Von Juliane Richter
Rosemarie Ackermann erzielte im Mai 1976 einen Weltrekord im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion. Sie sprang 1,96 Meter hoch. Der heute 60-Jährigen gelang es noch zweimal, den eigenen Weltrekord zu verbessern. Im Dresdner Stadion schafften Leichtathleten zwischen 1973 und 86 insgesamt 13 Weltrekorde.

Doch die Zeiten sind vorbei: Der Verfall des Stadions ist an jeder Ecke sichtbar: Die Nordtribüne und verschiedene Traversen sind gesperrt, die Mauern im Innenraum fleckig, und die alte Anzeigetafel hat ihre besten Tage längst hinter sich. Schon seit Jahren will die Stadt das marode Stadion am Rande des Ostrageheges sanieren. Die Zeit drängt, da das Bauaufsichtsamt jährlich darüber entscheidet, ob das Stadion überhaupt noch für Zuschauer geöffnet werden kann. Derzeit sind lediglich 4 500 zugelassen. Das Problem: Bisher fehlte das Geld. Häppchenweise wurde die Planung vorangetrieben und zuletzt der Bau eines neuen Funktionsgebäudes, das Umkleiden und Toiletten beherbergt, beschlossen. Doch mehr als diese rund 775 000 Euro am Stück zu investieren, war nicht denkbar. Nun bekommt das Großprojekt jedoch einen unerwarteten Anschub.
Während der Haushaltsverhandlungen im Januar hat die neue Koalition aus CDU, SPD und Grünen überraschend vier Millionen Euro für die Sanierung eingeplant. Laut Sportstättenchef Sven Mania kann das Großprojekt dadurch schneller angegangen werden. Noch im Sommer soll der Bau des Funktionsgebäudes beginnen, das sich außerhalb des Stadions nahe der Eislaufbahn befindet. Dort bieten dann vier behindertengerecht gebaute Doppelkabinen ausreichend Platz. Neben dem Sportgymnasium und der Sportmittelschule nutzen verschiedene Vereine, wie die Footballer der Dresden Monarchs, die zweite Männermannschaft von Dynamo Dresden und mehrere Abteilungen des DSC, das Leichtathletikstadion samt Spielfeld. Zufrieden mit den bisherigen Bedingungen sind nicht alle. DSC-Präsident Günther Rettich lobt zwar die reinen Sportanlagen, die nach der Flut 2002 saniert wurden. „Aber es funktionieren weder Anzeigetafel noch Lautsprecheranlage, und es gibt auch kein Flutlicht“, sagt Rettich.
Mögliche Probleme im Erdreich
Sportstättenchef Sven Mania macht nun aber Hoffnung, dass sich an den Umständen in absehbarer Zeit etwas ändert. „Mit dem zusätzlich bewilligten Geld können wir im Frühjahr 2014 mit dem Abriss der Nordtribüne und dem anschließenden Neubau beginnen“, so Mania. Mehr als zwei Millionen Euro seien dafür nötig – Geld, das in diesem Umfang bisher nicht aufzubringen war. Bis zum Baustart müssen ihm zufolge die Planungen noch fertiggestellt werden. Doch auch bei diesem Bauprojekt könnten Probleme drohen. Weil die derzeitige Nordtribüne aus Holz besteht, müssen schadstoffbelastete Bauteile, wie der Dachbelag, asbesthaltige Baustoffe und mit Holzschutzmitteln behandelte Teile, gesondert entsorgt werden. „Außerdem sehen wir erst nach dem Abbruch der Tribüne, was sich darunter befindet. Da das Gelände aus aufgeschüttetem Material besteht, wird der Neubau eventuell auf Pfählen entstehen müssen“, so Mania. Die fertige Nordtribüne ist wiederum die Voraussetzung dafür, dass die Südtribüne umgebaut werden kann. Allein die Sanierung des Steinbauwerks wird wohl mehr als 3,5 Millionen Euro kosten. Zudem ist eine Verlängerung nach links und rechts geplant, die weitere 2 000 Sitzplätze schaffen soll – und noch einmal mit fast zwei Millionen Euro zu Buche schlägt.
Geld, das aber nach wie vor fehlt. Insgesamt rechnet die Stadt mittlerweile mit Baukosten von bis zu 13 Millionen Euro. Vor einem Jahr war noch von maximal zwölf Millionen die Rede. „Durch die Verzögerungen und somit langen Planungsphasen wird es teurer“, sagt Mania. Wenn das Stadion irgendwann komplett saniert ist, soll es bis zu 12 000 Zuschauer fassen. In der Vergangenheit haben die Sportler sich noch eine größere Kapazität gewünscht. Das weist die Stadt zurück. „Es gibt zum Beispiel bundesweit hochklassige Leichtathletikanlagen. Die müssen ja auch genutzt werden“, sagt Mania. Dem gibt DSC-Präsident Günther Rettich recht. Große nationale und internationale Leichtathletikwettkämpfe seien in Dresden nicht geplant. Aber ein Springermeeting, wie es zuletzt in der Margon-Arena durchgeführt wurde, sei auch fürs Steyer-Stadion wünschenswert. Auch Monarchs-Präsident Sören Glöckner drängt auf ein intaktes Stadion: „Bei unseren Spielen im Glücksgas-Stadion kamen zuletzt rund 6 000 Zuschauer.“ Was den Spielern eine wunderbare Atmosphäre beschert, ist im Heinz-Steyer-Stadion so noch lange nicht möglich.