Von Andreas Kirschke
Nur die vordersten Sitzreihen auf der Festwiese füllen sich bis 15 Uhr. Wo nur bleiben die Gäste an diesem Sonntag zum Benefizkonzert des St. Filomena Vereins und des Dorfvereins Laske? Hält sie die drückend brütende Sonne von einem Abstecher in den 78-Seelen-Ort ab? Gegen halb vier glauben die „vorderen“ Gäste ihren Augen nicht zu trauen. Mindestens 400(!) Besucher sammeln sich mit einem Mal hinter ihnen. „Die haben nicht geglaubt, dass wir pünktlich anfangen....“, meint später Johannes Mickel, einer der Organisatoren, augenzwinkernd.
Ein guter Zweck liegt dem Konzert zugrunde. Geht es doch um die katholische Kirche in Poltawa (Ukraine). Lange vor ihr stand an dieser Stelle die Kirche „Christus auferstanden“. Doch die atheistische Staatsmacht ließ das Gotteshaus sprengen. 1994 riefen Katholiken in der 318 000-Einwohner-Stadt wieder eine Gemeinde ins Leben. Zu Gottesdiensten und Andachten treffen sich die Gläubigen bislang nur in einem kleinen, ärmlichen Wohnhaus. „Anfang dieses Jahres trat der Ortspfarrer von Poltawa, Pater Jacek Piel, mit der Bitte um finanzielle Unterstützung beim Bau einer neuen Kirche an uns heran“, schildert Gerhard Robel, Vorsitzender des Vereins St. Filomena. Dieser (gegründet am 14. Mai 2001 und für Hilfstransporte nach Bosnien, Kroatien und in die Ukraine engagiert) reagierte prompt. Er startete einen Aufruf an rund 1 300 Haushalte zwischen Ostro, Dreikretscham und Saalau. Schon kurze Zeit später gingen 3 000 Euro nach Poltawa auf die Reise. Sie dienten zum Kauf von Elektromaterial und wichtigen Baumaschinen. „Nun möchten wir noch bei der Finanzierung des Daches behilflich sein. Dazu werden nochmals 2 000 Euro benötigt“, wendet sich Gerhard Robel ans Publikum.
Viele originelle Darbietungen bekamen die Zuschauer geboten. Die Tanzgruppe Schmerlitz etwa zeigte „Takle wjercimy“, „Stupdale“, „Hanka“ und andere Kostproben ihres Könnens. Schriftsteller Benno Budar las sein Gedicht „Na zelenej kupje“ (“Auf der grünen Insel“). Er gehört zu jenen fünf Dichtern, die weit über die Lausitz hinaus bekannt sind und auf die der kleine Ort Laske so stolz ist. Christina Sachs, Tochter der 1993 verstorbenen Dichterin Inge Bulang, las das Stück „Witjace k nam“ („Herzlich willkommen“). Blumig-poetisch trug Maria Bresan (87) ihr Gedicht „Lubosc“ („Liebe“) vor. „Ohne Liebe gibt es keine Wärme. Und ohne Wärme gibt es kalte Herzen“, erntete sie mit den letzten Worten kräftigen Beifall. „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ – in Sorbisch gesungen von Schülern der Grundschule Ralbitz – entstammt ihrer Feder. Eine Premiere gar erlebt ihr Gedicht „Zu Besuch in der Natur“. Unterlegt mit der Melodie von Veronika Statnik bringen es die Ralbitzer Erstklässler den Gästen nahe. „Solange ich lebe, solange ich kann, will ich den Leuten eine Freude machen“, war das Benefizkonzert der Rentnerin Herzenssache.
Tochter Monika Koch las unter anderem das Gedicht „Idylka“ („Idylle“). Es handelt von Heimatliebe, von blühenden Landschaften. Im Gedicht „Wotcinjene durje“ („Offene Türen“) plädierte sie für Toleranz. Für offene Türen voller Wärme und Liebe. Für ein Verhältnis, wo Glaube und Volksverbundenheit vorherrschen, wo jeder jeden freundlich begrüßt – geschützt vor dem Bösen und der Angst. „Mich freut besonders, dass heute alle Teilnehmer hier aus Delany, aus dem Unterland, kommen“, hatte auch sie mit der Zusage zum Konzert keine Minute gezögert.
So ging es auch dem Männerchor Delany und der Laientheatergruppe Schönau/Cunnewitz. Letztere nahm im Sketch „Letzte Zuckungen“ die Wehwehchen eines älteren Ehepaares aufs Korn. In einem anderen Kurzstück ging es um „Die Vermeldungen“. Der Pfarrer, plötzlich erkrankt, verlässt sich auf seinen Küster. Doch dieser macht sich keine Notizen. Er bringt alle Termine durcheinander. Nur einer mag am Ende noch stimmen: „Nächste Woche ist der Pfarrer wieder gesund...“ Der Beifall war ihnen wie den anderen Mitwirkenden am Ende gewiss.
Etliche Luftballons – versehen mit den Adressen der Kinder und dem Aufruf des St. Filomena Vereins vom Februar, stiegen am Ende gen Himmel. Eine passende Geste zum Kindertag. „Das Programm war sehr abwechslungsreich. Jede Altersgruppe bekam etwas geboten“ meint Simone Rölke aus Zerna hinterher. Der volksnahe Humor der Theatergruppe, die Eleganz der Schmerlitzer Tanzgruppe („die viel Freizeit opfert“) imponierten ihr am meisten. Mitgefiebert hatte sie auch mit Tochter Sabrina. Denn diese ist zusammen mit Ralbitzer Grundschülern aufgetreten. „Es ist uns wichtig, die Kinder so zu erziehen, daß sie auch an andere denken“, betonte Lehrerin Theresia Lehmann. „In dieser Richtung arbeiten wir seit vielen Jahren. Es kommt gut an. Gerade auch bei den Eltern.“ Sabrinas Vater, Steffen Rölke etwa, steht voll hinter der Spen-denaktion. Weiß er doch hier, dass das Geld auch wirklich ankommt und die Aktion offen dokumentiert wird.
1 886,50 Euro zählen die Organisatoren am Ende allein in den Glasvitrinen. „Hinzu kommen noch die Einnahmen aus Kaffee, Kuchen und Getränken. So haben wir die 2000 Euro für das Dach zusammen“, freut sich Gerhard Robel. Benedikt Rehde, Vorsitzender der Sorabia Agrar AG Rosenthal, übergibt die Spende in den nächsten 14 Tagen vor Ort persönlich. Voraussichtlich 2004 soll die Kirche in Poltawa ihre Weihe erleben. Gerhard Robel: „Wir wollen auf jeden Fall mit dabei sein.“
Wer das Anliegen zusätzlich unterstützen möchte, dessen Spende ist jederzeit willkommen bei der Volksbank Bautzen e.G., St. Filomena Verein e. V., Konto-Nummer: 372624701, Bankleitzahl 85590000, Verwendungszweck: Poltawa.