der um das Leben im Zentrum kämpft, ist richtig bedient. „Das war nicht unser Ziel, doch wir müssen nun die bittere Pille schlucken.“ Schon im Vorfeld des Beschlusses war heftig diskutiert worden. So umstritten Thälmann sein mag, die meisten meinten: „Gibt es keine anderen Sorgen?“

Wer hat die Umbenennung beschlossen?

Der Antrag zur Umbenennung kam von der AfD-Fraktion in der ersten Sitzung des neuen Rates Ende August. Fristgemäß wurde er nun behandelt. Die zwei FDP-Stadträte und der Vertreter der Bürgerinitiative Oberes Elbtal haben ihm zugestimmt, drei CDU-Stadträte enthielten sich. Damit ist, was seit der Wende in Heidenau kein Thema war, nun eines: die Umbenennung von Straßen. Bei einer Umfrage des Zentrumsvereins vor zwei Jahren war die Umbenennung mehrheitlich abgelehnt worden. Man ging davon aus, das bleibt so. Doch dieses Ergebnis hat keine Rechtskraft.

Im Stadtrat waren vor dem Beschluss noch einmal die Positionen ausgetauscht worden. Die AfD begründete ihren Antrag mit der Berühmtheit von Künstler Woldemar Winkler, mit dem man die Straße schmücken wolle. Dass 2019 noch eine Straße den Namen Thälmanns trage, sei absolut unverständlich, sagte Fraktionsvorsitzender Daniel Barthel. Daniela Lobe (Linksbündnis) setzte dem gegenüber, dass es bundesweit noch über 270 Straßen diesem Namen gibt. Ihr Fraktionschef Steffen Wolf verwies trotz der negativen Seiten von Thälmann auf seine Rolle als Arbeitersohn – und auf die Kosten für die Betroffenen.

Welche Konsequenzen hat der Beschluss?

Für die rund 450 Anwohner, 63 Gewerbetreibenden sowie die Goethe-Oberschule bedeutet der neue Straßenname viel Rennerei, viel Schreiberei, viel Geld. Ausweise, Verträge, Papiere, Kontakte. Das gehe bis dahin, dass man im Internet nicht mehr gefunden wird, sagt Claudia Benedickt, die als Apothekerin auch Gewerbetreibende ist. „Das wird uns die AfD nicht bezahlen“, sagt sie. Die argumentierte im Stadtrat, man räume jetzt nur auf mit dem, was schon längst hätte passieren müssen. Die Woldemar-Winkler-Stiftung in Gütersloh freut sich zwar über eine Umbenennung, an den Kosten beteiligt sie sich aber nicht.

Wann die offizielle Umbenennung erfolgt, steht noch nicht fest. Es gibt dafür keine Frist. Jedoch ist die Verwaltung angehalten, Beschlüsse des Stadtrates schnellstmöglich umzusetzen.

Was kann man dagegen tun, fragen einige. Zunächst nichts. Ein Beschluss gleichen Inhaltes kann erst nach sechs Monaten im Stadtrat wieder behandelt werden. Wenn die Verwaltung so lange nichts tut, riskiert sie eine Untätigkeitsklage. Ein Bürgerentscheid braucht Vorlauf. Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) rechnet mit zahlreichen Beschwerden, die er jedoch an die AfD weiterleiten wird. Die Verwaltung müsse die im Stadtrat beschlossenen Beschlüsse umsetzen. Dafür werden nun die praktischen Schritte geprüft.

Offen ist, ob die Thälmannstraße nur der Anfang ist. Heidenau hat noch einige Namensgeber mit kommunistischer Vergangenheit: Fritz Gumpert, Bruno Gleißberg und Käthe Kollwitz zum Beispiel.

Wer ist eigentlich Woldemar Winkler?

Woldemar Winkler ist 1902 in Mügeln geboren und hier aufgewachsen, ging erst nach Dresden und später nach Gütersloh, wo er 2004 im Alter von 102 Jahren starb. Im Dresden der Weimarer Republik traf er auf Künstler wie Otto Dix und Oskar Kokoschka. Winklers Arbeiten wurden von den Nationalsozialisten teilweise als „entartet“ zerstört. Zudem wurde ihm unterstellt, Juden und Kommunisten zu unterstützen und zu verstecken. 1982 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1987 der Verdienstorden Nordrhein-Westfalens. Ein Angebot der DDR, nach Dresden zurückzukehren, lehnte er ab. In Heidenaus Rathaus gab es vor einigen Jahren eine Ausstellung zu seinen Werken.

Mehr Nachrichten aus Pirna lesen Sie hier

Informationen zwischendurch aufs Handy gibt es hier

Täglichen kostenlosen Newsletter bestellen