Von Katrin Schröder
Der Mann ist weiß Gott kein Held. Im Gegenteil: Kriminalrat Eberhard Mock von der Breslauer Polizei trinkt, schreckt vor Gewalt nicht zurück und kommandiert seine Untergebenen ab, um die eigene Frau zu beschatten. Trotzdem – oder gerade deshalb – lieben ihn die polnischen Leser. Soeben ist der vierte und letzte Krimiband mit dem Antihelden Mock von Marek Krajewski erschienen. Unter dem Titel „Festung Breslau“ sucht Mock in den Trümmern des von der Roten Armee besetzten Breslau nach dem Mörder eines jungen Mädchens. Der Altphilologe Krajewski ist Dozent an der Universität Wroclaw und schreibt höchst erfolgreich Kriminalromane, die im deutschen Breslau spielen – in einer düsteren und dekadenten Welt voller Krimineller, Drogensüchtiger und Prostituierter. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis des Buchhandels „Witryna“ für das beste Buch 2005 und mit dem Literaturpreis „Paszport“ der Wochenzeitung Polityka.
Einigkeit bei Kritik und Lesern
Nicht nur die Kritiker, auch die Leser sind begeistert. Einen Tag nach Erscheinen stand „Festung Breslau“ auf Platz eins zweier Internet-Bestsellerlisten. Eine Verfilmung ist in Arbeit. Und Krajewski wird von Radio- und Fernsehstationen herumgereicht, ist landauf, landab auf Lesereise. Auch in Wroclaw selbst – dort haben Buchhändler ihre Schaufenster mit seinen Büchern dekoriert. „Wir freuen uns, denn das bedeutet ein größeres Interesse für die Stadt“, sagt Anna Skudarska vom Haus des Buches am Markt. Dort legt Mikolaj Marszalek die vier Mock-Krimis auf den Tresen: „Ich habe bisher eins gelesen, jetzt kaufen wir alle.“ Krajewski schreibe einfach gute Bücher. „Und schließlich kommen wir aus Wroclaw“, sagt seine Mutter.
„Die Bücher sind sehr schön geschrieben und vor allem sind die historischen Fakten darin belegt“, sagt Urszula Sudolska von der Niederschlesischen Buchhandlung in der Swidnickastraße. Die Schauplätze könne man im Stadtbild wiederfinden. „Die Leute aus Wroclaw interessieren sich dafür, wie es hier früher aussah“, sagt sie. Der Autor selbst erinnert sich, wie die Legenden des alten Breslau seine kindliche Fantasie beflügelt haben – „dass unter den Straßen unterirdische Korridore verlaufen, in denen sich bis in die 50er Jahre hinein SS-Männer versteckt hielten.“ Bei der Stadt denkt man darüber nach, den Mythos Mock zu nutzen. Dort liegen Pläne in der Schublade, auf welchen Wegen man Fans durch das Breslau Eberhard Mocks führen könnte. Schließlich suchen Touristen in Paris auch nach den Schauplätzen des Bestsellers „Sakrileg“, sagt Pawel Romaszkan, Direktor des Tourismusbüros. Und in Ystad, der Heimat von Henning Mankells Erfolgskommissar Kurt Wallander, verteilt die Touristinformation Broschüren zur Romanfigur.
Legenden müssen wachsen
Auch Wroclaw kann einen solchen Mythos gebrauchen. Doch für den bärbeißigen Kriminalrat ist es noch zu früh, sagt Romaszkan: „Die Legende muss erst wachsen.“ Wer sich individuell auf die Spuren Eberhard Mocks begeben will, kann das schon jetzt – zwei der vier Krimis sind bereits übersetzt.
Mock-Krimis auf Deutsch: „Tod in Breslau“ und „Der Kalenderblattmörder“.