SZ +
Merken

Heulende Motoren dröhnen in den Ohren

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Singt Reinhard Mey. Am Boden ist es dagegen der Fluglärm, der Grenzen überschreitet. Meinen nicht wenige Großenhainer.

Teilen
Folgen

Von Marco Mach

Die Motor-Kunstflieger hatten ihr tagelanges Intensiv-Training gerade beendet. Sie waren von dort oben, wo nach Liedermacher Reinhard Mey die Freiheit wohl grenzenlos sein muss, wieder zurückgekehrt. Da stieg auch schon das Flugplatzfest. Und es geht weiter: An diesem Sonnabend heulen die Motoren nicht in der Luft, sondern am Boden beim Supermoto. Das Wochenende darauf dröhnt es aus den Lautsprecherboxen, Techno-Party ist angesagt. Auf dem Großenhainer Flugplatz wechselt zurzeit eine Veranstaltung mit der anderen ab. Doch nicht alle Einwohner der Röderstadt finden das toll.

Wir konnten nicht mal

die Fenster öffnen

Frau Jahn wohnt auf der Käthe-Kollwitz-Straße und ärgert sich maßlos über den Lärm, der vom Flugplatz zu ihr herüberschallt. Vor allem die Motor-Kunstflieger, die sich vor zwei Wochen hier intensiv auf die offenen bayerischen Meisterschaften vorbereiteten, nervten sie gewaltig. Weil es sich dabei nicht nur um das liebevoll besungene Summen der Motoren handelte, das von fern monoton erklingt. „Es war unerträglich, wir konnten nicht mal die Fenster öffnen“, schimpft Jahn. Die Großenhainerin will wissen, ob derlei Fluggeräusche zumutbar sind, ob so ein Lärm in einer Stadt, in der Nähe von Wohnungen, überhaupt genehmigt ist.

Ruhe als Fremdwort,

Miteinander als Ziel

Uta Preibisch stört darüber hinaus der derzeitige Veranstaltungsmarathon auf dem Flugplatzgelände. „Eine Wochenendveranstaltung hin und wieder ist ja okay, aber zurzeit summieren sich die Ereignisse“, sagt sie. Preibisch wohnt in der Waldaer Straße und hat ihren Garten in der Panzerstraße. „Gerade an Wochenenden braucht doch ein arbeitender Mensch Ruhe.“ Doch diese vier Buchstaben werden für sie immer mehr zum Fremdwort.

Michael Kilian, Chef der Flugplatzbetreibergesellschaft, äußerte sich auf SZ-Anfrage zu beiden Themen. Stichwort Veranstaltungsmarathon: „Klar häufen sich zurzeit die Aktivitäten, aber ich glaube, das ist noch vertretbar.“ Laut Kilian sind die Events die einzigen Einnahmequellen des Flugplatzes. „Das Gelände muss sich tragen. Außerdem wird dadurch Großenhain über seine Grenzen hinaus publik gemacht.“

Stichwort Fluglärm: Es liegen durchaus Genehmigungen vom Regierungspräsidium Dresden als zuständiger Behörde Sachsens vor. Danach sind Kunstflüge von Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr gestattet, an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 13 Uhr. Als Reaktion auf die auch bei ihm eingegangenen Beschwerden über den Kunstfluglärm habe Kilian seit kurzem mit den Piloten noch eine Zusatzvereinbarung getroffen. „In Zukunft werden wir am Wochenende und an Feiertagen weniger fliegen, als uns erlaubt ist. Intensives Training wird es an diesen Tagen nicht mehr geben“, glaubt der Geschäftsführer, einen guten Kompromiss gefunden zu haben. Er strebe kein Gegen-, sondern ein Miteinander von Flugplatz und Bewohnern an.

Großenhainer sind

Russenlärm gewohnt

Wie es überhaupt sein kann, dass das Regierungspräsidium an Wochenenden und Feiertagen Flüge mit den „Krach machenden Kisten“ gestattet, fragt sich Wolfgang Degenkolb. „Es ist eben ein Freizeitvergnügen“, begründet Präsidiumssprecher Holm Felber knapp.

Degenkolb habe auch beobachtet, dass die Flugzeiten nicht immer eingehalten würden – was jedoch die Großenhainer Flugleitung und die Dresdner Behörde bei ihren Stichproben bisher nicht festgestellt hätten. Für den 59-jährigen Ex-Stadtrat ein klarer Fall: „Eine Kontrolle geschieht sowieso nicht richtig. Die denken doch alle, dass wir Großenhainer den Russenlärm gewohnt sind. Aber ich werde das Ganze weiterverfolgen.“ Das Heulen der Motoren. AUF EIN WORT