Von Petra-Alexandra Buhl
Zwei Berufsrichter und zwei Schöffinnen fällen heute das Urteil über Ingolf Roßberg (FDP) und Rainer Sehm. Jede Stimme hat gleichviel Gewicht. Roßberg ist der Untreue, Vorteilsnahme und der Beihilfe zum Bankrott angeklagt. Sehm wird Bestechlichkeit und vorsätzlicher Bankrott zur Last gelegt. Staatsanwalt Till Pietzcker hat für Roßberg eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung gefordert, für Sehm zwei Jahre auf Bewährung. Rechtsexperten glauben, dass Roßberg ein Jahr und drei bis vier Monate auf Bewährung bekommen könnte.
Tragik liegt in Roßberg selbst
Am Freitagabend beantragte Roßbergs Verteidiger Peter Manthey, weitere Zeugen zu laden, darunter den Leiter des Wiederaufbaustabes der Staatskanzlei Tilmann Schweisfurth, enge Freunde des OB und ehemalige Wahlkämpfer. Weil sich in der Sache vermutlich wenig Neues ergibt, ist es denkbar, dass der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats die Beweisanträge heute ablehnt und dann das Urteil vorträgt.
Gespannt warten die Stadträte auf die Entscheidung. „Roßberg hat den Blick für die Realität völlig verloren“, sagt Helfried Reuther (CDU). Er habe zwar viel für die Stadt getan, dabei aber Gesetze missachtet. Die Christdemokraten erwarten, dass Roßberg „nach einer Verurteilung die Konsequenzen zieht, seinen Platz räumt.“ Jens Hoffsommer (Grüne) staunt darüber, dass Roßberg seine Position bis zuletzt nicht änderte. „Er hat keinen Fehler eingestanden.“ Hochproblematisch sei, dass Roßberg immer noch zu Sehm halte. Es sei zu einfach, den Umständen der Flutkatastrophe 2002 die Schuld zu geben. „Die wirklichen Hämmer sind nicht in der Hochwasserzeit passiert, sondern erst viel später.“ SPD-Fraktionschef Peter Lames sagt, der Prozess habe „Roßbergs Grundproblem, die Einsamkeit im Rathaus“ unterstrichen, und seine Unfähigkeit, Verbündete zu suchen und sie an sich zu binden.
Für Albrecht Leonhardt (Bürgerfraktion) birgt der Prozess eine gewisse Tragik: „Es ist tragisch, dass Roßberg so ambivalent ist. Auf der einen Seite ist er fleißig, intelligent, brennt für Dresden. Auf der anderen Seite ist er uneinsichtig, beratungsresistent.“ Wer einem solchen Prozess ausgesetzt werde, müsse ihn so schnell wie möglich beenden, um Schaden von der Stadt abzuwenden. Roßberg habe jedoch genau das Gegenteil getan. „Sobald sich das Urteil von einem Freispruch unterscheidet, muss er zurücktreten“, so Leonhardt. Ein Berufungsverfahren sei weder Roßberg noch Dresden zuträglich.
Keine gute Position für den OB
Wer einen Freund wie Rainer Sehm habe, brauche keine Feinde, sagt André Schollbach (Die Linksfraktion.PDS). Sehm habe in der Stadtverwaltung mit höchster krimineller Energie zum Schaden Roßbergs gewirkt. „Roßberg selbst hat vor Gericht keine überzeugende Position einnehmen können“. Mehrfach habe sich der OB in der Sache widersprochen, sein häufig angekündigter Befreiungsschlag sei zu keinem Zeitpunkt geglückt.
Die Sitzung beginnt um 13 Uhr.