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Heimatkunde für Erwachsene

Mathias Hüsni kennt sich mit der Geschichte von Bischofswerda aus wie kein anderer. Jetzt hat er einen besonderen Plan.

Von Ingolf Reinsch
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Mathias Hüsni zu Hause in Burkau. Der Lehrer, der in wenigen Tagen in den Ruhestand geht, gibt seit 13 Jahren in seiner Freizeit das Heft „Schiebocker Landstreicher“ heraus. Das Jüngste ist soeben erschienen. In den fast 150 Seiten steckt ein ganzes Jahr
Mathias Hüsni zu Hause in Burkau. Der Lehrer, der in wenigen Tagen in den Ruhestand geht, gibt seit 13 Jahren in seiner Freizeit das Heft „Schiebocker Landstreicher“ heraus. Das Jüngste ist soeben erschienen. In den fast 150 Seiten steckt ein ganzes Jahr © Steffen Unger

Bischofswerda. Es sind mitunter die kleinen Episoden, die Großes vermitteln. Zum Beispiel Geschichten, wie diese: Beim Bau der Jagdhütte am Butterberg in den 1980er-Jahren wurde ein Kabel durchtrennt, das in keinem Bauplan verzeichnet war. Wenig später erschien wutentbrannt ein sowjetischer Offizier, begleitet von einem Soldaten mit Kalaschnikow, auf der Baustelle. Vermutlich verband das Kabel die Kaserne in Bischofswerda mit dem Taucherwald bei Uhyst, wo von 1984 bis 88 sowjetische Atomraketen stationiert waren. Holger Scheumann, der beim Bau der Jagdhütte dabei war, hat es aufgeschrieben für das neue Heft „Schiebocker Landstreicher“, das vor wenigen Tagen erschienen ist.

Es ist der 14. Jahrgang dieses Heftes, das der Burkauer Mathias Hüsni herausgibt. In den fast 150 Seiten steckt ein ganzes Jahr Arbeit von ihm, dem Herausgeber, und vom Bischofswerdaer Hans-Werner Otto, dem langjährigen Redakteur. Beide verdienen keinen Cent mit dem Heft. Auch die Autoren nicht. Sie stellen ihre Texte ohne Honorar zur Verfügung und bekommen dafür ein kostenloses Belegexemplar. Seit dem ersten Heft 2006 erscheint die Publikation ohne staatliche Zuschüsse. Mathias Hüsni trägt das wirtschaftliche Risiko privat und zahlte in den ersten Jahren drauf. Dank Firmen, die annoncieren, halten sich Kosten und Erlös jetzt die Waage. In diesem Jahr ist es erstmals möglich, einigen Autoren mehr als nur ein Belegexemplar zukommen zu lassen, sagt Mathias Hüsni.

Jungen Leuten Werte vermitteln

Die Begeisterung des 65-Jährigen steckt an. Das mag auch an seinem Beruf liegen. Seit 42 Jahren ist Mathias Hüsni Lehrer, er unterrichtet Ethik und Sport. Noch bis zum Ende dieses Jahres. Dann geht er in den Ruhestand, der für den agilen, vielseitig interessierten Mann wohl eher der vielzitierte Unruhestand werden dürfte. Mathias Hüsni ist begeistert, wenn er von den Menschen spricht, die ihm beim „Landstreicher“ in all den Jahren unterstützen und ihm so immer wieder neue Impulse gaben. Stellvertretend für die vielen seien nur zwei genannt: Andreas Mikus, Chef des Netzwerkes für Kinder- und Jugendarbeit in Bischofswerda, der gemeinsam mit Mathias Hüsni die Idee hatte, ein Jahresheft als Nachfolger der früheren Broschüre „Schiebocker Land“ herauszugeben, und der Bischofswerdaer Architekt Josef Klemmer, der große Teile seiner umfangreichen Sammlungen dem Archiv des „Landstreichers“ übergab. Mathias Hüsni spricht begeistert von Menschen, die genauso wie er für die Geschichte und Werte unserer Heimat brennen. Und er erinnert mit Hochachtung an Chronisten, die leider nicht mehr unter uns weilen – „wunderbare Menschen, die ich kennenlernen durfte“.

Kein einziges Mal im Gespräch fällt das pathetische Wort Idealismus. Doch es sind tatsächlich seine Ideale, die Mathias Hüsni antreiben, Geschichte in seiner Freizeit so aufzuarbeiten, dass sie auch für andere, vor allem Jüngere, interessant ist. „Menschen, denen Bischofswerda am Herzen liegt, müssen sich vernetzen, um heimatkundliche Werte zu vermitteln“, sagt er. Das Bischofswerdaer Land hat da viel zu bieten: die Rammenauer Teiche, die Berge, eine reiche Pflanzenwelt, Menschen, die in die Weltgeschichte eingingen, wie der in Rammenau geborene Philosoph Johann Gottlieb Fichte. All dies müsse man – auch emotional – der Jugend vermitteln. „Wer in der Heimat verwurzelt ist, wandert nicht ab“, schlägt Mathias Hüsni einen Bogen vom Vergangenen in die Gegenwart. Er spricht von den „Mühen der Ebene“, die man bewältigen muss, um ein solches Heft fast anderthalb Jahrzehnte lang herauszugeben. Doch er bleibt Optimist. „Das Glas ist für mich immer halbvoll“, sagt er.

Friedensmuseum in Bischofswerda

Der Burkauer kramt in der Geschichte. Das ist für ihn kein Selbstzweck. Er tut es mit Blick auf die Zukunft. Er hat Vorschläge, die man Visionen nennen kann. Zum Beispiel den, in Bischofswerda ein Friedensmuseum einzurichten. Aufgrund der hier im Kalten Krieg stationierten Atomraketen wäre die Stadt prädestiniert dafür, sagt er. Und er wüsste auch schon, wo ein solches Museum entstehen könnte: im denkmalgeschützten „Goldenen Löwen“, dem letzten historischen Gebäude auf dem ehemaligen Kasernengelände, das zuletzt als Offizierscasino genutzt wurde. „Wir müssen unsere Gegend attraktiv machen, auch für Touristen“, begründet er diesen Vorschlag. Analog sollte der Taucherwald zum Friedenswald werden. Zusammen mit den Burkauer Natur- und Heimatfreunden hat er sich dafür schon auf den Weg gemacht. Zum Weltfriedenstag am 1. September organisierten sie eine erste Veranstaltung, die sehr gut besucht wurde. Nun haben sie den 8. Mai 2020 im Blick – den Tag, an dem sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal jährt. „Wir brauchen eine Gedenkkultur. Wir dürfen das Gedenken nicht dem Selbstlauf überlassen“, sagt Mathias Hüsni. Womit ein Thema für den 15. „Schiebocker Landstreicher“ im kommenden Jahr schon gesetzt sein dürfte.

Das fast 150 Seiten starke Heft „Schiebocker Landstreicher“ kostet 13 Euro. Verkauft wird es in der Buchhandlung Heinrich in Bischofswerda.

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