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„Hoffentlich ist es drinnen wärmer als draußen“

In Nünchritz und Strehla zog es am Wochenende mehr als hundert Badehungrige in das Wasser der Elbe. Hunderte Schaulustige verfolgten das kühle Spektakel allerdings lieber vom trockenen Ufer aus.

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Von Constanze Matthes

Der Weihnachtsmann ist da. Auch ein Mexikaner mit früchtebeladenem Sombrero wartet auf das Startsignal. Ebenso Männer in Bikini und Nachthemd. Konrad Bennecke aus Bergisch-Gladbach hält einen blauen Bademantel und rosa Plasteschuhe in der Hand. „Ich habe meine Frau auf Reise geschickt. Aber ihr wird schon nichts geschehen. Sie ist eine gute Schwimmerin und könnte in ihrem früheren Leben ein Seehund gewesen sein“, plauderte der Rheinländer gestern in Strehla. Hier macht er zurzeit Urlaub. 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit ist es endlich so weit. Jürgen Pyka, Schwimmmeister des Erlebnisbades, schickt rund 80 meist originell verkleidete Elbebader und skuril wirkende Schwimmfahrzeuge auf die rund zwei Kilometer lange Strecke zwischen Fähre und Nixstein – bei um die 20°C Wassertemperatur. Zumindest am Rand. Mehr als die dreifache Strecke hat der Riesaer Triathlet bereits hinter sich, der auf die bunte Truppe im Wasser aufpassen soll. Von Riesa ist er vorher schon bis Strehla geschwommen. „Der Fluss ist zwar flach, aber wir müssen trotzdem schauen, ob alle wieder den Ausstieg erwischen“, erklärt er.

Auch die Welt zwischen Nünchritz und Grödel spaltete sich in zwei Hälften. In den Lebensraum der unerschrockenen Elbeschwimmer und in den der furchtsamen Schaulustigen. Diese waren am Flussufer in der Überzahl, als sich am Sonnabendnachmittag rund 30 Wagemutige in die Elbe begaben.

„Hoffentlich ist es drinnen wärmer als draußen“, hofft die 65-jährige Martha Michelfeit aus Nünchritz auf den letzten Metern zum kühlen Nass hin. Schritt für Schritt tasten sich die Wasserratten in die Mitte des Flusses, um sich schließlich prustend in die Fluten zu stürzen, um vom Bootshaus bis zum Kilometer 103 in Grödel flussabwärts zu gelangen. Rettungsboote des Technischen Hilfswerks und die Schaulustigen begleiten die schwimmende Schar. Mit roter Grütze getauft und pitschnass steigt als eine der ersten die 14-jährige Luise Graf aus dem Wasser. „Es war mal kalt, mal warm. Vier oder fünf Schwimmer habe ich sogar überholen können“, erzählt die junge Nünchritzerin, die von Mutter Anke wieder auf trockenem Boden begrüßt wird. „Ich wusste schon immer, dass meine Tochter verrückte Dinge macht“, sagt sie. Für ganz so verrückt hält Martha Michelfeit das Elbeschwimmen nicht. Schließlich kann sie sich noch an die Zeiten erinnern, als das Baden im Fluss zu den typischen Freizeitbeschäftigungen gehörte. „Es war wunderbar. Damit tauchen gewisse Erinnerungen wieder bei mir auf“, erzählt die Rentnerin.

Genau diese Verbindung der Nünchritzer zum Fluss will der Organisator, der Straßenclub Hochwasserweg, fördern. Das Elbeschwimmen ist eine Möglichkeit, die Nähe zur Elbe wiederzufinden. „Ich bin zufrieden mit der regen Resonanz“, sagt Vereinsvorsitzender Jörg Münzinger. Ob in naher Zukunft das Baden in der Elbe zur Gewohnheit wird, kann er noch nicht versichern. Er zumindest sieht in der Wasserqualität keinen Hinderungsgrund. „Der Wille ist da, die Sandstrände auch. Entweder kann die öffentliche Hand einen Badestrand eröffnen, oder ein Privater wird es tun“, so Jörg Münzinger.