Von Jan Franke
Sieben Wochen nach dem Jahrtausendhochwasser sind die Folgen der Flut in Heidenau immer noch deutlich zu sehen. In vielen Straßen klaffen tiefe Löcher. Wo früher Geschäfte waren, blicken einen trübe Schaufenster an. Jetzt sind die Leute überall eifrig damit beschäftigt, schnellstmöglich wieder Normalität einkehren zu lassen.
„Etwa 60 Prozent des gesamten Stadtgebiets wurden überschwemmt“, bilanziert der Heidenauer Vize-Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU). 171 Wohnungen, 766 Keller und 400 Unternehmen standen unter Wasser. Der endgültige Gesamtschaden beläuft sich auf 51 Millionen Euro. Hartes Brot für die 17 500-Einwohner-Stadt. Einzig Positives: In Heidenau gab es glücklicherweise keine Todesopfer.
Jetzt wird aufgeräumt: Auf der Wasserstraße, wo der Name unlängst Programm war, stehen die Transporter der Handwerksbetriebe Stoßstange an Stoßstange. In den Erdgeschossen, die bis zum Fensterkreuz unter Wasser standen, sind längst neue Kabel verlegt. Teilweise ist sogar der Estrich schon drin. Im ersten Stock wohnt Roland Jorschick. Der Zimmermann organisiert die Bauarbeiten vor Ort. Er und seine Frau waren während des Hochwassers in ihrer Wohnung. „Die Leute sind zu früh evakuiert worden“, berichtet Jorschick. „Wir haben uns die ganze Zeit versteckt, wollten so viel wie möglich retten. Nachts haben wir nicht einmal die Taschenlampe eingeschaltet, sonst hätte uns der Bundesgrenzschutz noch rausgeholt. Die sind zwischen den Häusern Streife gefahren.“
Um die Ecke, im Erdgeschoss, wohnte Werner Queißner. Ihm und seiner Frau wurde, wie vielen anderen, vorerst eine Leerwohnung gestellt. Das Rentnerehepaar ist erst vor vier Jahren eingezogen, hat die gesamte Einrichtung eingebüßt. „Der Schaden liegt bei 27 000 Euro“, sagt Queißner. Zwar gehören sie zu den Glücklichen, die gegen Elementarschäden versichert sind. Bisher sei von der Allianz jedoch gerade einmal ein Drittel der Summe gekommen. Da waren die 2 000 Euro aus dem städtischen Spendenfonds ein Segen. Queißners hoffen, noch vor Weihnachten wieder einziehen zu können. „Wir leben vorübergehend in einer Einraumwohnung, haben dort Bett, Tisch, Spüle und Regal. Es ist alles ein wenig eng.“
Einen Teil der Möbel bekamen sie aus dem Spendenlager unterm Roller-Markt. Dort konnte bisher über 3 000 betroffenen Familien weitergeholfen werden. Der Andrang steigt ständig – kaum ein Tag, an dem weniger als 100 Leute kommen. „Außer an Feiertagen ist das Lager Mittwochs bis Sonnabends, 9 bis 19 Uhr geöffnet“, sagt Marianne Linge von der Bürgerinitiative „Gompitz“, die der Aktion im August Leben einhauchte. Zurzeit würden vor allem Waschmaschinen und Werkzeuge aller Art benötigt.
Derweil ist die Wasser- und Wärmeversorgung der Stadt rechtzeitig zu Beginn der kalten Jahreszeit überall wieder hergestellt. 40 Kilometer Gasleitungen liefen voll, 2 200 Haushalte waren vorübergehend ohne Heizung und Warmwasser. Inzwischen wurden 270 Löcher gebuddelt, die Leitungen aufgetrennt, entwässert und gereinigt. „Das Leitungsnetz ist aber nur provisorisch wiederhergestellt“, verdeutlicht der stellvertretende Regionalchef der Gasversorgung Sachsen Ost, Peter Pohle. „Mit Folgeschäden über den Winter ist in jedem Fall zu rechnen.“ Auch an der Bahnhofstraße wird fleißig gebaut. Mit dem Hochwasser haben die Arbeiten jedoch nichts zu tun. Die Pflastersteinpiste sollte schon lange überholt werden. „Hätte man das nicht verschieben können“, fragt Helga Keller. Sie und ihr Mann besitzen gegenüber vom Nordbahnhof ein Geschäftsgrundstück. Vor der Flut hatten sie einen Bäcker in ihren Räumen. Der ist abgesoffen und längst raus. Die Aufräumarbeiten muss das Rentnerehepaar nun allein bewältigen. Peter Keller ist verärgert. „Jetzt haben sie hier die Straße aufgerissen und wir kommen nicht mehr mit dem Auto ran.“ Die Hoffnung auf Fördergelder haben sie inzwischen schon fast aufgegeben. „Für Geschäftsgrundstücke gibt’s nichts“, seufzt Helga Keller. „Wir müssen das Haus wohl für’n Apfel und’n Ei verkaufen.“