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Wer ist die Schlüsselfigur für die Görlitzer Stadthalle?

Görlitz holt Henning Wossidlo ins Boot. Der 70-Jährige hat in Wiesbaden viel Erfahrung gesammelt. Doch zuerst musste er Widerstand aus dem Weg räumen.

Von Sebastian Beutler
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Henning Wossidlo in der Görlitzer Stadthalle.
Henning Wossidlo in der Görlitzer Stadthalle. © Nikolai Schmidt

Henning Wossidlo braucht sich nichts mehr zu beweisen. Der 70-Jährige hat 33 Jahre in Wiesbaden als Kurdirektor das Kurhaus geleitet, zwei Bäder gebaut, eine Tiefgarage und zuletzt in der hessischen Landeshauptstadt das neue Kongresszentrum für knapp 200 Millionen Euro errichtet.

Doch nun muss er sich ausgerechnet für diesen letzten Bau, den er fristgerecht und  innerhalb des vorgegebenen Budgets übergab, andauernd verteidigen. Die AfD in Hessen und in Wiesbaden sieht ihn als Zielscheibe ihrer Kritik. Dabei sind gegen Wossidlo nie Ermittlungen der Strafbehörden eingeleitet worden, er war einmal als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft München geladen. Aber da ging es um den wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen Wiesbadener OB, Sven Gerich. 

AfD rudert zurück

Die AfD in Görlitz hat den Ball der Parteikollegen aus Wiesbaden dankbar aufgenommen. Den Görlitzer Bürgern, so erklärte AfD-Fraktionschef Lutz Jankus, seien Wiesbadener Verhältnisse nicht zuzumuten. Was sie genau darunter versteht, teilt sie nicht mit. Aber nach dem Treffen am Donnerstagnachmittag von Görlitzer Stadträten mit Wossidlo wiederholt Jankus seine Vorwürfe nicht mehr. "Es hat sich gezeigt, dass die Vorwürfe, die wir aus Presseberichten entnommen haben, so nicht zutrafen." Oberbürgermeister Octavian Ursu war überrascht, wie zurückhaltend die Stadträte die Chance nutzten, Wossidlo zu befragen. Aber nach der Zusammenkunft in der Turnhalle an der Hugo-Keller-Straße war er zufrieden: Jetzt kann es losgehen.

Die Zusammenarbeit des städtischen Kulturservices mit Henning Wossidlo bei der Sanierung der Stadthalle war zwar letztlich nicht mehr vom Meinungsumschwung bei der AfD abhängig, aber so ist es nun noch besser. Schon am Freitagvormittag saß Wossidlo mit Architekten und städtischem Bauamt über den Plänen für die Stadthalle. 

Wossidlo will als Berater in der zweiten Reihe arbeiten

Offiziell wird er nur in der zweiten Reihe agieren. Der Vertrag ist noch nicht unterschrieben, aber Henning Wossidlo strebt an, eine Woche im Monat in Görlitz zu weilen und ansonsten ansprechbar zu sein. Er will bewusst in der zweiten Reihe stehen. Mit den Geschäftsführern des Kulturservices Benedikt Hummel und Maria Schulz seien aus seiner Sicht die beide Richtigen mit dem Projekt betraut worden. "Sie brennen dafür."

In Wahrheit ist der gebürtige Münsteraner aber eine Schlüsselfigur bei der Wiederbelebung der Stadthalle. Denn der Kulturservice kann zwar manches beitragen, die Erfahrungen aus der Kongresshallenbranche und ein solch belastbares Netzwerk hat nur Wossidlo. Beides brauchen die Görlitzer aber schnell, um bis Herbst die Planung fürs Haus und ein Betriebskonzept vorzulegen. Das ist notwendig, um anschließend bei Bund und Land die versprochenen 36 Millionen Euro loszueisen. Deswegen erklärte auch Rolf Weidle von der Bündnisfraktion schon vor seinem Gespräch mit Wossidlo am Mittwoch dieser Woche: "Görlitz soll froh sein, dass es einen solchen Mann für so wenig Geld bekommt".

Einarbeiten muss sich Wossidlo kaum. Das Haus kennt er seit fast drei Jahrzehnten. Gleich nach dem politischen Umbruch war er nicht nur in Görlitz, der Partnerstadt von Wiesbaden, zu Gast, sondern besuchte eben auch den damaligen Stadthallen-Direktor Jürgen Michel, half an der einen oder anderen Stelle. 2011 motivierte er den Stadtrat, die Sanierung der Halle anzugehen. Aber bereits 2006 gab er zu dem Thema der SZ ein Interview. 

Was er damals sagte, so bestätigt er nun, gilt für ihn weiterhin: Die Stadt soll die Halle betreiben, muss aber bei der Technik nur eine Grundausstattung einbauen. Statt dessen solle sie mit Partnern zusammenarbeiten, die für spezifische Veranstaltungen die nötige Technik mitbringen. Und die Stadthalle hat als historische Kongresshalle Charme und Chancen, sich auf dem Markt zu etablieren. Wossidlo selbst war einer der Begründer der Allianz historischer Kongresshallen in Europa, zu der das Kurhaus in Wiesbaden und die Wiener Hofburg gehören.

Alles läuft auf einen Stadt-Zuschuss von 750.000 Euro hinaus

Aber 2006 ist nicht 2020. Das ist auch Wossidlo bewusst. Mittlerweile liegt für die Stadthalle ein Konzept der Beratungsfirma Drees & Sommer von 2012 vor, an dem es viel Kritik gibt. Wossidlo hält es trotzdem für eine gute Basis, auf der er nun bis Herbst ein fundiertes Betriebskonzept erarbeiten will. Als Orientierung gilt ein jährlicher städtischer Zuschuss von 750.000 Euro, den auch Bürgermeister Michael Wieler letztens vor dem Görlitzer Stadtrat nannte. Nachfragen von Stadträten wie Mirko Schultze und Mike Altmann zielten am Donnerstag auch auf das Betriebskonzept.

Zu diesem Konzept zählt aus Sicht von Wossidlo aber mehr als nur, wie städtische Vereine, Tanzschulen und Gymnasien über Sondertarife dazu gebracht werden, ihre Großveranstaltungen in der Stadthalle abzuhalten - so wie es auch im Wiesbadener Kurhaus der Fall ist - und welche Empfänge, Musikfestivals und Eigenveranstaltungen dann auch Geld einspielen. Oder welche Kongresse künftig noch nach der Digitalisierungswelle während Corona noch in Görlitz stattfinden können. Da hält Wossidlo nun die Größe der Stadthalle eher für einen Vorteil gegenüber den großen Messezentren. Nein, es geht aus seiner Sicht auch um ein Parkkonzept, um den Garten, um den geplanten Anbau, den er in der bisherigen Form für nicht gelungen hält. "Ich  brenne darauf, diese Chance für Görlitz zu nutzen".

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